Eines der Hauptgebiete der Wirtschaftswissenschaften ist es, die Wirkung verschiedenster Dinge auf die ökonomische Entwicklung einzuschätzen – beispielsweise von politischen Entscheidungen wie Steuersenkungen, von Preisveränderungen etwa bei Rohstoffen und so weiter. Das übliche (jedoch umstrittene) Maß ist dabei, ob das Bruttoinlandsprodukt, BIP (englisch: Gross Domestic Product, GDP) steigt oder sinkt. Seit einigen Jahrzehnten versuchen Ökonom:innen, auch die Wirkung des Klimawandels auf die wirtschaftliche Entwicklung abzuschätzen.
Anders als in vorherigen IPCC-Reports gab es im Fünften Sachstandsbericht erstmals ein eigenes Kapitel zu den Auswirkungen der Erderwärmung auf "wirtschaftliche Schlüsselbereiche und -dienste" (IPCC 2014, AR5, Band II, Kapitel 10: "Key Economic Sectors and Services"). Im Sechsten Sachstandsbericht von 2021/22 werden die Effekte des Klimawandels auf etliche Wirtschaftssektoren in mehreren Kapiteln behandelt und in einem kapitelübergreifenden Sonderabschnitt zusammengefasst (IPCC 2022, AR6, Band II, Kapitel 16, Cross-Working Group Box Economic). Bereits heute ist klar, so das Fazit, dass der Klimawandel Schäden für ökonomische Schlüsselsektoren ("damage to key economic sectors") auf mehreren Kontinenten oder auch generell in Küstenstädten verusacht (IPCC 2022, AR6, Band II, SPM, Figure SPM.2); und die ökonomischen Schäden infolge der Erderwärmung werden umso höher ausfallen, je stärker die Temperaturen in der Zukunft steigen werden (IPCC 2022, AR6, Band II, Summary for Policymakers B.4.6).
Welche ökonomischen Folgen hat der Klimawandel für einzelne Wirtschaftssektoren?
Die Folgen sind für die einzelnen Bereiche – wenig überraschend – sehr verschieden. In den folgenden Absätzen werden deshalb einige Sektoren genauer behandelt. Eine der nächstliegenden Konsequenzen ist, dass in einer wärmeren Welt der Bedarf an Heizenergie sinkt. Im Gegenzug allerdings wird die Nachfrage nach Energie für Kühlzwecke steigen. Doch schon bei diesem relativ klaren Fakt ist es schwierig zu ermitteln, ob der Energiebedarf unterm Strich steigen oder sinken wird: In einigen Regionen (vor allem dort, wo es bisher sehr kühl war, etwa in Nordeuropa) wird der Verbrauch wohl insgesamt zurückgehen, in anderen (bereits jetzt warmen) vermutlich steigen. Aber neben der Entwicklung des Klimas gibt es weitere Faktoren, die die Energienachfrage beeinflussen: Ob die Bevölkerung wächst oder schrumpft, ob sich Menschen in warmen Regionen die Energie für Klimaanlagen überhaupt leisten können, welche Heiz- und Kühltechnologien verfügbar sind und so weiter. Klar ist, dass die Energieversorgung einer der Sektoren ist, die von den Auswirkungen des Klimawandels (wie übrigens auch von Klimaschutzmaßnahmen) am stärksten betroffen sein wird (vgl. zum Beispiel Ebinger/Vergara 2011, Überblick in IPCC 2022, AR6, Band II, Kapitel 6.2.4.1).
Auch andere Branchen sind bereits relativ intensiv erforscht. Die Forstwirtschaftzum Beispiel spürt bereits negative Folgen des Klimawandels und muss künftig mit deutlich häufigeren Waldbränden rechnen. Studien sprechen von einer Zunahme des Risikos um rund 30 Prozent (IPCC, AR6, Band II, Kapitel 2.5.3.2.2). Besonders schwere Folgen werden zum Beispiel für den Mittelmeer-Raum erwartet (Bowman et al. 2017). Einen Überblick zur Forschungslage in Sachen Forstwirtschaft gibt der Sechste Sachstandsbericht in Kapitel 5.6 von Band 2.
In der Landwirtschaft sind im Einzelnen durchaus positive Wirkungen des Klimawandels zu erwarten: Eine höhere CO2-Konzentration in der Luft hat einen deutlichen Düngeeffekt, und die Erderwärmung wird in bisher zu kalten Weltgegenden Ackerbau ermöglichen, etwa in Sibirien (Tchebakova et al. 2011). Allerdings verändert der Düngeeffekt teilweise die Nährstoffzusammensetzung in wichtigen Lebensmittelpflanzen, was das Risiko einer Mangelernährung für viele Menschen erhöht. Zudem bedeutet Erderwärmung in vielen Gebieten auch vermehrten Hitzestress für Nutzpflanzen und -tiere. Zunehmende Trockenheit oder die vermehrte Entstehung von bodennahem Ozon werden in vielen Regionen die Landwirtschaft schädigen, ebenso die zu erwartenden Extremwetterereignisse, etwa Starkregen und Fluten. In der Bilanz würden die Folgen einer Erderwärmung auf die Landwirtschaft klar negativ sein, so die Einschätzung im Sechsten Sachstandsbericht (IPCC 2022, AR6, Band II, Technical Summary TS.B 3.1).
Generell bedeuten Extremwetterereignisse wie auch die erwarteten Veränderungen von Niederschlagsmustern große Herausforderungen. Weltweit werden für 2050 zusätzliche Kosten für die Trinkwasserversorgung in Höhe von rund zwölf Milliarden Dollar jährlich erwartet, 83 bis 90 Prozent davon fallen in Entwicklungsländern an (Ward et al. 2010). Durch Fluten werden allein in der EU bis Ende des Jahrhunderts sieben bis 15 Milliarden Euro an zusätzlichen Schäden pro Jahr prognostiziert, Hunderttausende Menschen werden zusätzlich von solchen Naturkatastrophen betroffen sein (Feyen et al. 2012).
Die Stromproduktion aus Wasserkraft wird sich durch die veränderte Verteilung von Wasser bis etwa 2080 sehr unterschiedlich entwickeln. So könnten etwa Regionen in Nordeuropa, Zentralasien, Indien oder Zentralafrika ihr Potenzial für Wasserkraft um rund 20 Prozent erhöhen. Zugleich gibt es Verlierer-Regionen deren Potenzial in etwa gleichem Maße zurückgehen dürfte, wie Nordafrika, Südeuropa, der Süden der USA oder Südaustralien. In der Mittelmeerregion wird wahrscheinlich die Stromproduktion durch Wasser um etwa 40 Prozent zurückgehen (Turner et al. 2017).
Deutliche Kosten sind auch für die Infrastruktur zu erwarten, die künftig extremeren Wetterverhältnissen ausgesetzt sein wird – angefangen bei Pipelines und Stromleitungen über Straßen und Schienen bis hin zu Flughäfen. Nicht zuletzt muss sich die Versicherungswirtschaft auf häufigere und größere Schäden gefasst machen. Ebenfalls stark betroffen ist die Tourismusbranche, einer der umsatzstärksten Sektoren der Weltwirtschaft. Insbesondere Skigebiete, aber auch Orte die auf Strand- oder Natururlaub setzen, müssten sich auf Veränderungen einstelle, hieß es im Fünften Sachstandsbericht (IPCC 2014, AR5, Band II, Kapitel 10, Executive Summary):
„Touristen dürften ihre Urlaube künftig in höheren Breiten und größeren Höhen verbringen. Die klimawandelbedingten Veränderungen bei Nachfrage und Angebot im Tourismus bedeuten ökonomische Gewinne für Länder näher an den Polen und höher in den Bergen und Verluste für andere Länder.“
Einen Überblick zur Forschung und eine Bewertung der Ergebnisse zu zahlreichen Einzelsektoren gab der Fünfte Sachstandsbericht gesammelt in Kapitel 10 seines Band 2. Der Sechste Sachstandsbericht (AR6) von 2022 ist thematisch anders gegliedert. Er enthält in Band 2 einzelne Kapitel zu den Folgen des Klimawandels etwa für Meere oder den globalen Wasserhaushalt, für Städte oder die menschliche Gesundheit – dort geht es jeweils auch um ökonomische Aspekte. Daneben gibt es erstmals Einzelkapitel zu allen Kontinenten, in denen es auch die Folgen des Klimawandels auf verschiedene Wirtschaftsbereiche in der jeweiligen Weltregion behandelt werden – um Europa zum Beispiel geht es in Kapitel 13.
Wie sieht die Gesamtbilanz aus – weltweit und über alle Wirtschaftssektoren betrachtet?
Was all diese vielfältigen Veränderungen zusammengenommen für die wirtschaftliche Entwicklung von Regionen, Staaten und der Welt bedeuten, ist schwierig zu ermitteln. Die Größe der Herausforderung für solche ökonomischen Gesamtkalkulationen illustriert Abbildung 1: Die meisten Einzelbewertungen (wie auch die oben aufgezählten) beziehen sich auf Veränderungen, die direkt im Markt erfasst und dadurch noch relativ einfach beziffert werden können, beispielsweise Veränderungen des Heizwärmebedarfs, Zusatzkosten für Deiche bei Meeresspiegelanstieg bzw. voraussichtliche Folgen leichter Änderungen der Umgebungstemperatur auf Wachstumsraten von Getreide). Im Wesentlichen werden dabei bekannte Trends fortgeschrieben oder Korrelationen extrapoliert.
Andersartige Veränderungen werden hingegen in ökonomischen Berechnungen seltener oder gar nicht erfasst, zum Beispiel die Schwierigkeit, in einem sich ändernden Klima die ertragreichsten landwirtschaftlichen Anbaupraktiken zu finden oder auch die nicht präzise vorhersehbaren, plötzlichen Veränderungen des Klimasystems aufgrund menschlicher Einflüsse (die sogenannten „Tipping Points“ oder „Kipp-Punkte“). Auch sind Gesundheitsbeeinträchtigungen oder Todesopfer nur schwer in ökonomische Maßeinheiten zu fassen, etwa Finanzsummen. Zudem werden bei ökonomischen Bewertungen von Klimafolgen meist nur direkte Kosten erfasst, etwa von Deichen – nicht aber indirekte Kosten, beispielsweise infolge von Veränderungen an Ökosystemen, oder gar die Wechselwirkungen mehrerer Stressfaktoren, die zum Beispiel zu umweltbedingten Wanderungsbewegungen führen können.
Abbildung 1: Welche Phänomene des Klimawandels werden in wirtschaftswissenschaftlichen Berechnungen üblicherweise erfasst? Und welche von deren Folgen? Nur ein kleiner Teil, wie diese „Risikomatrix“ verdeutlicht. Lediglich den Inhalt des weißen Feldes – nämlich Auswirkungen projizierbarer Veränderungen auf Märkte – erfassen die verbreiteten klimaökonomischen Modelle; Quelle: Grubb/Hourcade/Neuhoff 2014, S. 23 unter Verwendung von Watkiss/Downing 2008, Jones/Yohe 2008 und Downing/Dyszynski 2010
Ökonomische Berechnungen hängen jedenfalls sehr stark davon ab, welche Effekte des Klimawandels berücksichtigt werden und welche wirtschaftswissenschaftlichen Modelle gewählt wurden – dies gilt umso mehr bei einem Thema wie den Kosten des Klimawandels. Hier wirken physikalische Faktoren (Temperaturentwicklung, Reaktion beispielsweise der Ozeane oder von Gletschern usw.), menschliche Faktoren (Reaktion von Staaten und Gesellschaften), technische Entwicklungen (Fortschritte bei Energieerzeugungstechnologien) und vieles mehr zusammen. Besonders schwer ist es, Kostenrisiken von Extremwetterereignissen zu berücksichtigen, weil Zeitpunkt und Umfang ihres Auftretens nicht präzise zu berechnen sind – teils werden sie in Studien deshalb komplett ausgeblendet, also behandelt, als existierten sie gar nicht.
Wegweisend für die ökonomische Forschung zur Erderwärmung war im Jahr 2006 ein Forschungsbericht im Auftrag der britischen Regierung, der Stern Review on the Economics of Climate Change. Seine Haupterkenntnis lautete, dass die wirtschaftlichen Schäden infolge eines ungebremsten Klimawandels die ökonomischen Kosten von Klimaschutzmaßnahmen bei weitem übertreffen werden. Wörtlich hieß es in der Zusammenfassung des mehr als 600-seitigen Berichts:
„Die Kosten für die Stabilisierung des Klimas sind erheblich, aber tragbar; Verzögerungen wären gefährlich und viel teurer. … Die Bekämpfung des Klimawandels ist langfristig gesehen eine Pro-Wachstums-Strategie und kann auf eine Weise erfolgen, die die Wachstumsambitionen reicher oder armer Länder nicht behindert.“
Der Vierte IPCC-Sachstandsbericht, der 2007 die damals vorliegenden Forschungsergebnisse zusammenfasste, betonte, dass die ökonomischen Auswirkungen des Klimawandels „regional variieren“: Bei moderater Erwärmung seien „für einige Orte und Sektoren“ Vorteile zu erwarten, während gleichzeitig anderswo Nachteile aufträten; insgesamt aber ergäben sich „sehr wahrscheinlich Nettokosten, die im Laufe der Zeit bei zunehmenden Temperaturen steigen“ (IPCC 2007, AR4, Synthesereport, Kapitel 5.7).
Seitdem erschien eine Vielzahl von Studien zu ökonomischen Einzelaspekten des Klimawandels, erheblich geringer ist die Zahl von Untersuchungen, die eine Gesamtbilanzierung versuchen. Beispielsweise kamen Bosello et al. 2012 zu dem Ergebnis, dass ein moderater Klimawandel leichte Einbußen bei der weltweiten Wirtschaftsleistung verursachen würde: Bei einer Erwärmung um knapp zwei Grad Celsius gegenüber dem vorindustriellen Niveau bezifferten sie den Rückgang des Bruttoinlandsprodukts auf etwa 0,5 Prozent. Hinter diesem relativ niedrigen globalen Gesamtsaldo stecken aber beträchtliche regionale Variationen: So seien Russland und China deutliche Gewinner, vor allem durch Vorteile für die Landwirtschaft. Die größten Verlierer mit deutlichen Schäden für die Wirtschaftsleistung seien weniger entwickelte Weltgegenden, etwa Süd- und Südost-Asien sowie Afrika.
Auch eine Überblicksstudie zu wirtschaftlichen Folgen des Klimawandels auf der Basis zahlreicher Einzeluntersuchungen im Journal Science kam zum Ergebnis, dass die Erderwärmung die weltweite Ungleichheit zwischen armen und reichen Staaten erhöhen werde, "in manchen Fällen auf dramatische Weise" (Carleton/Hsiang 2016). Roson/van der Mensbrugghe 2012 untersuchten die ökonomischen Folgen einer Erwärmung um 4,8 Grad Celsius bis zum Jahr 2100 (wie sie durchaus möglich ist, wenn die Treibhausgasemissionen in den kommenden Jahrzehnten weiter wachsen wie bisher). Ihr Ergebnis: in der weltweiten Summe zum Ende dieses Jahrhunderts wirtschaftliche Verluste, die 4,6 Prozent des globalen GDP entsprechen.
Doch bei den meisten solcher Schätzungen wird, wie bereits erwähnt, nur ein Teil der Klimawandelfolgen einbezogen, Extremwetterereignisse wie Fluten, Dürren oder Stürme bleiben oft unberücksichtigt. Dabei sind sie hochrelevant auch aus ökonomischer Sicht, wie der IPCC in seinem Sechsten Sachstandsbericht schrieb (IPCC 2022, AR6, Band II, Kapitel 16, Executive Summary):
„Extreme Wetterereignisse verursachen nicht nur beträchtliche direkte wirtschaftliche Schäden (hohe Gewissheit), sondern vermindern auch das Wirtschaftswachstum sowohl kurzfristig (im Jahr des Ereignisses und im Jahr danach) (hohe Gewissheit) als auch langfristig (bis zu 15 Jahre nach dem Ereignis) (mittlere Gewissheit), wobei die Auswirkungen in Entwicklungsländern gravierender sind als in Industrieländern (hohe Gewissheit). Die Evidenz für alle diese Schlussfolgerungen hat zugenommen; Belege für die langfristigen Auswirkungen des Klimawandels sind jedoch noch begrenzt.“
Konsens der Ökonomen: Je stärker die Erwärmung, desto deutlicher die Negativbilanz
Bedenkt man diese Unsicherheiten, ist es nicht überraschend, dass unter Fachleuten kontrovers über die bislang üblichen Modelle diskutiert wird. Nicholas Stern von der London School of Economics (LSE) zum Beispiel, der Hauptautor des oben zitierten Stern-Review, meinte einige Jahre nach Erscheinen seines Berichts (Stern 2013):
„Es gibt sehr starke Gründe zu argumentieren, dass [die bislang üblichen Modelle] die Risiken des Klimawandels krass unterschätzen, … weil die in ihnen enthaltenen Rahmenannahmen über Wachstum, Klimaschäden und Risiken so gewählt sind, dass sie fast direkt voraussetzen, Folgen und Kosten der Erderwärmung seien bescheiden und nahezu ausschließen, dass katastrophale Konsequenzen möglich sind.“
Sterns Fazit (bei dem er übrigens auch von ihm selbst verwendete Modelle einschließt) lautete, man brauche „eine neue Generation von Modellen“. Ähnlich kritisch äußerte sich Robert Pindyck vom Massachusetts Institute of Technology, MIT (Pindyck 2013); er hielt die existierenden Modelle für „nahezu nutzlos“, um verlässliche Aussagen die künftige Klimapolitik zu treffen. Ihre Ergebnisse seien so stark von den gewählten Annahmen und eingebauten Formeln abhängig, dass sie Modellierer:innen „erlauben, fast jedes gewünschte Resultat zu erhalten“. Rosen/Günther 2014 warnten nach einer ausführlichen Analyse bis dahin vorgelegter Berechnungen ausdrücklich davor, sich bei politischen Entscheidungen zum Klimaschutz auf die Ergebnisse volkswirtschaftlicher Modelle zu stützen. Vom wissenschaftlichen Standpunkt aus stelle sich nämlich die grundsätzliche Frage, ob überhaupt
"Kosten und Nutzen der Vermeidung des Klimawandels über Perioden von 50 bis 100 Jahren mit einem solchen Maß an Genauigkeit ermittelt werden können, dass sie politischen Entscheidungsträgern und der Öffentlichkeit mitgeteilt werden sollten".
Der Fünfte IPCC-Sachstandsbericht (IPCC 2014, AR5, Band 2, Summary for Policymakers, S. 19) warnte 2014 davor, ökonomische Kosten-Nutzen-Rechnungen überzubewerten, unter anderem weil viele Folgen des Klimawandels, etwa der Verlust von Menschenleben, von kulturellen Denkmälern oder Ökosystemen, „schwer zu bewerten und in Geld auszudrücken sind“ (so die dortige Fußnote 59). Und im Sechsten Sachstandsbericht nennt der IPCC keine konkreten Schätzungen, sondern stellt vor allem fest, dass die „große Bandbreite der globalen Schätzungen und der Mangel an Vergleichbarkeit zwischen den Methoden“ es nicht erlaube, einen robusten Bereich zu identifizieren. Mit hoher Gewissheit, merkt der Report jedoch an (IPCC 2022, AR6, Band II, Summary for Policymakers, SPM.B.4.6):
„Die projizierten Schätzungen der globalen gesamtwirtschaftlichen Netto-Schäden steigen im Allgemeinen nicht linear mit dem Niveau der globalen Erwärmung.“
Oder einfacher formuliert: Mit jedem Grad Celsius, den sich der Planet erwärmt, dürften die Kosten für die Schäden mehr eskalieren. Neuere Studien, die zwischen den beiden Sachstandsberichten von 2014 und 2022 veröffentlicht wurden, kommen laut IPCC zudem zu deutlich höheren Schätzungen als vorherige – ein Indiz dafür, dass ältere Untersuchung die Schäden des Klimawandels tendenziell unterschätzt haben.
Eine häufige Kritik ist zudem, dass die an unterschiedlichen Orten auftretenden Schäden und Nutzen in den Gesamtbilanzen einfach verrechnet werden – und dabei untergeht, dass ein Verlust von hundert Euro für einen afrikanischen Kleinbauern ganz andere Folgen hat als der Gewinn von hundert Euro bei einem Landwirt in Nordeuropa. Viele Befunde klimaökonomischer Berechnungen, warnt etwa Rosen 2015, seien jedenfalls "irreführend, wenn nicht gar trügerisch".
Schauen wir – bei allen erwähnten Einschränkungen – trotzdem auf die Ergebnisse von Modellrechnungen zur ökonomischen Gesamtwirkung des Klimawandels. Der IPCC hat in seinem Sechsten Sachstandsbericht die Ergebnisse zahlreicher Studien aus den Jahren 2011 bis 2020 gesammelt (siehe Abbildung 2), in den kleinen Teilgrafiken links sind sie getrennt nach der jeweiligen Methodik dargestellt, rechts in der großen Übersicht sind alle Ergebnisse zusammengefasst:
Abbildung 2: Schätzungen der ökonomischen Gesamtwirkungen des Klimawandels bei bestimmten angenommenen Graden der Erderhtzung – in den Teilgrafiken (a) bis (d) zu sehen sind die Ergebnisse von statistischen Modellen, strukturellen Modellen, der Zusammenschau verschiedener Analysen sowie von Studien, die bereits im Fünften Sachstandsbericht des IPCC aus dem Jahr 2013/14 berücksichtigt waren. Teilgrafik (e) kombiniert alle Ergebnisse in einer Übersicht. Die senkrechte Prozentskala gibt den Verlust der weltweiten Wirtschaftsleistung (BIP bzw. GDP) an, die waaggerechte Temperaturskala die Zunahme der Erdmitteltemperatur gegenüber vorindustriellem Niveau; Quelle: IPCC 2022, AR6, WG2, Kap.16, Abb. Cross-Working Group Box ECONOMIC.1
Die Übersicht macht zum einen augenfällig, wie groß die Spannbreite der Ergebnisse ist – bei einer Temperaturzunahme um 2 °C zum Beispiel reichen sie von fast keinen bis zu 20prozentigen Verlusten der weltweiten Wirtschaftsleistung. Zum anderen zeigt die Grafik, dass bei einer Erwärmung um 4 °C (was bei schwachen Klimaschutzmaßnahmen kein unwahrscheinliches Szenario ist) selbst die optimistischen Modelle eine deutlich negative ökonomische Gesamtbilanz errechnen. Sogar ein Autor wie Richard Tol, dessen Ergebnisse in der Vergangenheit deutlich positiver ausgefallen waren als jene der meisten Kolleg:innen und der deshalb in Fachkreisen teils harsch kritisiert wurde, kam in einer späteren Arbeit zu dem Ergebnis (Tol 2011):
„Nach dem Jahr 2070 wird die Erderwärmung unterm Strich negative Folgen für die Welt haben.“
Fazit
Selbst sehr optimistische wirtschaftswissenschaftliche Kalkulationen kommen also zu dem Ergebnis, dass eine ungebremste Erderwärmung teuer wird und Klimaschutz auch ökonomisch klug ist. Bedenkt man zudem
- die Warnung namhafter Fachleute (siehe oben), dass alle üblichen Modelle die Risiken des Klimawandels „krass unterschätzen“ (Nicholas Stern),
- die Feststellung des IPCC, dass aktuellere Studien tendenziell höhere Schadens-Schätzungen ergeben als ältere und
- sich hinter dem globalen Saldo teils sehr starke Verluste in einzelnen, insbesondere den ohnehin ärmeren Weltregionen verbergen,
scheint eine Senkung des Treibhausgasausstoßes umso mehr geboten.
klimafakten.de, April 2014;
zuletzt aktualisiert: November 2022