Zusammenfassung:

Eine allgemeine Geschwindigkeitsbeschränkung für Pkw auf deutschen Autobahnen könnte einen deutlichen Beitrag zur Verringerung der CO₂-Emissionen im Verkehrssektor leisten. Verschiedene Untersuchungen beziffern die Einsparpotenziale unterschiedlich. Eine ausführliche Studie im Auftrag des Umweltbundesamtes schätzt, dass ein Tempolimit von 120 Stundenkilometern eine Senkung von bis zu 6,7 Millionen Tonnen CO₂ pro Jahr bewirken könnte. Das wären 4,6 Prozent der Jahresemissionen des deutschen Verkehrs. Ein Tempolimit hätte weitere Vorteile, etwa für Verkehrssicherheit und Luftqualität.

Kritiker und Gegner hingegen sehen es als unzulässige Freiheitseinschränkung. Sie nennen oft niedrigere Werte für den möglichen Klimanutzen, meist ohne wissenschaftliche Quellen.

 

Anderswo ist sie Standard, nur in Deutschland gibt es sie nicht: eine allgemeine Geschwindigkeitsbeschränkung für Personenwagen auf Autobahnen. Die Debatten darüber sind häufig gereizt, sie werden stark von persönlichen Werten beeinflusst – dies ist ein Feld, das außerhalb der Sphäre der Wissenschaft liegt. Doch kann die Forschung eine Reihe grundlegender Fakten klären: Wieso eigentlich würden die CO2-Emissionen im Verkehr durch ein Tempolimit sinken? Und wie stark genau? Was wären alternative Klimaschutzmaßnahmen im Verkehrssektor? Antworten dazu aus der Wissenschaft.

 

Die Bundesrepublik hat sich durch die Zustimmung zum Pariser Klimaabkommen von 2015 verpflichtet, die Emissionen an Treibhausgasen schnell und drastisch zu mindern. Das deutsche Klimaschutzgesetz – ursprünglich 2019 beschlossen und 2021 noch einmal konkretisiert und verstärkt – legt fest, dass das Land bis zum Jahr 2045 klimaneutral sein muss. Um dieses Ziel zu erreichen, müssen alle Bereiche ihre Emissionen senken.

Laut einer Untersuchung im Auftrag des Umweltbundesamtes von 2024, erarbeitet durch das Öko-Institut und das Züricher Beratungsunternehmen Infras, wird der Verkehrssektor „nach aktuellen Prognosen ohne weiteres politisches Handeln“ das Ziel nicht erreichen. Auch der Expertenrat für Klimafragen, der durch das Klimaschutzgesetz geschaffen wurde, hat mehrfach festgestellt, dass im Verkehrssektor bei den Emissionssenkungen deutlich zu wenig passiert.

Derzeit gibt es in Deutschland keine generelle Geschwindigkeitsbeschränkung auf Autobahnen. Dies wurde 1978 beschlossen, die historische Entwicklung hat der Deutsche Verkehrssicherheitsrat in einer Publikation zusammengefasst.

Laut einer Erhebung der Bundesanstalt für Straßenwesen von 2015 (aktuellere Daten liegen nicht vor) dürfen Personenwagen und Motorräder auf etwa 70 Prozent der zu diesem Zeitpunkt 25.767 Autobahnkilometer so schnell fahren, wie es die Verkehrslage und das eigene Fahrzeug zulassen. Dort gilt lediglich eine „Richtgeschwindigkeit“ (also eine Empfehlung) von 130 Stundenkilometern. Für Lastkraftwagen mit mehr als 3,5 Tonnen Gesamtgewicht und Pkw mit Anhänger schreibt Paragraph 3 der Straßenverkehrsordnung (StVO) auf allen Straßen und damit auch auf Autobahnen eine erlaubte Höchstgeschwindigkeit von 80 km/h vor.

Für rund 20 Prozent der Autobahnstrecken gibt es der Statistik zufolge bereits feste Geschwindigkeitsbeschränkungen. Auf rund fünf Prozent sind höchstens 130 Stundenkilometer erlaubt, und auf weiteren gut 15 Prozent der Strecken gelten Geschwindigkeitsbegrenzungen von 120 km/h oder niedriger. (Weitere zehn Prozent der Autobahnen verfügen über elektronische Anzeigen, die ein Tempolimit je nach Situation anzeigen können.)

Benzin und Diesel bestehen aus Kohlenwasserstoffen. Werden die beiden Kraftstoffe in einem Motor verbrannt, reagiert der enthaltene Kohlenstoff mit Sauerstoff zu Kohlenstoffdioxid (CO₂). Je schneller ein Fahrzeug fährt, desto mehr Kohlenwasserstoffe, also Benzin oder Diesel, werden verbraucht, damit genug Leistung zur Verfügung steht, um den Luftwiderstand zu überwinden. Dieser Widerstand steigt ungefähr quadratisch mit der Geschwindigkeit, das heißt: Mit jedem zusätzlichen Stundenkilometer steigt die Energieverbrauchskurve immer steiler an und damit (bei Verbrennerfahrzeugen) der Benzin- bzw. Dieselverbrauch und damit der CO2-Ausstoß.

Konkret bedeutet das beispielsweise: Ein Auto, das nicht 40 Stundenkilometer fährt, sondern 80 km/h, muss nicht den doppelten, sondern etwa den vierfachen Luftwiderstand überwinden. Ein Auto, das 140 Stundenkilometer fährt, muss circa das Doppelte an Antriebsleistung aufbringen wie ein Auto mit 100 km/h.

Eine Effizienzsteigerung von Motoren oder Verbesserungen an Fahrzeugteilen wie Karosserie oder Getriebe haben zwar ebenfalls einen Einfluss auf den Energieverbrauch. Allerdings ändert dies wenig bis nichts an dem grundsätzlichen und starken Anstieg durch eine höhere Geschwindigkeit.

Zu dieser Frage gibt es nur wenige begutachtete Studien in der wissenschaftlichen Literatur. Das dürfte daran liegen, dass Deutschland das einzige Industrieland der Welt ist, in dem kein Tempolimit auf Autobahnen gilt – dieses Thema ist deshalb für viele Forschende nicht relevant. Dennoch lassen sich aus vorliegenden Untersuchungen verlässliche Schlüsse ziehen.

Um sorgfältig abzuschätzen, wie stark eine generellen Geschwindkeitsbeschränkung auf Autobahnen den Treibhausgas-Ausstoß senken würde, sind viele Faktoren einzubeziehen. Neben dem direkten Einfluss eines langsameren Fahrens auf den CO2-Ausstoß eines Fahrzeugs (siehe Abschnitt 3), gibt es zahlreiche indirekte Effekte. So weisen Verkehrswissenschaftler beispielsweise darauf hin, dass es ohne Tempolimit auf den Autobahnen zu teils sehr großen Geschwindigkeitsunterschieden zwischen den einzelnen Autos kommt. Dies erhöht nicht nur die Unfallrisiken (siehe dazu Abschnitt 6), sondern es führt auch dazu, dass schnell fahrende Autos häufiger bremsen müssen. Bei der anschließenden Beschleunigung wird dann wiederum erhebliche Energie verbraucht, was zusätzliche CO2-Emissionen zur Folge hat. Diese und viele weitere indirekte Effekte eines Tempolimits können schon wegen der Vielzahl der Fahrzeuge auf deutschen Autobahnen nicht exakt gemessen werden; in der Forschung sind stattdessen (wie bei vielen anderen Themen auch) wohlbegründete Hochrechnungen und Modellierungen mit Computerprogrammen üblich.

Mehrere Untersuchungen haben in den vergangenen Jahren die Gesamteffekte eines Tempolimits zu bestimmen versucht. Im Folgenden behandeln wir die aktuellsten:

Umweltbundesamt 2023

An dieser Studie haben etliche Wissenschaftler aus mehreren Forschungs- und Beratungs-Einrichtungen mitgewirkt, vom Institut für Straßen- und Verkehrswesen der Universität Stuttgart, vom Institut für Straßen- und Verkehrswesen der Universität Graz und von PTV Transport Consult in Berlin. Im Auftrag des Umweltbundesamtes untersuchten sie nicht nur die direkten CO₂-Einsparungen durch ein Tempolimit, sondern bezogen auch indirekte Effekte ein, etwa dass Autoreisende bei einer generellen Geschwindigkeitsbegrenzung andere Routen fahren oder (weil ein Tempolimit eventuelle Zeitgewinne aufzehrt) auf andere Verkehrsmittel wie die Bahn umsteigen dürften.

Die 360 Seiten umfassende Studie hat zwei Szenarien detailliert analysiert. Ein Tempolimit von 120 Stundenkilometer auf Autobahnen in Szenario a, das in Szenario b durch ein zusätzliches Limit von 80 km/h auf Landstraßen ergänzt wird. In Szenario a käme es laut der Studie zu Einsparungen von 6,7 Millionen Tonnen CO₂-Äquivalenten pro Jahr, in Szenario b wären es 8,0 Millionen Tonnen. Das entspräche einer jährlichen Senkung der Treibhausgasemissionen im deutschen Verkehrssektor von 4,2 bzw. 5,1 Prozent (zum Vergleichsjahr 2018). Circa zwei Drittel der Einspareffekte ergeben sich direkt aus den geringeren Fahrgeschwindigkeiten; der Rest daraus, dass Menschen als Reaktion auf das Tempolimit weniger Auto fahren oder eher Landstraßen wählen würden.

FDP-Bundestagsfraktion 2023

Als Reaktion auf die Studie des Umweltbundesamtes gab die Bundestagsfraktion der FDP 2023 ein eigenes Gutachten in Auftrag. Es wurde von zwei Wirtschaftswissenschaftlern der Universität Speyer und der privaten Zeppelin Universität in Friedrichshafen erarbeitet und einige Wochen nach der UBA-Publikation veröffentlicht. Die 35-seitige Arbeit kommt zu dem Schluss, dass die Einsparpotenziale in der UBA-Studie um den Faktor 3,5 zu hoch angegeben würden; maximal 1,1 Millionen Tonnen CO₂-Äquivalente seien jährlich möglich. Die Autoren erklären in ihrem Gutachten , dass sie „kein Verkehrsplanungsmodell betreiben“, sie hätten stattdessen „die methodische Vorgehensweise einer Konsistenz- und Plausibilitätsprüfung“ unterzogen. Im Ergebnis konstatierten sie „schwerwiegende methodische Mängel“ der UBA-Studie und bezeichneten gewisse Schlüsse hinsichtlich Routenwahl und des Umstiegs auf andere Verkehrsmittel als „spekulativ“.

Einer der Autoren der kritisierten UBA-Studie, Markus Friedrich (Professor für Verkehrsplanung und Verkehrsleittechnik der Universität Stuttgart), wies in einem Zeitungsbeitrag die Ergebnisse des Gutachtens zurück. Einige der darin verwendeten Werte seien „schlicht falsch“, so würden auch Daten genutzt, die LKW beinhalten, „schon die Herleitung der von einem Tempolimit betroffenen Fahrleistungen ist nicht korrekt“. Er verteidigte die Methodik der UBA-Studie als „modern“ und „bereits etabliert“.

Agora Verkehrswende 2018

Im Jahr 2018 legte der Thinktank Agora Verkehrswende ein Papier mit zwölf Maßnahmen vor, durch die sich der CO₂-Ausstoß im deutschen Verkehrssektor reduzieren ließe. Erarbeitet wurde es vom Öko-Institut und der NGO International Council on Clean Transportation (ICCT). Eine der zwölf Maßnahmen war ein generelles Tempolimit auf Autobahnen.

Die Autoren erklärten: „[Treibhausgas]-Minderungen [infolge einer Geschwindigkeitsbegrenzung] können bewirkt werden durch a) unmittelbare Reduktion des Energieverbrauchs der Pkw auf Autobahnen, b) die Verlagerung von Verkehr durch veränderte Reisegeschwindigkeiten, c) die mittel- bis langfristige Wirkung auf Motorisierung, Design und Gewicht von Neufahrzeugen.“ Sie führten offenbar keine eigenen Modellierungen oder detaillierten Analysen durch, sondern schätzten auf Basis früherer Publikationen die Wirkung. Die direkte Minderung durch geringere Geschwindigkeit betrage bei einem Tempolimit von 130 Stundenkilometern etwa eine Million Tonnen pro Jahr, bei 120 km/h sei es doppelt so viel. Würden indirekte Effekte einer Geschwindigkeitsbeschränkung berücksichtigt, so diese Publikation, könnte ein Tempolimit von 130 Stundenkilometern etwa zwei Millionen Tonnen pro Jahr einsparen, bei 120 km/h ca. 3,5 Millionen Tonnen.

Transparenzhinweis: Die Agora Verkehrswende wird teils von denselben Stiftungen getragen und gefördert, die auch Klimafakten finanzieren.

Für schwerere Lastkraftwagen mit einem Gesamtgewicht über 3,5 Tonnen gilt laut StVO eine generelle  Höchstgeschwindigkeit von 80 Stundenkilometer. Allerdings hat für Österreich eine Untersuchung der Arbeiterkammer Wien 2024 festgestellt, dass sich mehr als 90 Prozent der Lkw auf Autobahnen nicht an die dortige Begrenzung (ebenfalls 80 km/h) halten. Würde die Vorgabe befolgt, könnten der Untersuchung zufolge in Österreich jedes Jahr rund 200.000 Tonnen CO₂ eingespart werden. Im viel größeren Deutschland ergäbe sich ein entsprechend höheres Einsparpotenzial, wenn man auch hier annähme, dass mehr als 90 Prozent der Lkw zu schnell fahren.

Wie bei vielen Klimaschutzmaßnahmen gäbe es auch bei Einführung eines allgemeinen Tempolimits auf Autobahnen positive Wirkungen in anderen Bereichen. In der Wissenschaft wird hier von „Co-Benefits“ gesprochen. Im Folgenden seien nur zwei ausgeführt (andere gelegentlich genannte Vorteile wie ein flüssigerer Verkehr infolge von Tempolimits oder eine geringere Abhängigkeit Deutschlands von fossilen Energieimporten sind weniger gut oder nicht durch begutachtete Forschungsliteratur belegt):

Verkehrssicherheit

Wissenschaftlich gesichert kann man sagen, dass Tempolimits zu weniger bzw. weniger schweren Verkehrsunfällen führen. Das ergab unter anderem eine Untersuchung im Auftrag des Landesbetriebs Straßenwesen in Brandenburg für die A24. Dort wurde Anfang 2003 auf einem 62 Kilometer langen Abschnitt zwischen den Dreiecken Havelland und Wittstock/Dosse wegen hoher Unfallzahlen ein Tempolimit von 130 Stundenkilometer eingeführt – die Untersuchung verglich die Situation in den drei Jahren vor Einführung mit den drei Jahren danach. Ergebnis:

„Es ist deutlich zu erkennen, dass sich vor der angeordneten Geschwindigkeitsbegrenzung sehr viel mehr Unfälle mit Personenschaden und schwerwiegendem Sachschaden ereigneten gegenüber dem Zeitraum nach der Einführung der Begrenzung auf 130 km/h. Die Zahl der Unfälle [mit Schwerverletzten] halbierte sich von 654 Unfällen/3 Jahre auf 337 Unfälle/3 Jahre nach Einführung der Geschwindigkeitsbegrenzung (minus 48 Prozent). Die Zahl der Verunglückten sank deutlich von 838 auf 362 Verunglückte in drei Jahren (minus 57 Prozent).“

Wissenschaftliche Publikationen aus dem Ausland kommen zu ähnlichen Ergebnissen: Wo langsamer gefahren wird, ist die Verkehrssicherheit höher (siehe zum Beispiel Abohassan et al. 2024; Benthem 2015; Castillo-Manzano et al. 2019; Farmer 2019; Gupta et al. 2022; Wagenaar et al. 1990). Eine Meta-Studie fand keinen engen Zusammenhang von höheren Geschwindigkeiten zur Zahl von Unfällen, wohl aber zu deren Schwere (Wilmot & Khanal 2010). Das Statistische Bundesamt stellte 2020 fest, dass für fast die Hälfte der Verkehrstoten auf deutschen Autobahnen „nicht angepasste Geschwindigkeit … mitverantwortlich“ sei.

Der Deutsche Verkehrssicherheitsrat (DVR) forderte 2020 ein generelles Tempolimit auf Autobahnen. Zu den Mitgliedern gehören unter anderem die für Verkehr zuständigen Ministerien von Bund und Ländern, kommunale Spitzenverbände, Berufsgenossenschaften und Unfallkassen, Verbände wie die Deutsche Verkehrswacht, der Bundeselternrat oder Fahrrad- und Automobilclubs, außerdem Wirtschaftsverbände, Automobilhersteller und Versicherer sowie Gewerkschaften (etwa der Polizei) und zahlreiche weitere Institutionen und Organisationen. In einer DVR-Publikation hat 2018 ein Autorenteam aus Wissenschaft und Verbänden die Ergebnisse deutscher und internationaler Untersuchungen zu verschiedenen Wirkungen eines Tempolimits (vor allem mit Bezug zur Verkehrssicherheit) zusammengetragen.

Luftqualität und Gesundheit

Tempolimits verringern nicht nur die Emissionen von Treibhausgasen. Auch bei anderen gesundheitsschädlichen Stoffen wie Stickoxiden oder Feinstaub geht der Ausstoß zurück, wenn auf Autobahnen generell langsamer gefahren wird.  Das Umweltbundesamt schreibt dazu:

„Bei einem Tempolimit von 120 km/h würden auf Autobahnen die NOx-Emissionen von Pkw und leichten Nutzfahrzeugen um 28 Prozent, die für Feinstaub um ca. 24 Prozent verringert werden.“

Auch andere Untersuchungen zeigen, dass bei niedrigeren Geschwindigkeiten die Emissionen von Luftschadstoffen pro gefahrenem Kilometer geringer sind, was insbesondere für Anwohner in der Nähe von Autobahnen deutliche Gesundheitsvorteile bringt (Benthem 2015; Dijkema et al. 2008; Texcalac-Sangrador et al. 2024).

Wissenschaftler der Universität Passau und der Hertie School in Berlin haben den Stand des Wissens in einem Aufsatz für das Fachjournal Perspektiven der Wirtschaftspoltik zusammengetragen – und erläutern dabei auch Lücken und Grenzen bei Datenverfügbarkeit und Berechnungsmethoden (Bauernschuster/Traxler 2021). Sie formulieren vorsichtig ihr – dennoch deutliches – Ergebnis,

„… dass ein Tempolimit 130 die Anzahl der Getöteten, Schwer- und Leichtverletzten erheblich reduzieren könnte. Gleichzeitig kann man von einem Rückgang der Emissionen von Kohlendioxid, Stickstoffoxid, Kohlenmonoxid und Feinstaub (und, unter Umständen, auch Lärm) ausgehen“.

Gegner einer generellen Geschwindigkeitsbeschränkung auf Autobahnen verwenden häufig Argumente, die nicht wissenschaftlich überprüfbar sind. Ob man zum Beispiel ein Tempolimit als unzumutbare Freiheitseinschränkung empfindet, ist eine individuelle Werteentscheidung.

Häufig wird auch darauf verwiesen, dass schon heute auf vielen gefährlichen oder vielbefahrenen Autobahn-Abschnitten verschiedene Geschwindigkeitsbeschränkungen gelten. Oder dass auf Autobahnen weniger Unfälle passieren als auf Bundesstraßen oder im Ausland und deshalb die deutschen Autobahnen bereits sicher seien. Solche Aussagen mögen bei den zugrundeliegenden Daten korrekt sein – aber es wäre ein logischer Fehlschluss, daraus abzuleiten, dass ein allgemeines Tempolimit auf Autobahnen diese nicht noch sicherer machen würde.

Ein weiteres Argument lautet, der Klimaeffekt eines Tempolimits sei nur gering. Dabei werden von mehreren existierenden Schätzungen (siehe Abschnitt 4) oft die niedrigeren verwendet. Häufig werden auch die möglichen Emissionsminderungen in Relation zum gesamten Ausstoß an Treibhausgasen in Deutschland gesetzt, das Ergebnis ist ein Wert von unter einem Prozent. Wegen der Vielzahl von Emissionsquellen (in Deutschland oder auch weltweit) ergeben solche Überschlagsrechnungen für fast alle Quellen von Treibhausgasen nur einen geringen Anteil an der Gesamtmenge. Es gibt deshalb keine einzige Einzelmaßnahme, die für sich genommen die Emissionen stark senken kann – große Emissionssenkungen bestehen immer aus vielen Einzelmaßnahmen (siehe zum Thema auch unseren Faktencheck zur Aussage: „Deutschland verursacht nur rund zwei Prozent des weltweiten CO2-Ausstoßes…“) Letztlich handelt es sich aber auch hier wieder um eine individuelle Bewertung, ob man eine Menge für „gering“ hält oder nicht.

Nicht zuletzt argumentieren Gegner eines allgemeinen Tempolimits oft mit ökonomischen Kosten, die daraus resultieren würden. Häufig zitiert wird hierbei ein „Policy Brief“ des Kieler Instituts für Weltwirtschaft (IfW) von 2020. Es ergab „Wohlfahrtsverluste“ von (je nach Höhe des Tempolimits) knapp einer bis knapp sieben Milliarden Euro pro Jahr. Allerdings ist dieses Papier keine peer-reviewte Studie, sie wurde also nicht in einer wissenschaftlichen Fachzeitschrift veröffentlicht, wo Publikationen zuvor von Fachkollegen begutachtet werden. Das IfW-Papier berücksichtigte jedenfalls in einer relativ einfachen Berechnung nur wenige Faktoren (vor allem den Zeitverlust durch langsameres Fahren, dieser wurde multipliziert mit dem durchschnittlichen Stundenlohn für eine Arbeitsstunde und davon abgezogen der Wert des eingesparten Benzins und ein Wert für schätzungsweise vermiedene Verkehrstote).

Demgegenüber kam eine fachbegutachtete Studie in einer wissenschaftlichen Zeitschrift zum gegenteiligen Ergebnis: Sie betrachtete mehr Faktoren als die IfW-Analyse, zum Beispiel auch die gesellschaftlichen Kosten von Kohlendioxid-Emissionen und Luftschadstoffen. Diese Studie ergab keine Wohlstandsverluste, sondern sogar Wohlstandsgewinne von knapp einer Milliarde Euro pro Jahr durch ein Tempolimit von 130 Stundenkilometer (Gössling et al. 2023). Auch die in Abschnitt 6 erwähnte Brandenburger Untersuchung zur Einführung eines Tempolimits auf einem Teil der A24 hat eine ökonomische Betrachtung vorgenommen und dabei eine größere Zahl von Faktoren berücksichtigt. Bei einer Geschwindigkeitsbeschränkung von 120 Stundenkilometer ergaben sich dabei leichte gesamtwirtschaftliche Verluste, bei einem Limit von 130 km/h aber ökonomische Vorteile. Das Fazit:

„Aus den Ergebnissen der Untersuchung geht hervor, dass bei einer angeordneten Geschwindigkeitsbegrenzung für Pkw von 130 km/h auf den vorhandenen unbegrenzten Streckenabschnitten ein Nutzen für die Allgemeinheit entsteht.“

Auch die ebenfalls bereits erwähnte Arbeit zweier Wissenschaftler aus Berlin und Passau moniert an dem IfW-Paper mehrere methodische Punkt und kommt zu dem Fazit:

„Vieles spricht dafür, dass der Nutzen eines Tempolimits die möglichen Kosten übersteigt. Die Autoren rufen zu einer Stärkung der evidenzbasierten Verkehrspolitik auf.“ (Bauernschuster/Traxler 2021)

Ja, zahlreiche. Das Umweltbundesamt hat – in Reaktion auf bislang ausbleibende oder nur geringe Emissionsminderungen im Transportsektor – „acht Bausteine für ambitionierten Klimaschutz im Verkehr“ formuliert. Dazu gehören unter anderem eine Reform der Kfz-Besteuerung, der Abbau klimaschädlicher Subventionen, eine Förderung des Schienen-, Fahrrad- und Fußgängerverkehrs sowie eine höhere Bepreisung von CO2-Emissionen. In der folgenden Grafik sind Auswirkungen der Bausteine auf den Ausstoß von Treibhausgasen zusammengefasst – gemeinsam mit anderen Geschwindigkeitsbeschränkungen wie Tempo 30 in Städten und Tempo 80 auf Landstraßen könnte demnach ein Tempolimit von 120 Stundenkilometer auf Autobahnen bis Ende des Jahrzehnts etwa so viel an Emissionsminderungen erbringen wie eine konsequente Förderung von Elektro-Autos:

Abbildung 1: Wirkung verschiedener Maßnahmenpakete auf den Ausstoß von Treibhausgasen im deutschen Verkehrssektor. Bei den Zahlen sind die Effekte der Einzelmaßnahmen in jedem Paket über die Jahre 2024 bis 2030 aufsummiert; Quelle: UBA 2024

Der IPCC betrachtet in seinem Sechsten Sachstandsbericht ebenfalls eine Vielzahl möglicher Klimaschutz-Maßnahmen im Transportbereich (Geschwindigkeitsbeschränkungen auf Autobahnen werden dort nicht erwähnt, wohl weil sie fast überall auf der Welt Standard sind und deshalb peer-reviewte Forschungsarbeiten dazu fehlen). Um die Klimaziele im Verkehr zu erreichen, schreibt der IPCC, sei eine weitreichende „Transformation“ des Sektors erforderlich, dazu gehören Maßnahmen auf der Angebots- wie der Nachfrageseite (IPCC 2023, AR6, WG3, Kapitel 10, Executive Summary).

Auf der Angebotsseite (also bei den Verkehrsmitteln) hebt der IPCC bei Pkw die Elektromobilität besonders hervor:

„Batterie-elektrische Fahrzeuge haben – über den gesamten Lebenszyklus betrachtet – geringere Treibhausgas-Emissionen als Fahrzeuge mit Verbrennermotoren, sofern sie mit kohlenstoffarmer Elektrizität geladen werden. … Elektromobilität … hat das Potenzial, die Transportemissionen schnell zu mindern und bringt für die wachsenden Metropolen der Entwicklungsländer zahlreiche positive Nebeneffekte.“

(Zu E-Autos erscheint demnächst ein detaillierter F&A-Artikel, einige Informationen finden sich bereits jetzt in diesem Text zur Ressourcen- und Energieeffizienz von Klimaschutztechnologien.)

Über Maßnahmen auf der Nachfrageseite (also bei Verbrauchern oder auch der Infrastruktur) heißt es zum Beispiel:

„In Städten kann durch eine Kombination von kompakterer Flächennutzung und die Entwicklung einer weniger auto-abhängigen Infrastruktur der transportbedingte Treibstoffverbrauch um etwa 25 Prozent gesenkt werden. Angemessene Infrastrukturen, etwa geschützte Fußgänger- oder Fahrradwege, können einen stärker ortsbezogenen, aktiven Verkehr fördern. Anreize zur Nachfragesteuerung dürften notwendig sein, um diese systemischen Veränderungen [im Verkehrssektor] zu erreichen.“

Grob zusammengefasst in ganz einfachen Worten

Ein allgemeines Tempolimit auf Autobahnen könnte den CO2-Ausstoß im Verkehrssektor kurzfristig und merklich senken. Es hätte zudem weitere positive Folgen, etwa für Verkehrssicherheit und Luftqualität. Viel spricht dafür, dass die ökonomischen Vorteile eines Tempolimits größer sind als die Kosten. Kritiker hingegen zweifeln Studien über den Nutzen an und meinen, die mit einem Tempolimit verbundenen Freiheitseinschränkungen seien zu groß. Letzteres ist jedoch eine Frage, die wissenschaftlich nicht entscheidbar ist, sondern bei der individuelle Werte und Präferenzen ausschlaggebend sind.

Rico Grimm/Klimafakten
zuletzt aktualisiert: September 2024