Pflanzen reagieren unterschiedlich und ungleichmäßig auf eine erhöhte
CO2-Konzentration in der Luft. Grundsätzlich regt ein vermehrtes Angebot von Kohlendioxid die Photosynthese an, wobei die Wirkung bei sogenannten C3-Pflanzen wie Weizen, Reis, Soja stärker ist als bei sogenannten C4-Pflanzen wie Mais, Hirse oder Zuckerrohr. Feldexperimente jedoch zeigen, dass dieser sogenannte "CO2-Düngeeffekt" oft keine oder nur eine vorübergehende Wirkung auf das Wachstum hat.
Ein höheres CO2-Angebot führt in den meisten Fällen nicht zu mehr Wachstum, weil die Pflanzen wichtige Nährstoffe aus dem Boden beziehen (z.B. Phosphor) – und das Angebot dieser Stoffe nimmt ja nicht parallel zum Kohlendioxid zu (Ellsworth et al. 2017). Auch Wassermangel und überhöhte Temperaturen können das Wachstum begrenzen (Reich 2006).
Nun sind aber höhere Temperaturen und größere Trockenheit (oder zumindest unregelmäßigere Niederschläge) zwei der allgemein erwarteten Folgen des Klimawandels. Salopp gesagt wird vielen Pflanzen ein höherer CO2-Gehalt in der Luft auch deshalb keine großen Vorteile bieten, weil sie künftig häufiger versengen und verdorren. Und was das Problem des Nährstoffmangels angeht: Die Wirkungen eines Düngemitteleinsatzes sind unter Freilandbedingungen erfahrungsgemäß deutlich geringer als ursprünglich aufgrund von Topfversuchen angenommen wurde (Körner 2006).
Anhänger der These, der Klimawandel und insbesondere mehr Kohlendioxid sei gut für Pflanzen, verweisen häufig auf eine Untersuchung, derzufolge die Erde seit den 1980er Jahren deutlich "ergrünt" sei (Zhu, Piao et al. 2016). Doch das komplexe Phänomen des sogenannten "global greening" mit seinen Folgen für den Wasserkreislauf der Erde wurde inzwischen gründlicher untersucht (Piao et al. 2020). Und einige der Autor:innen der 2016-er Studie wiesen explizit darauf hin, dass ihre Publikation nicht als Argument gegen Emissionsminderungen tauge. Erstens nämlich wögen die negativen Folgen des Klimawandels deutlich schwererals der CO2-Düngeeffekt, und zweitens lasse dieser ohnehin mit der Zeit nach. Dieser Punkt wurde zum Beispiel durch ein 17 Jahre laufendes Forschungsprojekt mit Feldexperimenten in Kalifornien (Zhu, Chiariello et al. 2016) sowie weitere Arbeiten (Yuan et al. 2019) bestätigt.
Eine weitere Quelle, die häufig angeführt wird, ist der Dritte Sachstandsbericht des IPCC aus dem Jahr 2001. Damals wurden für eine CO2-Verdoppelung in der Tat Zuwächse bei Sojabohnenerträgen um 20 bis 30 Prozent prognostiziert, die Verluste durch den Klimawandel wettmachen oder sogar einen Nettozuwachs der Ernten bedeutet könnten (Allen et al. 1987, Cure/Acock 1986). Jedoch zeigten spätere und realistischere Feldstudien, dass der Anstieg damals wahrscheinlich um den Faktor zwei überschätzt wurde. Statt zusätzlicher Erträge ist daher mit häufigeren, wetterbedingten Ernteeinbußen zu rechnen (Long 2006).
Insgesamt erwarten die meisten Forschungsarbeiten, dass infolge der Erderwärmung die Ernteerträge abnehmen, weil die Pflanzen vermehrt Extremwetterbedingungen ausgesetzt sein werden, beispielsweise Hitzewellen, Dürren, Starkregen (z.B. Rosenzweig et al. 2014, Ummenhofer et al. 2015, Liu et al. 2016, Xu et al. 2016). Höhere Temperaturen verkürzen die Vegetationsphasen der meisten Getreidesorten, und höhere Ozonwerte drücken die Ernteerträge (Porter 2005).
Dazu kommt, dass der Proteingehalt und damit der Nährwert der Getreidekörner bei erhöhtem CO2-Angebot sinkt (Taub 2007, Högy 2009, Pleijel/Uddling 2012). Dass es sich dabei um mittlerweile gut gesicherte Forschungsergebnisse handelt und andere Faktoren wie Hitzestress die Wachstumswirkung der erhöhten CO2-Level umkehren, fassen beispielsweise Wang/Liu 2021 in einer Überblicksarbeit zusammen:
„Ein allgemeiner Anstieg des Kornertrags bei Verringerung der Kornqualität von Pflanzen, die unter erhöhten CO2-Konzentrationen angebaut werden, insbesondere die Abnahme der Stickstoffkonzentration und damit auch des Proteingehalts, wurden häufig berichtet, was zu der Schlussfolgerung führt, dass erhöhtes CO2 potenziell den ‚verborgenen Hunger‘ verschärft. […] Obwohl ein höheres CO2-Niveau die Weizenernte steigert, stellt dessen negative Wirkung eine große Bedrohung für die menschliche Ernährung dar. […] Hitzestress wirkt grundsätzlich der positiven Wirkung von erhöhtem CO2entgegen und kann dessen negative Wirkung auf die Kornqualität noch verstärken, da Weizen sehr empfindlich auf hohen Temperaturstress reagiert […].“
Auch der IPCC warnt deshalb in seinem Sechsten Sachstandsbericht von 2021/22 davor, dass erhöhte CO2-Konzentrationen in der Atmosphäre die Dichte an Nährstoffen in einigen Kulturpflanzen verringern werden – mit schwerwiegenden Konsequenzen:
„Die Folgen für Lebensmittelverfügbarkeit und Nährwert werden die Zahl der Menschen erhöhen, die von Hunger, Unterernährung und ernährungsabhängiger Sterblichkeit bedroht sind (hohe Gewissheit). Der Klimawandel wird zur Mitte des Jahrhunderts die Zahl der Menschen erhöhen, die einem Hungerrisiko ausgesetzt sind – vor allem in Afrika südlich der Sahara, Südasien und Mittelamerika (hohe Gewissheit). […] Bei ungebremstem Ausstoß an Treibhausgasen wird sich 2050 die Zahl der Lebensjahre bei voller Gesundheit aufgrund von Unterernährung und Mikronährstoffmangel um zehn Prozent verringern (mittlere Evidenz, hohe Übereinstimmung).“ (IPCC 2022, AR6, Band 2, Kapitel 5, Executive Summary).
Der mögliche Düngeeffekt durch höhere CO2-Konzentrationen ist also in der Regel im Vergleich mit anderen Umweltfaktoren, die für das Wachstum wichtig sind, vernachlässigbar, nur von kurzer Dauer oder auf Gewächshauskulturen beschränkt. Im Freiland werden die negativen Effekte (zum Beispiel von zunehmenden Hitzewellen, Trockenheit und Verlust der Lebensmittelqualität) überwiegen.
Urs Neu/klimafakten.de, Dezember 2012;
zuletzt aktualisiert: Dezember 2022