Sie unterstützen mit großer Mehrheit Erneuerbare Energien zeigen sich beim Vertrauen in die Politik gespalten und sagen: "Der Klimawandel ist bereits heute spürbar." Dies sind zentrale Ergebnisse einer Befragung von Bürgerinnen und Bürgern zur Energie- und Klimapolitik in Deutschland, Frankreich, Großbritannien und Norwegen. Ergebnisse dieser ländervergleichenden Studie wurden heute in einer gemeinsamen Pressekonferenz des Zentrums für interdisziplinäre Risiko- und Innovationsforschung (ZIRIUS) der Universität Stuttgart, des Institute for Advanced Sustainability Studies (IASS) Potsdam und der Wissenschaftsplattform klimafakten.de vorgestellt.

In einer repräsentativen Befragung äußerten sich jeweils rund 1.000 Bürgerinnen und Bürger in Deutschland, Großbritannien, Norwegen und Frankreich zu den Themen Klimawandel und Energiepolitik. Politische Bedeutung gewinnen die Befunde insbesondere mit Blick auf den Wahlkalender: So stehen in Frankreich, Norwegen und Deutschland Präsidentschafts- bzw. Parlamentswahlen an. In Großbritannien führt der Brexit auch zu Unsicherheit in Bezug auf die künftige Klima- und Energiepolitik.

Überzeugt von der Existenz des Klimawandels,
aber nicht vom wissenschaftlichen Konsens dazu

Eine große Mehrheit der Deutschen (83 Prozent) geht davon aus, dass es einen Klimawandel gibt. Überraschend hoch allerdings ist in Deutschland im Vergleich zu den anderen untersuchten Ländern der Anteil derjenigen, die von der Existenz des Klimawandels nicht überzeugt sind: Mit 16 Prozent liegt dieser Wert deutlich höher als in Großbritannien (12 Prozent), Frankreich (sechs Prozent) und Norwegen (vier Prozent).

Mehr Menschen als in den drei anderen untersuchten Ländern meinen in Deutschland, den Klimawandel gebe es gar nicht; Abbildung: EPCC

Ein Grund dafür könnte sein, dass drei von vier Deutschen den Klimawandel in der Forschung für umstritten halten. Die Befragten sollten angeben, inwieweit sie davon ausgehen, dass sich die Klimawissenschaftler über den menschengemachten Klimawandel einig sind. Nur knapp jeder vierte Befragte (24 Prozent) gab dabei an, dass eine überwiegende Mehrheit der Klimaforscher darin übereinstimmt, dass es einen menschengemachten Klimawandel gibt. Tatsächlich stimmen dem aber rund 97 Prozent der Klimaforscher zu.

Trotz der Schwierigkeiten, den tatsächlichen Erkenntnisstand einzuschätzen: In allen vier Ländern ist der Klimawandel für die Bürgerinnen und Bürger bereits Realität. So stimmen jeweils 60 bis 61 % der Befragten der Aussage zu, dass die Folgen des Klimawandels bereits spürbar sind.

Energiepolitik: Hohe Zustimmung zu Erneuerbaren Energien,
Ablehnung von Kohle und Kernkraft

In der Befragung wurden die Bürgerinnen und Bürger auch zu ihren Einstellungen zu verschiedenen Energieträgern, ihrem Vertrauen in verschiedene Institutionen und ihren Wünschen an die staatliche Energiepolitik befragt. Auf große Zustimmung in allen vier Ländern treffen die Erneuerbaren Energien. Jeweils mehr als 70 Prozent der Bürger sehen Solarenergie, Wind- und Wasserkraft positiv. Auf geringe Zustimmung als Energieträger stoßen in Deutschland hingegen Öl, Kohle und Kernkraft, die nur 28 Prozent, 22 Prozent bzw. 14 Prozent positiv einschätzen.

Klare Präferenzen äußern die Bürgerinnen und Bürger auch bei ihren Erwartungen an die Energiepolitik. Deutlich sprechen sie sich dafür aus, den Verkauf energieverschwendender Haushaltsgeräte zu verbieten – in Deutschland unterstützen 61 Prozent der Befragten ein solches Verbot, 18 Prozent lehnen es ab. Wenn es um höhere Steuern auf fossile Energieträger wie Kohle, Öl und Gas geht, drehen sich die Mehrheitsverhältnisse allerdings um: 53 Prozent der Deutschen lehnen dies ab. Und auch eine Erhöhung der Strompreise wird von mehr als zwei Dritteln (67 Prozent) der Deutschen abgelehnt.

In Deutschland ist das Vertrauen in die Kommunen
bei der Umsetzung der Energiewende groß

Bei der Frage nach dem Vertrauen in wichtige Akteure auf dem Feld der Energiepolitik zeigen sich deutliche Unterschiede zwischen Deutschland und den drei anderen Ländern. So haben die Deutschen deutlich mehr Vertrauen in die Akteure der Energiepolitik als die Bürger Frankreichs, Großbritanniens oder Norwegens: Die EU-Kommission, die Regierung, die Kommunen und auch die Energieunternehmen genießen in Deutschland jeweils mehr Vertrauen als irgendeiner dieser Akteure in Frankreich, Großbritannien oder Norwegen. Absoluter Spitzenreiter in Sachen Vertrauen sind dabei die deutschen Städte und Gemeinden: Nur fünf Prozent der Deutschen haben "gar kein Vertrauen" in die Kommunen, wenn es um Energiepolitik geht.

Das Vertrauen in die verschiedenen Akteure der Energiewende ist in Deutschland durchweg höher als in den anderen untersuchten Ländern; Abbildung: EPCC

Die ländervergleichende Studie "Wahrnehmungen des Klimawandels und Energiepräferenzen in Europa (European Perceptions of Climate Change and Energy Preferences, EPCC)" wurde von der Universität Cardiff (Großbritannien; Projektleitung), dem Forschungszentrum ZIRIUS (Zentrum für interdisziplinäre Risiko- und Innovationsforschung) der Universität Stuttgart, dem Institut Symlog (Frankreich) und der Universität Bergen (Norwegen) durchgeführt und ausgewertet. Gefördert wurde die Studie mit Mitteln des Bundesministeriums für Bildung und Forschung im Rahmen der EU-Programminitiative "Connecting Climate Knowledge for Europe" (JPI Climate). Die repräsentative Befragung der jeweils rund 1.000 Bürgerinnen und Bürger in den vier Ländern fand im Juni 2016, unmittelbar vor dem Brexit-Votum, statt und wurde vom Meinungsforschungsinstitut Ipsos MORI durchgeführt.

"Unterstützung für Klimaschutz und Energiewende in Deutschland wie in den anderen einbezogenen Ländern auf breitem Fundament"

Ortwin Renn, Projektleiter zur Studie am Forschungszentrum ZIRIUS der Universität Stuttgart und Wissenschaftlicher Direktor am IASS erklärte anlässlich der Veröffentlichung der Ergebnisse: "Ermutigend ist, dass die große Mehrheit der befragten Europäer davon ausgehen, dass es den Klimawandel gibt und seine Folgen bereits heute konkret zu spüren sind. Die Unterstützung für Klimaschutzmaßnahmen und die Energiewende ruht in Deutschland ebenso wie in den anderen einbezogenen Ländern auf einem breiten Fundament. Allerdings hatten wir nicht erwartet, dass der Anteil derer, die den menschgemachten Klimawandel bezweifeln, in Deutschland so hoch ist. Das ist ein alarmierendes Zeichen. In Zeiten, in denen rechtspopulistische Bewegungen Zulauf erhalten, muss die Wissenschaft ihre Erkenntnisse daher verstärkt vermitteln und nachvollziehbar erklären. Das ist auch eine Voraussetzung für den Erfolg der Energiewende."

Annika Arnold, Projektbearbeiterin am Forschungszentrum ZIRIUS der Universität Stuttgart, sieht in den Daten eine Bestätigung für das positive Image der Erneuerbaren Energien: "Klimafreundliche Energie ist den Bürgerinnen und Bürgern in allen vier Ländern der Studie wichtig. Gleichzeitig wird aber vor allem in Deutschland auch die Atomkraft stark abgelehnt. Nuklearenergie als CO2-neutrale Energieerzeugungsart ist damit, insbesondere in Deutschland, politisch derzeit keine realistische Alternative zu fossilen Energieträgern."

Carel Mohn, Leiter des Portals klimafakten.de, sieht die Klimaforschung in der Pflicht, noch stärker den Austausch mit Bürgerinnen und Bürgern zu suchen. Bei der Einschätzung der Klimaforschung in der Bevölkerung zeige sich eine problematische Kluft: "Nur ein Viertel der Bevölkerung ist zutreffend darüber informiert, dass in der Wissenschaft über die zentralen Fragen des menschgemachten Klimawandels praktisch völliges Einvernehmen besteht – der Rest geht von einem Dissens aus, den es in Wirklichkeit überhaupt nicht gibt."

Bericht zur Studie als pdf-Datei zum Herunterladen:
http://orca.cf.ac.uk/98660/7/EPCC.pdf

Meldungen zur Studie finden Sie
auf dem Kurznachrichtendienst Twitter unter dem Stichwort #EPCC17