Klimawissenschaftler sehen sich immer wieder damit konfrontiert: Verschwörungstheorien und Falschinformationen scheinen sich zum Teil erfolgreicher zu verbreiten als gesicherte Fakten. Italienische und US-amerikanische Forscher um Michela Del Vicario vom IMT-Institute for Advanced Studies in Lucca haben nun den Mechanismus dahinter untersucht und ihr Ergebnis in der Fachzeitschrift Proceedings of the National Academy of Sciences (PNAS) präsentiert: Die Verbreitung von Falschinformationen in sozialen Netzwerken läuft demnach meist in sogenannten Echo-Kammern ab, also voneinander getrennten Gemeinschaften, die Weltsicht, Interessen und eine bestimmte Art der Informationen teilen. Unter dem Begriff "echo chamber" diskutieren vor allem US-amerikanische Sozialwissenschaftler das Phänomen einer Fragmentierung und Abkapselung ideologisierter Teilöffentlichkeiten bereits seit längerem.

Gegenstand der jetzt in PNAS veröffentlichten Untersuchung waren 67 öffentliche Facebook-Seiten; etwa die Hälfte davon widmete sich Verschwörungstheorien, die andere Hälfte Wissenschaftsnachrichten. Das Forscherteam analysierte sämtliche Posts der Jahre 2010 bis 2014 und die Reaktionen der Nutzer darauf. Dabei zeigten sich signifkante Unterschiede zwischen den Facebook-Gruppen: Eine Forschungsnachricht verbreite sich relativ schnell, aber nach einiger Zeit flaue das Interesse wieder ab, so die Forscher. Demgegenüber würden Verschwörungstheorien zu Beginn langsamer aufgenommen, ihr Verbreitungsgrad steige aber mit der Zeit immer weiter an.

Auffällig war, "dass Nutzer meist dazu tendieren, Inhalte bezogen auf eine bestimmte Erzählweise auszuwählen und zu teilen sowie den Rest zu ignorieren", heißt es in der Studie. Die Nutzergruppen seien sehr homogen, sie verstärkten ihre einseitige Wahrnehmung gegenseitig und grenzten sich dadurch immer weiter von anderen Gruppen ab. Gerüchte würden verstärkt kolportiert, Zweifel und Paranoia nähmen zu.

"Confirmation bias": Man beachtet vor allem solche Informationen, die die eigene Meinung bestätigen

"Der Antrieb für die Verbreitung von Falschinformationen liegt in der Bestätigung der eigenen Neigung", kommtentierte Walter Quattrociocchi vom IMT-Institute for Advanced Studies in Lucca, der ebenfalls an der Studie beteiligt war, die Studie gegenüber der Washington Post. Nutzer suchten nach Anzeichen und Beweisen, die bestätigen, was sie ohnehin bereits für wahr halten.

Einen ähnlichen Mechanismus hatte 2014 beispielsweise eine Studie zur Nutzung von Massenmedien aufgezeigt: Wer konservative Medien konsumiere, zweifle eher am menschengemachten Klimawandel – und konsumiere dann wiederum mehr konservative Medien. Die immergleiche Richtung in der Berichterstattung sei ein Schlüssel, um die Leser an ihre Blätter zu binden und die Fernsehzuschauer an ihre Sender, so das damalige Fazit. Als “confirmation bias” wird diese Bevorzugung bestätigender Informationen in der Fachsprache bezeichnet. Die aktuelle Studie hat ihn nun auch für die sozialen Netzwerke beschrieben.

bvb