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Kann man sich auf die Klimaforschung verlassen?

Behauptung: Um ihre Jobs zu sichern und mehr Forschungsgelder zu erhalten, übertreiben Klimawissenschaftler Ausmaß und Risiken der Erderwärmung.

Fakt ist: Es spricht nichts dafür, dass die Wissenschaft den Klimawandel systematisch hochspielt - im Moment wäre eher das Gegenteil lukrativ

Antwort: Die Vorstellung, praktisch alle Klimaforscherinnen und Klimaforscher der Welt hätten sich verschworen, ist höchst unplausibel. Die wichtigsten wissenschaftlichen Grundlagen für die anthropogene Klimaerwärmung wurden geschaffen, lange bevor die Klimawissenschaft ins Rampenlicht kam. Im übrigen würde derzeit nichts so viel Ruhm versprechen wie ein Nachweis, dass es den Klimawandel nicht gäbe oder der Mensch nichts damit zu tun hätte. Zudem ist mit Resultaten, die einer menschverursachten Erwärmung widersprechen, heute viel mehr Geld zu verdienen als mit Ergebnissen, diesen Befund ein weiteres Mal bestätigen.

Natürlich, auch Klimawissenschaftler:innen sind Menschen – und deshalb anfällig für menschliche Schwächen. Zu diesen Schwächen könnte es beispielsweise gehören, sich bestimmten Forschungsansätzen vor allem deshalb zu verschreiben, weil mehr Forschungsgelder, ein höheres Einkommen oder ein hohes Ansehen locken. Von dort – so die Unterstellung – wäre es dann auch nicht mehr weit zu dem Schritt, auf der Suche nach Geld und Anerkennung nur noch „politisch gewünschte“ Forschungsergebnisse zu liefern.

Das Problem: Derartige Vorwürfe über geheime Motivationen sind praktisch kaum zu widerlegen, so wie alle Aussagen über persönliche Motive von Menschen. Allerdings gibt es eine ganze Reihe von Aspekten, die es sehr unwahrscheinlich machen, dass die vielen Belege über Ausmaß, Ursachen und Folgen des Klimawandels sämtlich gefälscht sind – und vor allem von der Eitelkeit oder Habgier motiviert sind:

  • Klimawissenschaftler:innen sind keine organisierte Gemeinschaft, sondern sehr verschiedenartige Personen aus sehr verschiedenen Forschungsdisziplinen. Es ist äußerst unwahrscheinlich, dass eine große Menge von Menschen in Instituten und Forschungseinrichtungen auf der ganzen Welt ihre Ergebnisse auf dieselbe Weise und aus un-wissenschaftlichen Gründen verändert. Nur ein kleiner Teil der Klimaforscher:innen ist an der Erarbeitung der IPCC-Berichte beteiligt, und in jedem Bericht ist die Zusammensetzung der Autorenschaft eine andere.
  • Die Klimaforschung entwickelte sich historisch zunächst so wie fast alle anderen Disziplinen – als kleines Spezialgebiet, wenig beachtet von Politik und Öffentlichkeit, ausgestattet mit wenig Prestige und knappen Ressourcen. Wenn also etwas diese junge Disziplin vorangebracht hat, dann war es wohl kaum die Aussicht auf Einkommen und Prominenz. Die wichtigsten wissenschaftlichen Grundlagen für die anthropogene Klimaerwärmung wurden geschaffen lange bevor die Klimawissenschaft ins Rampenlicht kam.
  • Die Vergabe von Forschungsmitteln hängt hauptsächlich von der wissenschaftlichen Qualität eines Antrags und vom Ansehen desjenigen ab, der ihn stellt. Wissenschaftler:innen haben deshalb ein großes Interesse daran, Forschungsergebnisse zu veröffentlichen, bei denen die Gefahr gering ist, dass sie sich später als falsch herausstellen – andernfalls sinken seine Chancen auf neuerliche Fördermittel. Langfristig betrachtet wäre es also irrational, ihre Ergebnisse zu manipulieren.
  • Es ist höchst unplausibel zu glauben, Wissenschaftler:innen würden Risiken hochspielen, von denen sich die Politik vor allem wünscht, sie würden nichtexistieren.
  • Wenn es eine Klimaforscher:in gäbe, die nachprüfbar zeigen könnte, dass der Klimawandel nicht existiert oder der Mensch doch nicht Schuld daran ist - er oder sie wäre sicherlich in kürzester Zeit ein Star, sowohl in der Fach- als auch in der allgemeinen Öffentlichkeit.
  • Ein Teil der Forschungsergebnisse der Klimawissenschaft lässt sich bereits praktisch überprüfen – nämlich Prognosen, die vor Jahren für heute aufgestellt wurden. Und siehe da, zahlreiche Vorhersagen haben sich als zutreffend erwiesen (Hausfather et al. 2019) – oder (etwa über das Abschmelzen des Meereises der Arktis oder die Erwärmung der Weltmeere) die spätere Realität sogar noch unterschätzt (Rampal et al. 2011Durack et al. 2014).
  • Unterstellt man, Klimaforscher:innen würden sozial oder politisch „gewünschte „ Forschungsergebnisse liefern, um so schnell zu Geld und Anerkennung zu kommen, müsste dies praktisch für alle Wissenschaftsdisziplinen gelten – nicht nur für die Klimaforschung. Tatsächlich hat es in der Vergangenheit auch entsprechende Fälle gegeben, in denen Wissenschaftler:innen bewusst Daten manipuliert haben, etwa in der medizinischen Forschung. Allerdings führten diese Fälle dazu, dass die betreffenden Personen ihre Karriere beenden mussten, sie aus der Forschung ausgeschlossen und ihre Veröffentlichungen zurückgezogen wurden. Und beispielsweise der in Deutschland besonders bekannte Fall des ehemaligen Bundesministers Karl-Theodor zu Guttenberg, der nach einem Plagiat seinen Doktorgrad und dann den Ministerposten verlor, hat sehr deutlich gezeigt, dass es vor allem die Wissenschaft selbst ist, die sich gegen wissenschaftliches Fehlverhalten in den eigenen Reihen zur Wehr setzt.

Für die Annahme, dass die Klimawissenschaft generell nur gewünschte Ergebnisse liefert, weil es den Forscherinnen und Forschern primär um Geld, Macht und Status geht, spricht also wenig.

Urs Neu/klimafakten.de, Oktober 2011;
zuletzt aktualisiert: August 2021

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