Schwankungen und regionale Unterschiede sind völlig normal für das Klimasystem der Erde. Auch die sogenannte Mittelalterliche Warmzeit, während der auf Grönland relativ milde Temperaturen herrschten, war nichts Ungewöhnliches. Doch anders als oft suggeriert wird, haben Wärmephasen wie diese nichts mit dem heutigen Klimawandel zu tun. Damals wurden lediglich regional begrenzt höhere Temperaturen gemessen – während die globale Mitteltemperatur in den vergangenen zwei Jahrtausenden stets niedriger war als gegen Ende des 20. Jahrhunderts (vgl. Kapitel 5.5.1.1 von Band 1 des Fünften IPCC-Sachstandsberichts und Kapitel 2.3.1.1.2 von Band 1 des Sechsten Sachstandsberichts).
Bei genauer Betrachtung fällt zudem auf, dass „Warmphasen“ auf Grönland alles andere als warm sind. Der grönländische Eisschild, der bis zu 3.200 Meter dick auf dem größten Teil der Insel liegt, ist 400.000 bis 800.000 Jahre alt – davor mag es zumindest im Süden Grönlands Wälder mit Schmetterlingen und anderen Insekten gegeben haben (Willerslev et al. 2007). Heute gibt es dort nur sehr wenige Bäume – vor allem in einigen Tälern im Süden oder von Menschen in Gärten gepflanzt.
Vor rund tausend Jahren war Grönland mit Sicherheit keine "grüne Insel". Richtig ist lediglich, dass es während einer mehrhundertjährigen milderen Phase von 986 an bis ins 14./15. Jahrhundert einzelne Wikingersiedlungen an der Südspitze Grönlands gab. Gegründet wurden sie von „Erik dem Roten“, einem Flüchtling aus Island – der Name Grönland (altnordisch für „Grünland“) war vermutlich ein schönfärberischer Name, mit dem Neusiedler in die unwirtliche Gegend gelockt werden sollten. Landwirtschaft war selbst während der „Warmphase“ nur in bescheidenem Umfang und in geschützten Buchten an einem schmalen Küstenstreifen Grönlands möglich.
Das Schicksal dieser Siedlungen ist eines der Beispiele für untergegangene menschliche Zivilisationen, die der preisgekrönte US-Evolutionsbiologe Jared Diamonds in seinem Buch Kollaps untersuchte. Sehr detailreich beschreibt er, wie schwer es damals den Menschen in den Wikinger-Siedlungen fiel, der für sie unwirtlichen Umgebung genügend zum Leben abzutrotzen (und wie sie dabei die fragile Umwelt und damit ihre Lebensgrundlagen langsam zerstörten). Nach einer erneuten Abkühlung des Regionalklimas ab dem 14./15. Jahrhunderts auf der Nordhalbkugel (umgangssprachlich „Kleine Eiszeit“ genannt) und einer damit einhergehenden weiteren Verschlechterung der landwirtschaftlichen Bedingungen starben die Siedlungen dann komplett aus.
Für die zurückliegenden rund 4.500 Jahre konnte gezeigt werden, dass die Geschichte menschlicher Siedlungen auf Grönland dem Takt der regionalen Klimaänderungen folgt (D’Andrea et al. 2011). Ursachen der historischen Klimaschwankungen waren wahrscheinlich Veränderungen der Sonnenaktivität und der Ozeanströmungen im Nordatlantik. Die regionalen Temperaturen konnten beträchtlich steigen bzw. sinken, Forscher:innen fanden beispielsweise Veränderungen um 4 Grad Celsius innerhalb von nur 80 Jahren.
Für den derzeitigen globalen Klimawandel lässt sich aus der grönländischen Vergangenheit nichts ableiten – er kann durch natürliche Faktoren wie Schwankungen der Sonnenhelligkeit oder der Stärke von Ozeanströmungen allein nicht erklärt werden. Allenfalls die Folgen der Temperaturänderungen für die Wikinger könnte man als Lektion verstehen: Abrupte Temperaturänderungen, zeigte sich damals, können die Anpassungsfähigkeit menschlicher Zivilisationen schnell überfordern.
klimafakten.de, März 2015;
zuletzt aktualisiert: September 2022