Behauptung: "Die Folgen der Erderwärmung für Deutschland sind nicht sehr schlimm – und einige sogar positiv. Es wird hierzulande kein Klima geben, mit dem Menschen nicht schon heute irgendwo auf der Welt konfrontiert sind. Deutschland wird die Folgen jedenfalls gut bewältigen – auf teure Klimaschutzmaßnahmen, die Wirtschaft und Wohlstand bedrohen, sollten wir deshalb verzichten."
Fakt ist: Auch Deutschland muss sich auf durchaus gravierende Folgen der Erderwärmung einstellen. Ein Verzicht auf Klimaschutz würde die Kosten dafür drastisch erhöhen
Antwort: Schon heute sind hierzulande erste Folgen des Klimawandels spürbar, und die Projektionen sind klar: In Deutschland wird es heißer, Wetterextreme nehmen zu, auch Dürren werden häufiger. Die Folgen einer fortschreitenden Erderwärmung werden gravierend sein, aber für ein wohlhabendes Land wie Deutschland vermutlich relativ beherrschbar bleiben. Doch dies taugt nicht als Argument gegen Klimaschutz: Denn die nötigen Anpassungsmaßnahmen werden umso teurer, je weiter der menschliche Treibhausgasausstoß und damit die Erdtemperaturen zunehmen. Und in vielen anderen Staaten weltweit bedroht der Klimawandel Menschen unmittelbar an Leib und Leben.
Auch in Deutschland sind die ersten Folgen des Klimawandels schon zu beobachten: Es ist heute deutlich wärmer als vor einhundert Jahren, es gibt zum Beispiel weniger Eis- und mehr Hitzetage, und im norddeutschen Obstanbaugebiet Altes Land blühen die Bäume inzwischen zwei bis drei Wochen früher als noch 1975.
Um mehr als anderthalb Grad Celsius ist der langjährige Durchschnitt der Temperatur in Deutschland seit 1881 bereits gestiegen (siehe Abbildung 1). Der Langzeittrend zeigt also klar nach oben, allerdings verlief die Entwicklung nicht linear. Auf wärmere Jahre folgten (zumindest bis in die 1990er) auch immer mal weniger warme oder kühle Jahre – seitdem aber häufen sich die Rekorde auffällig. Mit einer Jahresdurchschnittstemperatur von 10,5 Grad Celsius markierte das Jahr 2018 in Deutschland einen neuen Höhepunkt. Von 2018 bis 2020 war es nach Angaben des Deutschen Wetterdienstes (DWD) drei Jahre in Folge bereits mehr als zwei Grad wärmer als im langjährigen Mittel 1961 bis 1990. Und noch ein Fakt belegt den anhaltenden Erwärmungstrend: 2021 war mit 9,2 Grad Celsius das elfte Jahr in Folge, das über dem noch vor wenigen Jahrzehnten üblichen Niveau lag.
Abbildung 1: Temperaturentwicklung in Deutschland seit 1881 – und voraussichtliche Entwicklung bis 2100. Die linke Hälfte der Grafik zeigt die Messwerte der Jahresmitteltemperaturen der vergangenen Jahre (blaue und rote Balken), und wie es für das Klima typisch ist, schwanken sie stark. Der langjährige Trend (schwarz-gestrichelte Linie) aber zeigt ebenso deutlich wie die Häufung roter Balken am Ende, dass in Deutschland in den letzten gut 130 Jahre im Mittel bereits eine deutlich Erwärmung zu verzeichnen war. Die schraffierten Flächen im rechten Teil der Grafik zeigen den Bereich des Temperaturanstiegs, der auf Basis einer Vielzahl von Klimamodell-Berechungen bis 2100 erwartet werden muss (Szenario RCP2.6 nimmt "dabei sehr starke und schnelle Klimaschutzmaßnahmen an, RCP8.5 eine Entwicklung bei ungebremsten Treibhausgasemissionen). In der Mitte der Grafik überlappen sich Balken und schraffierte Fläche – hier wurde mit den Klimamodellen "zurückgerechnet" bis 1961, was sie auf der Basis historischer Emissionen als erwartbare Temperatur ergeben. Man sieht, dass Modellrechnung und reale Messungen relativ gut übereinander liegen, was im Umkehrschluss für die Verlässlichkeit der Zukunfts-Projektionen spricht. Quelle: DWD 2022
Welche Verhältnisse in den nächsten Jahrzehnten und darüber hinaus zu erwarten sind, lässt sich mit computerbasierten Klimamodellen simulieren. Für Europa hat der Weltklimarat IPCC 2021 Ergebnisse zur künftigen Entwicklung zusammengetragen und sie so zusammengefasst:
„Bei zunehmender globaler Erwärmung besteht sehr hohe Gewissheit, dass die Temperaturen in allen europäischen Gebieten stärker ansteigen werden als im globalen Mittel, während der mittlere Niederschlag [im Winter] in hohen Breiten zunehmen und [im Sommer] in Südeuropa abnehmen wird (mit mittlerer Gewissheit bei einer globalen Erwärmung von 2 °C oder weniger und mit hoher Gewissheit bei stärkerer Erwärmung). In hohen Breitengraden und niedrig gelegenen Gebirgsregionen ist in Europa ein starker Rückgang der Schneemengen bei weiter steigenden regionalen Temperaturen praktisch sicher (sehr hohe Gewissheit).“
(IPCC 2021, AR6, Band 1, Atlas-Kapitel, Abschnitt 8 – Europa)
Außerdem ist in allen Teilen Europas eine weitere Zunahme von Hitzeextremen zu erwarten. Überschwemmungen an Flüssen werden mit sehr hoher Gewissheit in Zentral- und Westeuropa zunehmen und in Nord-, Ost- und Südeuropa abnehmen (je nach Zeithorizont oder Emissionsszenario mit mittlerer bzw. niedriger Gewissheit). Mit hoher Gewissheit lässt sich für den Mittelmeerraum sagen, dass Dürren zunehmen, sofern die globale Erwärmung nicht auf unter 2 Grad Celsius begrenzt wird. Die Meeresspiegel werden weiter steigen, wodurch Flutrisiken zunehmen (IPCC 2021, AR6, Band 1, Kapitel 12.4.5).
Abbildung 2: Für die Jahre 2071-2100 projizierte Änderung der durchschnittlichen Zahl von Hitzewellen (mehr als drei aufeinanderfolgende Tage mit extremen Temperaturen im Vergleich zum Zeitraum der Periode 1971-2000 für die Monate Mai-September). Je dunkler das Rot, desto stärker die Zunahme. Für die schraffierten Regionen sind die vorliegenden Ergebnisse robust und signifikant. Die Projektion beruht auf einem Szenario mit ungebremst steigendem Ausstoß an Treibhausgasen (RCP8.5-Szenario des IPCC); Quelle: Jacob et al. 2014
Auch hierzulande werden die Temperaturen weiter steigen, vor allem in Südwestdeutschland ist mit einer deutlichen Zunahme sommerlicher Hitzewellen zu rechnen (siehe Abbildung 2). Ohne Anpassung an diese Klimaänderungen stünde jedenfalls auch Deutschland vor großen Problemen – denn auf klimatische Verhältnisse, wie sie in anderen Weltregionen schon heute üblich sein mögen, sind Gesellschaft und Infrastruktur hierzulande nicht vorbereitet.
Künftig sollten beispielsweise Gebäude und Verkehrswege auf höhere Temperaturen ausgelegt werden, angesichts zunehmender Starkregen müssen städtische Kanalisationen umgebaut und mehr Flächen entsiegelt werden, um eine stärkere Versickerung zu ermöglichen. Die Landwirtschaft zum Beispiel wird bessere Bewässerungssysteme brauchen und veränderte Sorten und Kulturen, im Alten Land etwa pflanzen die Obstbauern schon heute neue Apfelsorten, in der Uckermark experimentieren Institute mit dem Anbau von Hirse oder Soja statt Winterweizen. Auch der Forstwirtschaft dürfte die Anpassung besondere Probleme bereiten – denn das Klima wandelt sich stärker, als viele Bäume es verkraften, und schneller, als neue Baumbestände heranwachsen können.
Im Jahr 2022 veröffentlichte das Umweltbundesamt eine umfangreiche Klimawirkungs- und Risikoanalyse (KWRA) für Deutschland. In sechs Bänden und auf vielen hundert Seiten werden für verschiedene Wirtschaftssektoren und Lebensbereiche die Folgen der Erderhitzung analysiert – mit klarem Ergebnis: Bis zum Ende des Jahrhunderts droht "eine deutliche Zunahme der Klimarisiken", besonders schwerwiegende Folgen werden für die Bereiche Artenvielfalt, Forstwirtschaft, Wasserhaushalt, Küstenschutz, Bauwesen und menschliche Gesundheit erwartet (UBA 2021, KWRA-Kurzfassung, Kapitel 7).
Dass das wohlhabende Deutschland die Anpassung an den Klimawandel sicherlich besser bewältigen wird als viele ärmere und härter getroffene Staaten, ist kein Argument gegen Klimaschutz. Je weiter nämlich der Ausstoß an Treibhausgasen steigt, desto stärker steigt der Temperaturanstieg, und desto schwieriger werden die notwendigen Anpassungsmaßnahmen umzusetzen sein – was auch bedeutet, dass sie teurer werden. Und bei einer völlig ungebremsten Erderwärmung werden auch für Deutschland Klimaveränderungen erwartet, die irgendwann nicht mehr beherrschbar sind – an die keine Anpassung mehr möglich ist.
klimafakten.de, Oktober 2012;
zuletzt aktualisiert: Dezember 2022
Die menschengemachte Erderwärmung ist nichts, was in der Zukunft liegt – sie hat längst begonnen. Auch in Deutschland sind bereits Veränderungen des langjährigen Klimas zu beobachten: Das zurückliegende Jahrzehnt zwischen 2011 und 2020 war um durchschnittlich 2 Grad Celsius wärmer als die ersten dreißig Jahre nach dem Beginn der deutschen Wetteraufzeichnungen 1881. Die Vegetationsphasen von Pflanzen beginnen früher im Jahr, Hitzewellen haben in Dauer und Intensität zugenommen, es häufen sich Jahre mit extremer Trockenheit (DWD, 2021, DKK et al. 2022).
Sicherlich wird Deutschland mit seiner Lage in der gemäßigten Klimazone nicht zu den Staaten gehören, die am schwersten von der Erderwärmung betroffen sind. Dennoch rechnen Fachleute damit, dass die verschiedenen Folgen des Klimawandels auch hierzulande gravierend sein werden.
Wie wird das Klima in Deutschland?
In den vergangenen Jahren gab es eine ganze Reihe von Forschungsvorhaben, die die voraussichtlichen Auswirkungen von Klimaveränderungen für unterschiedliche Regionen und Zeiträume, für verschiedene Bereiche von Wirtschaft oder Gesellschaft untersuchten. Dabei wurden, ausgehend von den in den kommenden Jahrzehnten zu erwartenden weltweiten Treibhausgasemissionen, wahrscheinliche Reaktionen des Klimasystems simuliert. Dank einer immer größeren Datenfülle, verfeinerter Klimamodelle und leistungsfähigerer Computer sind inzwischen belastbare Aussagen über künftige klimatische Verhältnisse sogar für einzelne Regionen Deutschlands möglich.
Die Temperaturen in Deutschland werden in den kommenden Jahrzehnten weiter steigen. Wenn der weltweite Ausstoß an Treibhausgasen sehr schnell und drastisch verringert würde (Szenario RCP2.6 des IPCC), ließe sich die Erwärmung hierzulande wahrscheinlich noch auf rund 1,9 °C gegenüber vorindustriellem Niveau begrenzen. Bei ungebremsten Emissionen (SzenarioRCP8.5) jedoch würde Deutschland im Jahresdurchschnitt um 3,6 bis schlimmstenfalls sogar 6 °C heißer als vor Beginn des menschengemachten Klimawandel.
Die Zahl der Frosttage hierzulande nimmt weiterhin stark ab, im Gegenzug werden sogenannte Heiße Tage (mit Temperaturen über 30 °C) häufiger. Hitzewellen werden häufiger und heftiger und dauern länger an, und es gibt im Sommer viel mehr sogenannte Tropennächte, in denen die Temperaturen nicht unter 20 °C sinken.
Die Niederschläge nehmen in der Jahressumme voraussichtlich leicht zu, aber es muss mit Änderungen in der zeitlichen Verteilung gerechnet werden. Im Winter gibt es wohl mehr Niederschlag (aber seltener als Schnee), im Sommer ist eher mit einer Abnahme zu rechnen. Zugleich werden Starkregen häufiger, dazwischen wird es öfter als in der Vergangenheit längere Trockenphasen geben. Weil zugleich durch höhere Temperaturen die Verdunstung zunimmt, werden Dürren mit hoher Wahrscheinlichkeit häufiger.
Der Anstieg der Meeresspiegel (in der Nordsee am Pegel Cuxhaven bereits 42 Zentimeter seit Mitte des Jahrhunderts) wird sich im Einklang der weltweiten Entwicklung noch beschleunigen.
Außerdem ist mit einem Rückgang der Gletscher und der Schneebedeckung der Alpen zu rechnen (Zekollari et al., 2019). Für Flüsse wird mit einer deutlichen Erhöhung der Wassertemperaturen gerechnet, für den Rhein zum Beispiel dürften sich bis zum Jahr 2100 die Zeiträume vervierfachen, in denen das Wasser 27 Grad Celsius oder noch wärmer ist (Hardenbicker et al. 2016).
Zwar sind im Zuge des Klimawandels für Deutschland keine klimatischen Bedingungen zu erwarten, die nicht irgendwo anders auf der Welt bereits bekannt sind – doch das bedeutet nicht, dass es hierzulande keine Probleme gäbe. Denn viele Bereiche von Wirtschaft und Gesellschaft, so das Ergebnis einer großangelegten Klimawirkungs- und Risikoanalyse (KWRA) im Auftrag des Umweltbundesamtes, sind mäßig bis hoch anfällig auch für moderate Klimaänderungen (UBA 2021). „Alle Lebewesen und Systeme in Deutschland sind vom Klimawandel betroffen, aber räumlich und zeitlich unterschiedlich“, lautete das Fazit der Untersuchung.
In welche Regionen sich Deutschland klimatisch unterteilt („Klimaraumtypen“) und welche am stärksten von welchen Folgen getroffen werden, haben die Autor:innen in dieser Karte dargestellt:
An den Küsten (dunkelgrün) und im Nordwesten (hellgrün) wird die Hitzebelastung geringer ausfallen als etwa in Süddeutschland, allerdings nehmen Starkregen erheblich zu.
Die trockenste Region (orange), zu der weite Teile Ostdeutschlands gehören, aber auch Gegenden in der Mitte, wird noch trockener, zugleich nehmen Starkregen wie auch Hitzetage zu.
Die schon heute wärmsten Regionen (dunkelrot), im Südwesten entlang des Rheins und ganz im Osten entlang der Spree, werden Heiße Tage und Tropennächte stark zunehmen.
Der Klimaraum Südosten, der von Baden-Württemberg über Bayern bis Sachsen reicht, wird sich künftig mit am stärksten erwärmen, es wird deutlich mehr Hitzetage geben und im Sommer häufigere Trockenperioden.
Im Bereich der Mittelgebirge nehmen Starkregen- wie auch Trockentage stark bzw. sehr stark zu.
Dies gilt ähnlich fürs Gebirge, wozu vor allem die Alpen gehören, dort nehmen außerdem Frosttage besonders stark ab und Hitzetage besonders stark zu.
Welche Folgen hat das, und wie kann man sich anpassen?
Zwar wird es auch positive Aspekte des Klimawandels geben, aber insgesamt werden für Deutschland (wie auch global betrachtet) die negativen überwiegen bzw. solche, die zumindest teure Anpassungsmaßnahmen erfordern. Die 2008 erstmals beschlossene Anpassungsstrategie der Bundesregierung zählt für mehr als ein Dutzend Bereiche mögliche Folgen der Klimaveränderungen auf – und was man dagegen tun kann bzw. muss. Hier nur drei Beispiele:
Das Gesundheitswesen muss sich künftig darauf einstellen, dass sich bereits bekannte Krankheitserreger wie die durch Zecken übertragenen FSME-Viren in einem milderen Klima weiter ausbreiten; außerdem werden neue Erreger hinzukommen, beispielsweise Dengue- oder Chikungunya-Viren, die durch die hierzulande in der Vergangenheit nicht heimische Asiatische Tigermücke übertragen werden können. Die in Städten deutlich zunehmenden Sommerhitzen werden zu vermehrten Herz-Kreislauf-Krankheiten mit häufigeren Todesfällen führen. Auch Allergien dürften sich ausbreiten (etwa infolge verlängerter Pollenflugzeiten). Weil bei wärmeren Temperaturen Lebensmittel schneller verderben, ist eine Zunahme von Magen-Darm-Erkrankungen beispielsweise durch Salmonellen möglich (Umweltbundesamt, 2020).
Auch das Bauwesen steht vor großen Herausforderungen. Für die in den nächsten Jahrzehnten häufigeren und stärkeren Hitzewellen zum Beispiel sind die meisten Gebäude in Deutschland nicht ausgelegt (ebenso wenig die hiesigen Transportmittel, wie in heißen Sommern die Probleme an Klimaanlagen von ICE-Schnellzügen zeigten). Ganz generell dürften Klimaanlagen in Gewerbe-, aber auch Wohngebäuden, aber vor allem in Einrichtungen wie Krankenhäusern oder Seniorenheimen künftig viel wichtiger werden. In der Stadtplanung muss beispielsweise stärker darauf geachtet werden, dass es in dicht bebauten Gebieten mehr Bäume, Parks und Gewässer gibt, die vor allem im Sommer für kühlere und feuchtere Luft sorgen). Extremere Starkregenereignisse werden Gebäude überfluten, die zuvor kaum gefährdet waren. Vielerorts ist die Kanalisation nicht leistungsfähig genug für die Wassermengen, die sie dann im Ernstfall transportieren muss. Erschwerend wirkt sich aus, dass in Deutschland nur relativ wenige Gebäude neu entstehen und der Anteil von Altbauten vergleichsweise hoch ist – Nachrüstungen aber sind erfahrungsgemäß schwieriger und teurer als die Berücksichtigung veränderter Anforderungen bei Neubauten (Umweltbundesamt, 2022).
Land- und Forstwirtschaft sind die Wirtschaftszweige, die am wohl unmittelbarsten von Wetter und Klima abhängig sind. Positiv könnte sich auswirken, dass eine Klimaveränderung zu längeren Vegetationsperioden führt, auch fördert ein erhöhter Kohlendioxid-Gehalt in der Luft grundsätzlich das Pflanzenwachstum. Allerdings werden solche möglichen Vorteile durch Wassermangel und andere Stressfaktoren mindestens teilweise zunichtegemacht.In der Agrarwirtschaft wird auf den Klimawandel bereits durch die Züchtung und den Einsatz neuer Pflanzenarten reagiert, zum Beispiel bei Weizen. Die Bewässerungsmöglichkeiten müssen in vielen Regionen ausgebaut werden, allerdings ist ungewiss, ob künftig überall genügend Wasser verfügbar sein wird. Pflanzen und Nutztiere sind ebenfalls durch neu einwandernde Krankheitserreger bedroht. Zudem müssen Landwirt:innen wegen stärkerer Hitze, länger anhaltenden Dürren oder extremerem Starkregen mit größeren Schwankungen bei ihren Erträgen rechnen (Umweltbundesamt, 2020). Die Forstwirtschaft steht vor dem besonderen Problem, dass die Lebenszeit von Bäumen mit mehreren Jahrzehnten oder gar Jahrhunderten sehr lang ist, die Umstellung auf neue Baumarten (etwa Douglasien) deshalb langsamer gelingen könnte, als der menschengemachte Klimawandel abläuft (Umweltbundesamt, 2020).
Nicht nur für Deutschland, sondern für ganz Europa bringt der Klimawandel weitreichende Risiken: "Ökosysteme, Menschen und Volkswirtschaften werden mit schweren Wirkungen konfrontiert sein, wenn wir nicht dringend die Treibhausgas-Emissionen senken oder uns an die Folgen anpassen", lautete das Fazit eines EU-Forschungsreports, dabei werden die Folgen etwa durch Ext"Wo lässt remhitze, Wasserknappheit, Dürren, Waldbrände oder Ernteeinbußen im Süden des Kontinents viel schärfer ausfallen als im Norden (Feyen et al. 2020).
Mit welchen Schäden und Kosten ist zu rechnen?
Die möglichen Schäden, die im Zuge der Erderwärmung erwartet werden müssen, sind auch hierzulande hoch – und je stärker die Temperaturen noch stärken, desto teurer wird es. Seriöse Schätzungen sind wegen verschiedener Unsicherheiten sehr schwer, aber schon ein Blick auf vergangene Extremwetterereignisse macht die Dimensionen klar, um die es geht: Die gesamtwirtschaftlichen Schäden durch das Elbehochwasser 2002 zum Beispiel wurden auf rund 9,4 Milliarden Euro beziffert. Als Folge des außergewöhnlich heißen Sommers im Jahr 2003 zählten Statistiker in Deutschland über 7.000 Todesfälle mehr als in üblichen Sommern; das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung bezifferte die wirtschaftlichen Kosten der Hitzewelle jenes Jahres für ganz Europa auf zehn bis 17 Milliarden Euro (Kemfert 2004).
Eine der Branchen, die sich am genauesten mit Schäden infolge des Klimawandels befasst, ist naturgemäß die Versicherungsindustrie. Sie verzeichnet bereits sei längerem eine Zunahme – und warnt in deutlichen Worten vor weiteren Anstiegen. Die Swiss Re zum Beispiel (eine der weltgrößten sogenannten Rückversicherungsgesellschaften, bei denen sich kleinere Versicherungen versichern), rechnet für Deutschland bis 2040 mit einer Zunahme von klima- und wetterbedingten Versicherungsschäden von bis zu 90 Prozent.
Noch schwieriger sind die Kosten von Anpassungsmaßnahmen zu schätzen, unter anderem wegen der langen Zeiträume, die betrachtet werden müssen und weil bei einer Gesamtanalyse der Rentabilität die durch die Ausgaben vermiedenen Schäden gegengerechnet werden müssen. Das Umweltbundesamt hat mögliche Anpassungsmaßnahmen, zum Beispiel in den Bereichen Verkehr, Wasserwirtschaft, Bauwesen, Energieversorgung oder Bevölkerungsschutz, auf ihre Rentabilität untersucht – und damit Empfehlungen versucht, wo knappes Geld aus öffentlichen Haushalten besonders gut angelegt ist. Im Ergebnis raten die Fachleute beispielsweise dazu, in die Züchtung neuer Pflanzensorten oder den Aufbau von Hitzewarnsystemen im Gesundheitswesen zu investieren.
Sind die Ausgaben für Emissionssenkungen "rentabel"?
Die bereits zitierte Rückversicherung Swiss Re erwartet starke Rückgänge der weltweiten Wirtschaftsleistungen, wenn in der Klimapolitik nicht umgesteuert wird: Ohne Klimaschutz drohe bis 2050 ein globaler Rückgang des Bruttoinlandsprodukts (BIP, englisch GDP) um 18 Prozent, starker Klimaschutz gemäß der Ziele des Pariser Klimaabkommens hingegen würde den Rückgang auf vier Prozent begrenzen. Am schwersten würden übrigens die asiatischen Volkswirtschaften getroffen, für China ergeben sich Verluste von bis zu 24 Prozent des BIP, Europa müsste ohne Klimaschutz laut der Berechnungen mit Einbußen um bis zu elf Prozent rechnen (Swiss Re 2021).
Mangelnder Klimaschutz gefährde das gesamte Wirtschafts- und Finanzsystem, mahnte auch die Europäische Zentralbank (EZB) zum Abschluss eines "Klima-Stresstests" für den Euro-Raum. Der Klimawandel sei "eine große Quelle systemischen Risikos", hieß es, "die kurzfristigen Kosten [von Klimaschutz] verblassen im Vergleich zu den mittel- und langfristigen Kosten eines ungebremsten Klimawandels" (EZB 2021).
Für Deutschland kam beispielsweise die Wirtschaftsberatung Deloitte zu demselben Ergebnis: Ohne Klimaschutz könnten der hiesigen Wirtschaft in den kommenden 50 Jahren Schäden von insgesamt 730 Milliarden Euro drohen, außerdem der Verlust von bis zu 470.000 Arbeitsplätzen. Würde hingegen konsequenter Klimaschutz betrieben, erfordere das anfangs zwar höhere Investitionen, zahle sich aber langfristig aus, ab dem Jahr 2038 lägen Wirtschaftsleistung und Wohlstand den Simulationen zufolge höher als ohne Klimaschutz (Deloitte Economics Institute 2021). In der Zusammenfassung heißt es:
"Das Wachstum im Jahrzehnt nach 2040 wird zunächst jedes Jahr um 0,8 Prozentpunkte höher ausfallen als in einer Welt der Untätigkeit, so dass sich die Wachstumsdynamik beschleunigt. Im Jahr 2070 ist der Nettonutzen des Übergangs für Deutschland auf 2,5 Prozent des BIP angewachsen. Das Land ist bis 2070 jedes Jahr um 140 Milliarden Euro bessergestellt als in einer Welt der Inaktivität. Dieser Nutzen wächst mit jedem weiteren Jahr. Auch die Zahl der Arbeitskräfte wird zunehmen, insbesondere in der sauberen Energiewirtschaft und im Dienstleistungssektor."
Fazit
Grundsätzlich dürfte für Deutschland die Anpassung an die zu erwartenden Klimaänderungen möglich sein. Doch das bedeutet nicht, dass deshalb auf Maßnahmen zur Verminderung des Treibhausgas-Ausstoßes verzichtet werden könnte. Denn je weniger der Klimawandel gebremst wird, desto aufwändiger und teurer wird die Anpassung. Und schon der heute absehbare Klimawandel droht wirtschaftlich schwache Staaten, vor allem in Afrika und Asien, zu überfordern.
Eine ungebremste Erderwärmung würde aller Voraussicht nach irgendwann auch hierzulande so schwere Folgen nach sich ziehen, dass eine Anpassung nur noch unter größten Mühen oder gar nicht mehr möglich ist, deren Kosten jedenfalls exorbitant steigen und irgendwann auch die Wirtschaftskraft der Bundesrepublik ernsthaft beeinträchtigen dürften.
klimafakten.de, Oktober 2012;
zuletzt aktualisiert: Dezember 2022
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