Vor gut zehn Jahren ist die Klimaszene um eine neue Art von Akteur reicher geworden: sogenannte "Climate Service"-Zentren, -Institute oder -Agenturen. Darunter versteht man Einrichtungen, die Erkenntnisse der Klimawissenschaft für die Praxis aufbereiten sollen - zum Beispiel für Politik, Behörden oder Unternehmen. Ursprünglich nämlich (und zu einem Gutteil auch heute noch) produzierten Klimaforscher große Mengen an Daten und Wissen, die allenfalls als Rohmaterial für Entscheidungsträger taugen: Welche Veränderungen beispielsweise an Nordseedeichen sinnvoll sind, geht aus Erkenntnissen zum Anstieg der Meeresspiegel ja nicht direkt hervor.

Neben die klassische Klimaforschung sind also seit den 2000er Jahren die "Climate Services" getreten. Weltweit und auch in Europa entstanden eine ganze Reihe solcher Dienstleister fürs Übersetzung klimawissenschaftlicher Erkenntnisse - so enstand in Österreich das Climate Change Centre Austria, in der Schweiz das beim Bundesamt für Meteorologie angesiedelte National Centre for Climate Services NCCS.

Auch in Deutschland wurde mit dem Climate Service Centre Germany GERICS 2009 eine solche Einrichtung geschaffen. Dessen einstiger Direktor, Guy Brasseur, hat in einem Aufsatz im Fachjournal Earth's Future (gemeinsam mit seiner chilenischen Kollegin Laura Gallardo) nun eine Bestandsaufnahme - und eine Art Manöverkritik - vorgelegt. Und gemessen an der Zurückhaltung, die in der Wissenschaftssprache üblich ist, findet er sehr deutliche Worte: Die bisherigen Erfolge der Climate Services seien, so Brasseur, "eindeutig begrenzt". Es herrsche ein "Mangel an relevanten Produkten und Dienstleistungen", viele Mitarbeiter wüssten nicht, was die Abnehmer der Informationen wirklich brauchen, und die Insitutionen generieren nicht die geplanten Einnahmen, ihr "Business-Modell" sei "inadäquat".

Die gelieferten Informationen sind oft nicht klar, verständlich und nutzbar

Ein Teil der Probleme sei nicht ungewöhnlich, auch in vielen anderen Disziplinen gebe es eine Kluft zwischen Wissenschaft und ihrer praktischen Anwendung - in der Szene wird von einem wahren "Valley of Death" gesprochen. Zudem stünden die Climate Services vor der Schwierigkeit, dass sie sehr unterschiedliche Auftraggeber mit sehr unterschiedlichen Bedürfnissen und Erwartungen bedienen sollen: Ein Landrat zum Beispiel braucht für seine Wasserwirtschaftsplanung etwas völlig anderes als ein global operierender Versicherungskonzern. Manche Konflikte zwischen Climate Services und ihren Kunden, so Brasseut und Gallardo, seien schlicht nicht lösbar: So betrage der Planungshorizont vieler Entscheidungträger in der Wirtschaft fünf bis zehn Jahre, und für solche Zeiträume wünschen sie sich folglich exakte Prognosen, etwa über die Entwicklung von Extremwettern. Solche Wünsche jedoch sind unerfüllbar, weil die Klimaforschung derartige Aussagen nicht seriös treffen kann.

Eine Reihe von Kritikpunkten richtet sich aber auch an die Climate Services selbst: Nutzer stünden vor einer undurchschaubaren Vielfalt von Institutionen. Die von ihnen bereitgestellten Informationen seien häufig nicht klar, verständlich und nutzbar, mal seien sie redundant, mal aber auch widersprüchlich.  Und oft dominiere noch ein altes Kommunikationsmodell, nämlich die Ansicht, dass Wissen ein Privileg der Forscher sei, das von oben nach unten zu den Unwissenden verbreitet werden müsse. "Heute ist allgemein anerkannt", gibt Brasseur den Stand der Sozialforschung zutreffend wieder, "dass Kommunikation die Verhaltensweisen von Menschen nicht substanziell ändern wird, wenn sie sich ausschließlich auf wissenschaftliche Fakten stützt." Nötig sei stattdessen, soziale Normen und individuelle Weltsichten zu berücksichtigen.

Die geplante Eigenfinanzierung der Climate Services funktioniert nicht

Brasseurs Aufsatz lässt an vielen Stellen persönliche Erfahrungen aufscheinen. So stehen die Kulturen von Wissenschaftlern und Managern offenbar häufig in Konflikt: So teilen Forscher ihr Wissen gern auf Konferenzen - die Wirtschaft aber bevorzugt geschlossene Sitzungen, bei denen keine potenziellen Konkurrenten mithören. Außerdem erwarten Unternehmen "die kurzfristige Lieferung spezifischer Informationen gegen direkte Bezahlung" - solche Forderungen aber widersprechen oft den Regeln und Gewohnheiten öffentlich finanzierter Forschungsinstitute. Im Ergebnis wenden sich vor allem Großunternehmen inzwischen lieber an spezialisierte Unternehmensberatungen. Brasseurs Fazit: "Die ursprüngliche Annahme, dass sich Climate Services zügig aus dem Verkauf ihrer Produkte finanzieren können, hat sich als falsch erwiesen." Weil sie dem öffentlichen Wohl dienen, sollten sie folglich komplett vom Steuerzahler finanziert werden, und ihre Produkte sollten für alle frei verfügbar sein.

Für viele Probleme der Climate Services, auch das wird in dem Aufsatz klar, sind weniger deren Mitarbeiter verantwortlich - sondern sie gehen eher auf politische und strukturelle Entscheidungen zurück. Die wichtigste Empfehlung Brasseurs betrifft das Personal: Dies sei bisher zu homogen, viele Institutionen seien "bevölkert mit Wissenschaftlern, die beschränkte Erfahrungen haben über die operativen Grenzen ihrer Kunden". Stattdessen würden mehr Ökonomen und Soziologen gebraucht, Stadtplaner und Sozialmanager, Praktiker aus der Wirtschaft und Kommunikationsspezialisten - jedenfalls "Experten, die die Unternehmenskulturen in der Privatwirtschaft verstehen oder die vertraut sind mit den Abläufen in Politik und Verwaltung". 

Climate Services seien jedenfalls weniger Forschungseinrichtungen - sondern eher "operative Institutionen, die kurzfristig und in strikten Zeitrahmen klare Antworten auf Kundenanfragen zu liefern haben". Und nach dem Pariser Klimagipfel, dessen Beschlüsse einen schnellen Wandel der Lebensstile und Wirtschaftsstrukturen erfordern, seien Climate Services wichtiger denn je.

tst