Wir alle kennen diese Ökotipps: Energiesparlampen eindrehen! Elektrogeräte nicht auf Stand-by lassen! Regionales Obst und Gemüse kaufen! Oder, erheblich wirkungsvoller: Zu Ökostrom wechseln! Nicht mehr ins Flugzeug steigen!
Klar, nichts davon ist falsch. Natürlich müssen die Menschen gerade in den wohlhabenden Industriestaaten ihren Lebensstil ändern, sollten unzählige Konsumentscheidungen anders treffen. Genauso klar aber ist auch, dass dies allein nicht genügen wird. Um die Erderhitzung wirklich noch unter zwei Grad Celsius oder gar 1,5 Grad zu halten, braucht es große, systemische Veränderungen in Wirtschaft und Gesellschaft. Oder in den Worten des IPCC (Sechster Sachstandsbericht, Band 3, Kapitel 5, Executive Summary): "Individuelle Verhaltensänderung ist ungenügend für die Minderung des Klimawandels, solange sie nicht eingebettet ist in strukturelle und kulturelle Veränderung."
Dennoch aber sind Ökotipps wie die genannten noch immer weit verbreitet – ebenso wie das Gesamtkonzept des "ökologischen Fußabdrucks", den doch bitte jede Person verringern solle. Doch die Kritik daran wird lauter: Mit dem "Fußabdruck" werde das Klimaproblem individualisiert – bezeichnenderweise war es der Mineralöl-Riese BP, der das Konzept einst in großen Werbekampagnen populär machte. Außerdem wird die Wirkung vieler dieser Umwelt-Verhaltenstipps stark überschätzt. Noch problematischer aber dürfte sein: Individuelle Ratschläge zum Verhalten und ganz allgemein der Fokus auf persönliche Emissionen öffnen die Tür für unfruchtbare Kulturkampf-Debatten, in denen sich Menschen persönlich für jede Bratwurst oder jeden Pkw-Kilometer angegriffen fühlen – und sich reflexhaft verteidigen, Klimaschutz als Affront empfinden, ihn als missgünstig und verbotsfetischistisch hinstellen.
"Netzwerke, deren Zusammenspiel verheerend ist"
All dies analysiert Gabriel Baunach in seinem Buch Hoch die Hände, Klimawende. Warum wir mit der Holzzahnbürste nicht die Erderwärmung stoppen – und wo unsere wirklichen Hebel sind im Detail. Vor allem aber setzt er dem Fußabdruck eine konstruktive Alternative entgegen: das Konzept des Handabdrucks. Dahinter steckt die Idee, dass sich mit politischem Handeln ein viel größerer Nutzen fürs Klima erreichen lässt als durch persönlichen Verzicht. Zur Attraktivität des Konzepts tragen sicherlich auch unterschwellige Aspekte bei: Den eigenen Fußabdrucks zu verkleinern, ist oft mühsam (und am Ende sind die eigenen Emissionen doch immer noch zu groß) – etwas zu vergrößern hingegen, nämlich den Handabdruck, wirkt daneben ungleich positiver, optimistischer.
Baunach hat Maschinenbau studiert und 2020 die Aufklärungsplattform "Climaware" gegründet, für klimafakten.de hat er in den vergangenen anderthalb Jahren den Podcast "Über Klima sprechen" produziert, der im Gespräch mit klimafakten-Expertin Lea Grosse und Autor Christopher Schrader die Inhalte unseres gleichnamigen Handbuchs für wirksame Klimakommunikation in kompakter Form hörbar gemacht hat. Sein neues Buch erklärt nun auf rund 300 Seiten die Defizite und Risiken des Fußabdruck-Konzepts und warum es "mehr schadet als nützt". Nebenbei gibt Baunach Einblicke in psychologische Mechanismen, mit denen wir uns oft um unangenehme Wahrheiten und Verhaltsänderungen herummogeln.
Ausführlich wird dann in mehreren Kapiteln die Gegenidee erläutert: "Beim Handabdruck geht es um die großen, strukturverändernden Hebel in unserem Leben, die das Verhalten von möglichst vielen Menschen beeinflussen", fasst Gabriel Baunach zusammen. "Beispiel: Ich allein kann zuhause weniger Fleisch essen. Wenn ich aber dafür sorge, dass in der Firmenkantine mehr vegane Gerichte angeboten werden, essen viel mehr Menschen weniger Fleisch. So vergrößere ich meinen Handabdruck und werde zum Multiplikator für klimafreundliches Verhalten." Und wir alle, so Baunach, hätten zuhauf Hebel für große Veränderungen in Reichweite.
red