Behauptung: "Schon in wenigen Jahren wird die Sonne in eine Ruhephase eintreten – zu rechnen ist mit einer ‚kalten Sonne’. Die nächsten Jahrzehnte werden deshalb eher zu einer leichten Abkühlung der Erde führen als zu einer weiteren Erwärmung.“ (Fritz Vahrenholt/Sebastian Lüning)
Fakt ist: Selbst wenn die Sonnenaktivität zurückgehen sollte, wären die Folgen für die Erderwärmung marginal
Antwort: In der Forschung ist umstritten, wie verlässlich sich die künftige Aktivität der Sonne überhaupt vorhersagen lässt. Aber selbst wenn die Sonne demnächst in eine Phase extrem niedriger Aktivität einträte (vergleichbar mit dem sogenannten Maunder-Minimum), würde dadurch nur ein sehr kleiner Teil der Erderwärmung ausgeglichen, die der Mensch durch seine Treibhausgasemissionen verursacht.
Die Sonne ist ein wichtiger Faktor für das Klima der Erde. Ihre Aktivität steigt und fällt in Elf-Jahres-Zyklen, und die Ausschläge dieser Zyklen können stark schwanken. Deshalb wird gelegentlich spekuliert, was denn mit dem Klima passieren würde, wenn die Sonne in den nächsten Jahrzehnten in eine Ruhephase eintreten würde. Die wissenschaftliche Antwort lautet: nicht viel.
Drei Aspekte sind bei der Frage zu unterscheiden: Erstens wie wahrscheinlich ein bevorstehender Rückgang der Sonnenaktivität überhaupt ist. Zweitens die Stärke des Rückgangs. Und drittens die Folgen eines Rückgangs für die ja bereits laufende, vom Menschen verursachte Erderwärmung.
2. Einige Fachleute erwarten für die Zeit nach dem 24. Zyklus eine längere Phase niedrigerer Sonnenaktivität, ein sogenanntes großes Minimum, das ähnlich ruhig ausfallen könnte wie das extreme Maunder-Minimum im 17. Jahrhundert. Der britische Sonnenforscher Michael Lockwood zum Beispiel hat die Wahrscheinlichkeit eines neuen Maunder-Minimums innerhalb der nächsten Jahrzehnte auf etwa 20 Prozent beziffert. Aber, wie gesagt, solche Prognosen gelten als unsicher.
3. Die wichtigste Frage ist jedoch: Welche Folgen hätte eine „kalte Sonne“ für das Klima der Erde? Antworten können einerseits Aufzeichnungen über das Klima während zurückliegender Ruhephasen der Sonne geben, andererseits computergestützte Klimamodelle. Wichtig ist dabei, nicht nur lokale Temperaturänderungen zu betrachten, sondern den weltweiten Durchschnitt:
Eine Untersuchung des Maunder-Minimums ergab, dass einige Regionen der Erde damals stark abkühlten (zum Beispiel Mitteleuropa), in anderen jedoch die Temperatur stabil blieb oder gar stieg; global gesehen änderte sich relativ wenig, die Erdmitteltemperatur sank um lediglich 0,3 bis 0,4 Grad Celsius (Shindell 2001). Hier zeigte sich, dass der Einfluss der Sonne begrenzt ist. Auch für die gegenwärtige Erderwärmung belegten zahlreiche Studien, dass die Sonne aktuell nur sehr wenig bis keinen Einfluss hat.
Feulner/Rahmstorf (2010) simulierten im Computer, was bei einer eventuellen Wiederholung des Maunder-Minimums im kommenden Jahrhundert passieren würde. Ihr Ergebnis war: wenig. Es wäre lediglich eine „moderate Temperaturminderung“ von „höchstwahrscheinlich 0,1 Grad Celsius“, jedenfalls „nicht mehr als 0,3 Grad Celsius im Jahr 2100“ zu erwarten. Abbildung 1 stellt die Ergebnisse grafisch dar.
Abbildung 1: Veränderung der Erdmitteltemperatur von 1900 bis 2100 (relativ zum Niveau 1961-1990), blau dargestellt sind die Messdaten der Vergangenheit, rot und violett die Entwicklung für zwei verschiedene Szenarien des IPCC zum Ausstoß menschengemachter Treibhausgase – die durchgehende rote bzw. die violette Linie zeigen die Entwicklung bei unveränderter Sonnenaktivität, die gestrichtelten Linien jene bei Eintritt eines neuen Tiefpunkts der Sonnenaktivität („Grand Minimum“) von der Größenordnung des Maunder-Minimums; Quelle: Feulner/Rahmstorf 2010
Demnach könnte also eine Ruhephase der Sonnenaktivität den Klimawandel in diesem Jahrhundert um 0,06 bis 0,3 Grad Celsius dämpfen. Ist das viel?
Nein. Laut der IPCC-Szenarien ist bis 2100 – je nach Entwicklung der Treibhausgas-Emissionen und verglichen mit dem Zeitraum 1850-1900 – mit einem Anstieg der Erdmitteltemperatur zwischen 1,0 und 5,7 Grad Celsius zu rechnen (IPCC 2021, AR6, WG1, SPM, B.1.1), also um ein Vielfaches der möglichen Abkühlung durch eine „kalte Sonne“. Eine abnehmende Sonnenaktivität in den kommenden Jahrzehnten wird also, selbst wenn sie extrem ausfallen sollte, nur sehr, sehr wenig an der menschengemachten Erderwärmung ändern.
Georg Feulner/Toralf Staud/klimafakten.de, Februar 2012;
zuletzt aktualisiert: Oktober 2022
Die Sonne ist die dominierende Energiequelle für das Klima der Erde, und Schwankungen ihrer Helligkeit sind zweifellos ein Faktor, der das Erdklima beeinflusst. Aber die Stärke dieses Einflusses wird oft überschätzt.
Die Sonnenaktivität schwankt in Elf-Jahres-Zyklen, diese sind beispielsweise an der Zahl der Sonnenflecken abzulesen oder an der Sonnenstrahlung (Total Solar Irradiance kurz: TSI), die oberhalb der Erdatmosphäre ankommt und mit Satelliten gemessen werden kann. Die Wissenschaft ist sich weitgehend einig, dass die Sonne an der bisherigen Erderwärmung nur einen sehr kleinen, praktisch irrelevanten Einfluss hatte (IPCC 2021, AR6, WG1, Kapitel 7.3.5).
Kommt es in den nächsten Jahrzehnten zu einer Phase niedriger Sonnenaktivität?
Seit etwa 2020 befindet sich die Sonne (laut der in der Forschung üblichen Zählweise) in Zyklus Nummer 25. Im vergangenen Jahrhundert gab es zahlreiche Sonnenzyklen mit vergleichsweise starker Aktivität, was oft als "Modernes Maximum" bezeichnet wird. Der Zyklus 24 jedoch, der etwa im Jahr 2009 begann und sein Maximum 2014 hatte, fiel deutlich schwächer aus als die vorherigen. Es gibt Anzeichen dafür, dass auch der aktuelle und eventuell weitere Zyklen schwächer ausfallen könnten als jene des „Modernen Maximums“ (de Jager/Duhau 2009, Lean 2010, Macario-Rojas et al. 2018). Dann wäre im aktuellen Jahrhundert mit einer geringeren Sonnenaktivität zu rechnen als im 20. Jahrhundert.
Abbildung 1: Beobachtete Sonnenflecken vom frühen 17. bis zum frühen 21. Jahrhundert. Bis 1750 liegen lediglich sporadische Beobachtungsdaten vor (rote Kreuze), in blau verzeichnet sind Durchschnittswerte zahlreicher Beobachtungsstationen weltweit, die schwarze Linie zeigt die durchschnittliche Stärke der Elf-Jahres-Zyklen; Quelle: Hoyt/Schatten 1998a und Hoyt/Schatten 1998b, Grafik: globalwarmingart.com/WikimediaCommons
Einige Forscher:innen erwarten für die Zeit nach dem 24. Zyklus sogar eine längere Phase besonders niedriger Sonnenaktivität, ein sogenanntes großes Minimum, das ähnlich ruhig ausfallen könnte wie das sogenannte Dalton-Minimum (eine Ruhephase der Sonne von ca. 1790 bis 1830, benannt nach dem englischen Meteorologen John Dalton) oder wie das noch ausgeprägtere Maunder-Minimum (von ca. 1645 bis 1715, benannt nach dem englischen Astronomen Edward W. Maunder). Solche Vorhersagen sind aber in der Wissenschaft umstritten, weil die physikalischen Ursachen der solaren Schwankungen noch nicht endgültig verstanden sind, und Prognosen daher lediglich aus der vergangenen Aktivität abgeleitet werden können. Der britische Sonnenforscher Michael Lockwood zum Beispiel hat die Wahrscheinlichkeit eines neuen Maunder-Minimums innerhalb der nächsten Jahrzehnte auf etwa 20 Prozent beziffert.
Und welche Folgen hätte eine „kalte Sonne“ für den gegenwärtigen Klimawandel?
In der öffentlichen Diskussion wird bisweilen daran erinnert, dass schon während des nicht sehr schwachen Dalton-Minimums in London die Themse zugefroren und es auch in Deutschland viel kälter gewesen sei, was Missernten und Hungersnöte zur Folge gehabt habe. Ein neues Dalton- oder Maunder-Minimum, so die gelegentlich gehörte Behauptung, würden die momentane Erderwärmung bremsen oder gar vollständig stoppen – weshalb Klimaschutzmaßnahmen unnötig seien.
Diese Argumentation ist falsch, und zwar aus dreierlei Gründen:
Sie verschweigt, dass der globale Temperaturrückgang Ende des 18. und Anfang des 19. Jahrhunderts nur wenig mit dem Dalton-Minimum zu tun hatte. Hauptursache waren offenbar große Vulkanausbrüche, insbesondere die des Laki (1783) und des Tambora (1815) – die dabei ausgestoßenen Partikel verdunkelten die Sonne und kühlten so die Erde (Wagner&Zorita 2005). Eine spätere Studie sah starke Vulkanausbrüche sogar als alleinige Ursache des kühleren Klimas während der „Kleinen Eiszeit“ vom 14. bis zum 19. Jahrhundert (Miller et al. 2012). Auch andere Studien hatten der niedrigen Sonnenaktivität bereits eine untergeordnete Rolle zugewiesen (Robock 1979, Crowley 2000, Feulner 2011). Bei genauer Betrachtung zeigte sich zudem, dass diese sogenannte "Kleine Eiszeit" nicht so kalt war wie oft gedacht (Lockwood et al. 2017).
Sie übertreibt die Auswirkungen der historischen Sonnenminima. Wie bei allen Klimaentwicklungen, so gab es auch damals starke regionale Unterschiede. US-Wissenschaftler zum Beispiel kamen bei einer Untersuchung, wie es global während des besonders extremen Maunder-Minimums aussah (Shindell 2001), nach Auswertung von Proxydaten (etwa aus Baumringen) und einer Modellierung der damaligen Klimabedingungen zu dem übereinstimmenden Ergebnis: In einigen Regionen gab es eine drastische Abkühlung, beispielsweise in Mitteleuropa oder Teilen Nordamerikas, in anderen Erdgegenden aber änderten sich die Temperaturen kaum oder stiegen gar (siehe Abbildung 2). Global gesehen war die Abkühlung während des Maunder-Minimums also relativ schwach, die Erdmitteltemperatur sank um lediglich 0,3 bis 0,4 Grad Celsius – und ein Gutteil davon ist auf die heftigen Vulkanausbrüche während der "Kleinen Eiszeit" zurückzuführen (s.o.). Eine spätere umfassende Analyse solcher Proxydaten aus den vergangenen 2.000 Jahren erbrachte ebenfalls keine Hinweise dafür, dass es sich bei der sogenannten „Kleinen Eiszeit“ um eine weltweite Kältephase gehandelt hat (Neukom et al. 2019)
Die Argumentation lässt völlig außer acht, wie stark die Erderwärmung infolge der menschengemachten Treibhausgasemissionen in den kommenden Jahrzehnten voraussichtlich ausfallen wird. Laut der IPCC-Szenarien ist bis 2100 – je nach Entwicklung der Treibhausgas-Emissionen und verglichen mit dem Zeitraum 1850-1900 – mit einem Anstieg der Erdmitteltemperatur zwischen 1,0 und 5,7 Grad Celsius zu rechnen (IPCC 2021, AR6, WG1, SPM, B.1.1). Jedenfalls beträgt die zu erwartende Erderwärmung ein Vielfaches der möglichen Abkühlungswirkung eines Maunder-Minimums.
Abbildung 2: Temperaturveränderung auf der Erde infolge des Maunder-Minimums (berechnet mit dem Klimamodell des Goddard Institute for Space Studies der Nasa), gezeigt sind die Temperaturen von 1780 im Vergleich zu jenen von 1680, blau bedeutet Abkühlung, gelb und rot Erwärmung; Quelle: Shindell 2001
In Wahrheit also würde eine abnehmende Sonnenaktivität die menschengemachte Erderwärmung allenfalls geringfügig beeinflussen. Dies ergaben auch drei voneinander unabhängige Studien: Feulner/Rahmstorf (2010) kamen zu dem Ergebnis, dass "die Erdmitteltemperatur sich im Jahr 2100 höchstwahrscheinlich nur um rund 0,1 Grad Celsius abschwächen würde", selbst bei Berücksichtigung aller Unsicherheiten der Berechnung läge die Temperaturminderung bei "nicht mehr als 0,3 Grad Celsius". Und weiter: "Dieser Rückgang ist viel kleiner als die Erwärmung, die bis zum Ende des Jahrhunderts aufgrund von menschengemachten Treibhausgasemissionen erwartet werden."
In Abbildung 3 sind die Ergebnisse optisch dargestellt.
Abbildung 3: Veränderung der Erdmitteltemperatur von 1900 bis 2100 (relativ zum Niveau 1961-1990), blau dargestellt sind die Messdaten der Vergangenheit, rot und violett die Entwicklung für zwei verschiedene Szenarien des IPCC zum Ausstoß menschengemachter Treibhausgase – die durchgehende rote bzw. die violette Linie zeigen die Entwicklung bei unveränderter Sonnenaktivität, die gestrichtelten Linien jene bei Eintritt eines neuen Tiefpunkts der Sonnenaktivität („Grand Minimum“) von der Größenordnung des Maunder-Minimums; Quelle: Feulner/Rahmstorf 2010
Britische Forscher kamen in einer weiteren Studie zu ähnlichen Resultaten (Jones et al. 2012). Sie leiteten aus Beobachtungen und Rekonstruktionen der solaren Aktivität der vergangenen 9.000 Jahre das fürs aktuelle Jahrhundert wahrscheinlichste Maß der Verringerung ab. Diese würde bis 2100 zu einer Minderung der Erwärmung zwischen 0,06 und 0,1 Grad Celsius führen. Selbst wenn sich die Sonne stärker als von ihnen erwartet abkühlen würde und tatsächlich in ein neues Maunder-Minimum einträte, wären die Folgen für das Klima gering. Der Temperaturanstieg bis 2100 würde dann lediglich um 0,13 Grad gedämpft, also um ein Zehntel bis ein Fünfzigstel der voraussichtlich vom Menschen verursachten Erderhitzung. Schweizer Forscher kamen zu dem Ergebnis, dass die menschengemachte Erderwärmung bis Ende des Jahrhunderts um höchstens 15 Prozent gemildert werden könnte (Arsenovic et al. 2018).
Das britische Team (Jones et al. 2012) hat sogar berechnet, wie lange eine Ruhephase der Sonne den Zeitpunkt verzögern würde, an dem die Menschheit durch ihre Treibhausgasemissionen die Schwelle zu einem gefährlichen Klimawandel überschreiten würde: Wahrscheinlich wären es höchstens vier Jahre, selbst bei extrem wohlwollenden Annahmen läge der "Zeitgewinn" lediglich zwischen acht und 23 Jahren. Ihr Fazit:
"Von der Sonne ist keine substantielle Verzögerung der Zeit bis zum Erreichen kritischer Temperaturschwellen zu erwarten, und die allenfalls möglichen kleinen Verzögerungen sind voraussichtlich größer, wenn die Menschheit den Ausstoß von Treibhausgasen verringert."
Diese Ergebnisse wurden in der Zwischenzeit durch weitere Studien bestätigt (Meehl et al. 2013, Anet et al. 2013, Maycock et al. 2015). Die Behauptung wäre also falsch, wegen einer "kalten Sonne" könne es sich die Menschheit leisten, beim Klimaschutz weniger Tempo zu machen.
Georg Feulner/Toralf Staud/klimafakten.de, Februar 2012;
zuletzt aktualisiert: Oktober 2022
Rekordhitze trotz "kalter Sonne" Auf dem Blog Realclimate.org überprüft der Potsdamer Klimaforscher Stefan Rahmstorf fünf Jahre nach Erscheinen des Buches "Die kalte Sonne" die darin getätigten Temperaturprognosen (in Englisch)
Das Fundament einer konstruktiven Debatte sind gesicherte Fakten. Hier finden Sie Informationen zum Stand der Klimaforschung, Faktenchecks zu populären Mythen und Antworten auf die Frage, welche Klimaschutzmaßnahmen wirklich nützen
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