Dr. Fritz Heidorn studierte Erziehungswissenschaften in Hannover und Oldenburg. Danach hat er unter anderem als Schulbuchredakteur und als Fachbereichsleiter Umweltbildung und Jugendarbeit beim WWF Deutschland gearbeitet. Lange Jahre war er geschäftsführender Gesellschafter der Bildungsagentur „econtur“ in Bremen und beim Freiwilligendienst „weltwärts-Bremen“ tätig. Seit 2016 schreibt Heidorn schwerpunktmäßig über Fragen von Interkultureller Kommunikation, Raumfahrt, Klimazukünften und Science Fiction, mehrere Bücher erschienen im Dieter-von-Reeken-Verlag, unter anderem "Demnächst oder Nie. Reisen zu fremden Welten" (2018). Daneben ist er Berater des Klimahauses Bremerhaven.
Die Menschheit weiß inzwischen sehr viel über den menschengemachten Klimawandel. Über seine Ursachen, Wirkungen, Folgen und auch darüber, wie heute die schlimmsten Auswirkungen in der Zukunft noch verhindert oder abgeschwächt werden könnten. Dazu wäre allerdings ein zwischenstaatliches Handeln im globalen Maßstab vonnöten. Hier liegen entscheidende Unsicherheiten, ob dies der Menschheit gelingen wird. Immerhin gibt es positive Entwicklungen in den USA, deren Bevölkerung mehrheitlich mit Joe Biden einen Präsidenten gewählt hat, der zum Pariser Klimaabkommen zurückkehren will. Dennoch ist unsicher, welche Klimawandel-Zukunft eintreten wird.
Wer über Zukünfte spricht, ist damit im Bereich der phantastischen Literatur angelangt, die wir, wenn sie auf einem naturwissenschaftlichen Fundament für ihre Erzählungen aufbaut und nicht nur über reine Phantastereien schreibt, als Science-Fiction bezeichnen. Diese Literaturgattung hat bereits in der Vergangenheit und zunehmend in der Gegenwart interessante Konzepte vorgelegt, die neue Perspektiven zum Klimawandel beschreiben und uns Leserinnen und Leser in ein Reich der Fantasie geführt haben. Hier herrscht Denk- und Meinungsfreiheit, die Zwänge der Politik sind weggefegt, und alles scheint möglich zu sein - sogar die Lösung der Folgen des Klimawandels, wie es Kim Stanley Robinson in seinem aktuellen Buch The Ministry for the Future (2020) beschrieben hat.
Lassen wir uns also anregen von spannenden Erzählungen, verrückten Ideen, abwegigen Vorschlägen, manchen Irrtümern und gelegentlichen guten Lösungsvorschlägen für ein hochkomplexes Thema, das die Menschheit noch in den nächsten Jahrhunderten bedrängen wird. Lesen wir Science-Fiction-Literatur!
Science Fiction transzendiert die Gegenwart in mögliche Zukünfte
Science Fiction ist die Literaturgattung, die sich mit Veränderungen beschäftigt. Veränderungen seien die größte Herausforderung der Realität, der wir begegnen, sagt Arthur C. Clarke, einer der bekanntesten Science-Fiction-Schriftsteller des zwanzigsten Jahrhunderts – und deshalb schreibe er Science-Fiction, da keine andere Literatur sich so um Realität bemühe. Science Fiction transzendiert die Gegenwart in mögliche Zukünfte. Sie beginnt oft im „Jetzt“ und zeichnet Entwicklungen auf, die in ein „mögliches Vielleicht“ führen.
Wissenschaftliche Fiktionen, so die wörtliche deutsche Übersetzung von Science Fiction, basieren auf Elementen von Naturwissenschaft und Technik und machen diese zum Gegenstand gesellschaftlicher oder kultureller literarischer Entwürfe. Wertvoll wird die Literatur allerdings erst dann, wenn die Autoren in ihren kulturellen Utopien auf wissenschaftliche Erkenntnisse oder technische Produkte zurückgreifen und diese in den Kontext der Erweiterung menschlicher Horizonte stellen. Erst dann hören die Leserinnen und Leser wirklich zu, beginnen zu verstehen und -eventuell - sich zu verändern.
Verheerende Dürren und Staubstürme verwüsteten in den 1930er Jahren weite Gebiete im Mittleren Westen der USA - ein Foto aus dieser "Dust Bowl"-Zeit: ein Farmer und seine Söhne im Bundesstaat Oklahoma. Wer diese Zustände literarisch vorweggenommen hätte, hätte Science Fiction geschrieben; Foto: Arthur Rothstein/Library of Congress/Wikimedia
Science Fiction ist die Literatur des Unmöglichen. Sie überschreitet Barrieren und Grenzen der Naturwissenschaften und wagt sich vor in das Unbekannte. Sie spielt mit den Gesetzen der Naturwissenschaft und stellt diese in gesellschaftliche, historische, kulturelle, soziale und politische Zusammenhänge. Sie folgt damit dem zweiten Gesetz von Arthur C. Clarke:
„Der einzige Weg, die Grenzen des Möglichen zu finden, ist es, dahinter zum Unmöglichen weiterzugehen.“
Die Mittel der Science Fiction sind spannungsreiche Erzählungen, die interessante Themen behandeln und diese für ihre Leserinnen und Leser aufschließen.
Das Unmögliche denken, das Unvorstellbare vorstellen
Was in der naturwissenschaftlichen Fachdiskussion oft fehlt, ist Imagination. Arthur C. Clarke, der nicht nur Schriftsteller, sondern auch ausgebildeter Physiker und Mathematiker war sowie einer der Promotoren der Raumfahrt in der Mitte des zwanzigsten Jahrhunderts, bemerkt dazu in seinem Buch Profiles of the Future (1962):
„Too great a burden of knowledge can clog the wheels of imagination.“ – zu Deutsch etwa: „Eine zu große Last an Wissen kann die Räder der Phantasie blockieren.“
Clarke formuliert in seinem Buch anschließend sein erstes „Gesetz“ (mit seinen drei bekannten Gesetzen verdichtet Clarke und ironisiert gleichermaßen seine Ideen über das Schreiben über die Zukunft):
„When a distinguished but elderly scientist states that something is possible, he is almost certainly right. When he states that something is impossible, he is very probably wrong.“ – übersetzt: „Wenn ein angesehener, aber älterer Wissenschaftler sagt, dass etwas möglich ist, hat er fast sicher Recht. Wenn er sagt, dass etwas unmöglich ist, hat er sehr wahrscheinlich Unrecht.”
Die Vorstellung des Unvorstellbaren, das Denken des Unmöglichen, das Überschreiten tradierter Barrieren – all dies bietet die Science-Fiction-Literatur. Science Fiction ist hier klar: Sie ist eine auf wissenschaftlichen Denkmustern und Theorien basierende Literaturgattung. Im Gegensatz zur Fantasy-Literatur allerdings, die etwas erzählt, was in der realen Welt niemals passieren kann, beschreibt Science Fiction Entwicklungen, die in der wirklichen Welt möglich sind. Imagination meint das Überschreiten von Barrieren im Sinne von Paradigmenwechseln, wie sie der Wissenschaftstheoretiker Thomas S. Kuhn in seiner Studie „Die Struktur wissenschaftlicher Revolutionen“ (1962) beschrieben hatte, als das qualitative Umformen quantitativer Wissensbestände in völlig neue Denkmuster.
Gebräuchlich in der Science-Fiction-Literatur sind vorausschauende Visionen anderer Zukünfte, die alternative Entwicklungen ausleuchten. Bemerkenswert sind die Literaturbeiträge, die das Thema „Klimawandel“ wissenschaftlich korrekt und doch prognostisch oder in alternativen Entwicklungsmustern aufgreifen und facettenreich aufschlüsseln.
Leben in einem Science-Fiction-Roman
Dies ist die Zeit für Science Fiction. Science Fiction wird zumindest für einen gewissen Zeitraum realer werden, und das wirkliche Leben wird in Science-Fiction-Romanen auftauchen, die aus der Vergangenheit zu kommen scheinen und die wir alle in der Gegenwart gemeinsam schreiben, um für die Zukunft vorbereitet zu sein.
In einem Interview von Richard Lea mit Kim Stanley Robinson im Guardian sagt der Bestseller-Autor Robinson:
„Ich glaube, ich schreibe Science Fiction, weil ich das Gefühl habe, dass, wenn man Realismus über unsere Zeit schreiben will, Science Fiction einfach das beste Genre ist, in dem man das machen kann. Das liegt daran, dass wir jetzt in einem großen Science-Fiction Roman leben, den wir alle gemeinsam schreiben.
„Man schreibt innenpolitischen Realismus, und man ist in einem winzig kleinen Teil einer viel größeren Realität gefangen. Man schreibt Science Fiction und schreibt tatsächlich über die Realität, in der wir uns wirklich befinden, und genau das sollten Romane tun.“
„Wir mögen uns in einem sehr steilen Moment des technologischen und historischen Wandels befinden, aber das bedeutet nicht, dass er so steil bleiben oder sich sogar beschleunigen wird. Praktische und theoretische Zwänge, die selbst über Probleme wie den Klimawandel, mit denen wir jetzt kämpfen, hinausgehen, werden uns schließlich bremsen. Ich gehe davon aus, dass es einige fundamentale Probleme gibt, die uns davon abhalten werden, die Dinge viel spektakulärer zu tun, als wir es jetzt tun.“
Die Geschichte des Klimawandels in der Science Fiction
Der renommierte US-amerikanische Science-Fiction-Kenner, Kritiker und Literaturprofessor Gary Westfahl kommt in seiner Studie Cold Shoulders and Hot Hands: A History of Climate Change in Science Fiction (2020) zu dem Schluss, das in der langen Geschichte der Science-Fiction-Literatur das Thema Klimawandel oft behandelt worden ist, allerdings in anderen Kontexten, als heutzutage in der wissenschaftlichen und politischen Diskussion der Fall.
Ein Staubsturm über Stratford im US-Bundesstaat Texas 1935 während der "Dust Bowl"-Jahre; Foto: NOAA/Wikimedia
In frühen Werken der 1970er Jahre sei vor allem das Thema einer neuen Eiszeit behandelt worden. Es gebe zahlreiche Erzählungen über eine erkaltete oder eingefrorene Erde. In den folgenden Jahrzehnten seien viele Schriftsteller über eine kommende Eiszeit besorgt gewesen, was in den Romanen oft mit einer erkaltenden Sonne in Verbindung gebracht worden sei.
In den 1980er Jahren habe dann das Thema eines „Nuklearen Winters“ im Vordergrund der Besorgnisse vieler Science-Fiction-Schriftsteller gestanden. Diese Aussage ist interessant, weil damals erstmalig die Warnungen kritischer Wissenschaftler über die Folgen eines Atomkriegs in der Öffentlichkeit bekannt wurden. Der Begriff „Nuklearer Winter“ beschreibt das Szenario, dass bei einem Atomkrieg große Mengen an Staub und Rauch entstehen, die die Sonne verdunkeln und so die Erde abkühlen lassen. Geprägt hat diesen Terminus der berühmte Astrophysiker Carl Sagan, der gemeinsam mit dem Biologen Paul R. Ehrlich und anderen eine wissenschaftliche Konferenz zum Thema organisiert und die interdisziplinären (und für die damalige Zeit ungewöhnlichen und politisch unliebsamen) Forschungsergebnisse in dem Buch The Cold and the Dark. The World after Nuclear War (1984) publiziert hatte.
Warnungen vor einer kälter werden Erde dominierten also die Science Fiction, während Erzählungen über eine Erde, die zu einem tropischen Dschungel wird, seltener sind. Hinzu kommen dann Geschichten über Sintfluten, die die Erde heimsuchen, ebenso ein berühmter Film mit Kevin Kostner in der Hauptrolle: Waterworld (1995). Erst ab den 1990er Jahren dringen Erzählungen über den menschengemachten Klimawandel in die Science-Fiction-Romane. Tatsächlich hat das Genre, so schreibt Westfahl, das Thema Klimawandel behandelt, lange bevor es die Aufmerksamkeit von Wissenschaftlern, Politikern und der Öffentlichkeit erreicht hatte. Allerdings seien bei der überaus größten Mehrheit der Erzählungen die Menschen als Opfer eines sich wandelnden Klimas geschildert worden, unfähig, diese Entwicklungen zu verhindern und damit verdammt, sich entweder an die veränderten Umweltbedingungen anzupassen oder zu anderen Planeten auszuwandern.
Damals gab es, bilanziert Westfahl, nur eine begrenzte Anzahl von Geschichten, die von wissenschaftlichen Versuchen erzählt haben, den Klimawandel zu verhindern.
„Insgesamt müssen also Überlegungen, wie die Science Fiction den Klimawandel dargestellt hat, sowohl eine Feier als auch eine Verurteilung des Genres sein: Schriftsteller haben wiederholt die unheilvollen Auswirkungen künftiger Veränderungen des Erdklimas beschrieben, aber sie haben es weitgehend versäumt, mögliche Anstrengungen zu beschreiben, solche Veränderungen zu verhindern oder ihren Auswirkungen entgegenzuwirken. Vielleicht ist dies einfach eine Konsequenz aus der Notwendigkeit, Geschichten zu erzählen: Es ist sehr dramatisch, Menschen zu beschreiben, die auf einer drastisch veränderten und jetzt bedrohlichen Erde ums Überleben kämpfen. Und es ist sehr dramatisch, zu beschreiben, wie ein trockener Planet mit einer dünnen Atmosphäre wie der Mars in eine Nachbildung der Erde verwandelt werden könnte. Aber es ist weniger dramatisch, einen erfolgreichen Versuch zu beschreiben, die Erde wieder zu dem vertrauten Planeten zu machen, der sie einmal war.”
Erst 2020 legt der US-amerikanische Bestseller-Autor Kim Stanley Robinson mit dem Roman The Ministry for the Future ein Werk vor, dass schildert, wie die Menschen den Klimawandel – nach vielen Irrwegen, Umwegen und globalen Katastrophen – erfolgreich bremsen.
Westfahl schreibt zum Schluss, dass, bei der Abwesenheit außerirdischer Retter, sich die Menschen wohl selbst als willens und fähig erweisen müssten, künftige Katastrophen zu verhindern, die aus dem menschengemachten Klimawandel entstehen. Die entscheidenden Ideen dazu würden allerdings nicht von den Schriftstellern, sondern von besorgten Wissenschaftlern kommen. Allerdings lohnt es sich, die kreativen Erzählungen der Science-Fiction-Literatur des letzten Jahrhunderts zu kennen, denn diese zeigen uns – aus der Vergangenheit kommend – kreative Perspektiven auf das Menschheitsthema der nächsten Jahrhunderte.
Was Climate Imagination Literature leisten kann
Literatur löst keine Probleme, aber sie verursacht auch keine – jedenfalls, wenn sie nicht als rassistische politische „Kampfliteratur“ missbraucht wird. Literatur löst Verknotungen im Denken und eröffnet ungeahnte Perspektiven hin ins Unbekannte, und als Science Fiction oder als „Climate Imagination Literature“ öffnet sie Wege in jenes unbekannte Land, in dem zuvor noch niemals ein Mensch gewesen ist. Science-Fiction-Literatur ist wie ein spannungslösendes Medikament, das Verkrampfungen im Denken und Fühlen auflöst und uns frei macht für ein neues Denken, das Barrieren überschreitet und uns ein Stück weit in das Unmögliche blicken lässt. Dort können wir Anregungen finden oder etwas gänzlich Neues, das uns nachdenklich werden lässt.
In Sand versunkene Landmaschinen auf einer Farm im Bundesstaat South Dakota 1936 während der "Dust Bowl"-Jahre; Foto: US-Department of Agriculture/Wikimedia
Damit sind die Probleme, die wir in der realen Politikgestaltung oder Alltagsbewältigung haben, natürlich nicht gelöst. Aber sie können transparent werden, quasi durchsichtig für eine andere Lichtfrequenz, die wir bislang noch nicht wahrgenommen hatten. Anders ausgedrückt: Wir nehmen einen Perspektivenwechsel vor und schauen auf den anstehenden Sachverhalt aus einem anderen Blickwinkel als den gewohnten. Dies wird uns, wenn es gelingt, überraschen, anregen und ins Grübeln bringen. Gute Literatur hat solche Effekte des Sinneswandels. Dies ist die erste Stufe, die Science-Fiction Literatur erzeugen kann: Transparenz.
Die zweite Stufe, wenn uns die Literatur packt, ist das Erzeugen von Transzendenz, indem die Grenzen der eigenen Erfahrung überschritten werden und wir in eine andere, geradezu übersinnliche Erfahrungsweise eintauchen, die uns neue Zugänge und Sichtweisen auf Bekanntes ermöglicht.
Die dritte Stufe bezeichne ich als einen Motivationsschub für Handeln. Diese Stufe wird immer dann erreicht, wenn uns das, was wir lesen, als derart anregend, aufregend oder ungerecht erscheint, dass allein durch die lebensnahe und wahre Schilderung in einer Erzählung wir dazu veranlasst werden, uns dagegen aufzulehnen oder für etwas einzusetzen. Wir bekommen einen Motivationsschub, etwas zu tun. Nicht immer, aber gelegentlich schon.
Die Voraussetzung für alle drei Erregungszustände von guter Literatur zum Thema Klimawandel ist natürlich ein grundsätzliches Interesse an der gegebenen Thematik. Wenn sich Menschen für das Thema Klimawandel überhaupt nicht interessieren oder dem Thema von vornherein ablehnend gegenüberstehen, ist der Versuch, mit Literatur Befindlichkeiten zu erzeugen, vermutlich zum Scheitern verurteilt.
Fritz Heidorn
Science Fiction zum Thema Klimawandel
– ein Überblick
Im Folgenden stellen wir einige Beispiele von Science-Fiction-Erzählungen vor, um das Themenspektrum dieser Literaturgattung zu verdeutlichen. Diese und andere Autorinnen und Autoren und ihre Werke wollen wir in nächsten Monaten auf klimafakten.de ausführlicher vorstellen. Interessant sind dabei insbesondere die Arbeiten der Autorinnen und Autoren, die von einer naturwissenschaftlichen Ausbildung oder aus einem entsprechenden Forschungsfeld kommen – und sozusagen die Schriftstellerei als Zweitberufung gefunden haben. Dazu zählen die Arbeiten von Arthur C. Clarke als Physiker und Raumfahrtpromoter, dessen Verdienste um die Erforschung fremder Welten in Deutschland weitgehend unbekannt geblieben ist.
Weitere bedeutende Autoren, die im Hauptberuf Naturwissenschaftler waren, sind etwa Isaac Asimov, Professor für Biochemie an der medizinischen Fakultät der Universität Boston, Carl Sagan, Professor für Astrophysik an der Cornell University und Erfinder der Botschaften für Außerirdische an den Raumsonden Voyager 1 und Voyager 2, oder Gregory Benford, Physikprofessor an der University of California, San Diego. Andere Autorinnen und Autoren verfügen über einen literaturwissenschaftlichen Hintergrund, etwa Kim Stanley Robinson, Ben Bova (war unter anderem Marketing-Manager eines Forschungslaboratoriums und Herausgeber von Science-Fiction-Magazinen) oder Nancy Kress (arbeitete eine Zeitlang als Grundschullehrerin und begann während ihrer Schwangerschaft mit dem Schreiben). Für alle diese Schriftstellerinnen und Schriftsteller gilt wohl, dass eine wissenschaftliche Ausbildung oder Tätigkeit ihr kreatives Schreiben gefördert hat.
Kinder einer Familie aus Oklahoma, die 1935 vor der Dürre der "Dust Bowl"-Jahre nach Kalifornien geflüchtet ist; Foto: Dorothea Lange/Library of Congress/Wikimedia
Seit einigen Jahren wird das Thema des Klimawandels in der Literatur neu kontextualisiert, und erste Studien über solche Werke kommen auf den Markt. Sie firmieren zuweilen unter dem Stichwort „Ecocriticism“, einem interdisziplinären Ansatz, in dem die Auswirkungen menschlichen Handelns auf die Natur beschrieben und analysiert werden. Astrid Bracke, Dozentin für englische Literatur an der De HAN University of Applied Sciences in Nijmegen (Niederlande) hat eine der ersten Studien über diese neu aufkommende Literaturgattung geschrieben: Climate Crisis and the 21st-Century British Novel (2018). Sie untersucht zwölf Werke, die das wachsende kulturelle Bewusstsein an der Klimakrise reflektieren.
In der Literaturstudie Anthropocene Fictions. The Novel in a Time of Climate Change (2015) untersucht Adam Traxler die literarische Umsetzung des Klimawandels als das lang andauernde Erbe unserer Zeit und analysiert zahlreiche Erzählungen, die bereits über den menschengemachten Klimawandel im Zeitalter des Anthropozäns geschrieben worden sind.
In Deutschland erschien kürzlich eine Anthologie mit Erzählungen deutscher Autorinnen und Autoren über mögliche Zukünfte im Zeichen der Erderwärmung, herausgegeben von den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Zeitschrift „Exodus – Magazin für Science-Fiction-Stories und phantastische Graphik“. Der Band des Hirnkost-Verlags heißt: Der Grüne Planet. Zukunft im Klimawandel. Eine Anthologie´(2020).
Harald Welzer schreibt in seinem Buch Klimakriege. Wofür im 21. Jahrhundert getötet wird (2008): „Das gesamte Problem des Klimawandels [sei] als ein kulturelles [zu] definieren“, mit dem für eine bessere Gesellschaft gestritten werden soll und in der das Kriterium der Reversibilität eine entscheidende Rolle spiele. Nicht bessere Technik könne das Problem lösen, sondern die Verständigung über eine neue kulturelle Teilhabe an den Risiken und Chancen des Klimawandels. Die Teilnahme an einem solchen kulturellen Diskurs in die nahe und weitere Zukunft müsse mit der Methode der „antizipierten Retrospektion“ (Alfred Schütz) vorgenommen werden – oder in der grammatischen Form des Futurum II ausgedrückt: Es wird gewesen sein!
In Deutschland haben Angela und Karlheinz Steinmüller bereits 1991 in der Erzählung Warmzeit (1991) vieles von dem vorweggenommen, was im Zuge des Klimawandels in den nächsten Jahrzehnten auf die Menschen im westlichen Kulturkreis zukommen könnte: Trinkwasserknappheit, Hitzeperioden in den Städten, Benzinrationierung, Wasserstoffmobile, Schrebergarten-Refugien, Nachzüchtung des tropischen Regenwaldes, Migrationsprobleme.
Eine andere Seite beschreiben Niven, Pournelle und Flynn mit ihrer im Original 1991 veröffentlichten Dystopie Gefallene Engel (1998): Militante Umweltaktivist(inn)en haben den Treibhauseffekt gestoppt und in sein Gegenteil verkehrt. Eine kleine Gruppe Technikgläubiger, die in Raumstationen im Erdorbit lebt, bekämpft die Ökoregierung. Der Schriftsteller Michael Crichton, berühmt durch seine Jurassic-Park-Romane, hat in Welt in Angst (2004) versucht, die globale Erwärmung durch wissenschaftliche Gegenstudien zu widerlegen, und dies in eine Romanhandlung mit Ökoterroristen eingebettet. Der Thriller Flood (2008) von Stephen Baxter thematisiert auf drastische Weise den Meeresspiegelanstieg als neue Sintflut.
Erodierter Acker während der "Dust Bowl"-Jahre im Mittleren Westen der USA; Foto: National Archives and Records Administration/Wikimedia
Im Band Sixty Days and Counting (2007) führt Kim Stanley Robinson einen neu gewählten Präsidenten der USA in die Erzählung ein, der das Problem des anthropogenen Klimawandels anerkennt und die National Science Foundation anweist, globale technische Lösungen umzusetzen, die dem Modell des „Global Engineering“ folgen. Am Ende wird deutlich, dass es nicht eine Lösung gibt, sondern dass viele Lösungen ihren Stellenwert haben und in persönliche, kulturelle, wissenschaftlich-technische und politische Entwicklungen eingebunden sind.
Der britische Schriftsteller Ian McEwan beschreibt in seinem Roman Solar (2010) drei Episoden aus dem Leben des Physikers und Nobelpreisträgers Michael Beard, der einem Institut vorsteht, das den Klimawandel erforschen soll.
Die amerikanische Autorin Nancy Kress schildert in Sea Change (2020) eine Welt im Jahre 2022, in der der Klimawandel und der Missbrauch einer pharmazeutischen Droge das Leben der Menschen aus den Angeln gehoben haben. Der weltweite ökonomische Kollaps und der Zusammenbruch der Agrarproduktion haben zur Gründung einer Untergrundorganisation von Wissenschaftlern geführt. Diese werden von den Behörden verfolgt, könnten aber den Schlüssel zur Wiederherstellung der Nahrungsmittelversorgung der Welt in ihren Händen halten.
Schließlich der bereits mehrfach erwähnte Kim Stanley Robinson: Er beschreibt im Roman The Ministry for the Future (2020) die komplexen politischen, finanziellen und persönlichen Verwicklungen bei der Bekämpfung der Folgen des Klimawandels. Die spannungsgeladene Erzählung verfolgt parallel mehrere Handlungsstränge. Diese erscheinen zunächst über weite Strecken als unvereinbar und unlösbar, bis schließlich der Gordische Knoten der Handlungsblockade durchtrennt wird. Der Schluss des Romans ist versöhnlich, verständlich, nachvollziehbar und hoffungsvoll, ganz im Sinne der konkreten Utopie von Ernst Bloch.
Deshalb könnte das neue Buch von Kim Stanley Robinson eigentlich auch so heißen, wie das Hauptwerk von Ernst Bloch, Das Prinzip Hoffnung (1947) eigentlich hätte heißen sollen – und wie es als Motto eigentlich auch für alle Erzählungen zum Klimawandel in der Literatur lauten könnte: The Dreams of a better life – also: Die Träume von einem besseren Leben.