Zusammenfassung:
Der Flugverkehr ist die klimaschädlichste Art der Fortbewegung. Ein Durchschnittsbürger verursacht einen Großteil seiner Treibhausgas-Emissionen durchs Fliegen – andererseits gilt es manchen Menschen als unverzichtbar für Dienstreisen oder Urlaube. Um Klimaneutralität zu erreichen, müssen aber alle Emissionen möglichst auf Null reduziert werden; kann das im Flugsektor überhaupt gelingen? Welche Lösungsansätze gibt es bereits, und wie weit in der Entwicklung sind sie? Welche Ideen gibt es neben technischen Optionen, um die Emissionen im Flugsektor zu reduzieren? Antworten dazu aus der Wissenschaft.
Auf der einen Seite tragen Flugzeuge zur Klimaerwärmung bei, weil sie Kerosin verbrennen, einen mit fossilem Erdöl hergestellten Treibstoff. Dabei entsteht Kohlendioxid – pro verbranntem Kilogramm Flugbenzin etwa 3,16 Kilogramm CO2. Daneben verursachen Flugzeuge noch weitere Emissionen, die ebenfalls das Klima aufheizen: Wasserdampf, Ruß, Schwefeldioxid und Stickoxide (IPCC 2022, AR6 WG3, Kapitel 10.5, S. 1086). Fliegen mit Verbrennungsmotoren und insbesondere mit Düsenjets verursacht also neben den Folgen des Kohlendioxids noch weitere Erwärmung.
Die verschiedenen Stoffe aus den Flugzeug-Abgasen haben in der Atmosphäre unterschiedliche Wirkungen, teils sehr indirekte: Die Stickoxide zum Beispiel bilden in der Atmosphäre kurzfristig Ozon, das erwärmend wirkt; zugleich zersetzen sie zum Beispiel das Treibhausgas Methan, wodurch sich eine leicht abkühlende Wirkung fürs Klima ergibt. Die letztere Wirkung ist aber geringer als die erstere, weshalb Stickoxide in der Bilanz zur Erwärmung der Atmosphäre beitragen. Ruß und Wasserdampf können (abhängig unter anderem von Temperatur und Luftfeuchte in der jeweiligen Atmosphärenschicht) dafür sorgen, dass sich Kondensstreifen bilden und unter Umständen Zirrus-Wolken. Diese verstärken ebenfalls den natürlichen Treibhauseffekt und heizen das Klima weiter auf (Kärcher 2018). Schwefel-Aerosole wiederum haben eine leicht kühlende Wirkung, weil durch sie mehr Sonnenstrahlung aus der Atmosphäre zurückreflektiert wird ins All.
Erwärmungsprozesse, die nicht mit dem ausgestoßenen Kohlendioxid zusammenhängen, machen insgesamt circa zwei Drittel der gesamten Klimaeffekte von Flügen aus (Lee et al. 2021). Anders formuliert: Die Klimawirkung der Luftfahrt ist etwa dreimal so hoch wie die reine CO2-Wirkung. Lediglich das Kohlendioxid zu beseitigen, reicht bei der Luftfahrt also nicht aus. Andererseits ist die Wirkung von Kondensstreifen, Stickoxiden oder Ruß eine relativ kurzfristige, das CO2 aus dem verbrannten Kerosin jedoch reichert sich über viele Jahrhunderte in der Atmosphäre an (IPCC 2022, AR6 WG3, Kapitel 10.5, S. 1086f.).
Der Verkehrssektor hat im Jahr 2022 fast acht Milliarden Tonnen Kohlendioxid verursacht, das entspricht etwa einem Fünftel der globalen CO2-Emissionen. Von diesen Transport-Emissionen stammen rund 75 Prozent aus dem Straßenverkehr, etwa zehn Prozent aus der Luftfahrt, der Rest größtenteils von Schiffen (IEA 2023, Liu et al. 2023). Setzt man die CO2-Emissionen des Fliegens in Relation zum gesamten menschengemachten Ausstoß an Treibhausgasen, macht der Flugverkehr rund 2,5 Prozent aus. Allerdings setzen Flugzeuge neben Kohlendioxid – wie in Abschnitt 1 erklärt – weitere Klima-Schadstoffe frei, der Anteil des Flugverkehrs am menschengemachten Klimawandel liegt deshalb höher (aber nicht beim Dreifachen, weil in die Gesamtbetrachtung auch andere Treibhausgas-Emissionen wie Methan oder Lachgas einfließen und auch Faktoren wie die menschengemachte Entwaldung). Die Forschung beziffert den Beitrag des Fliegens zu den menschengemachten Klimaveränderungen mit rund vier Prozent (Klöwer et al. 2021).
Zwischen 2010 und 2019 sind die CO2-Emissionen aus dem internationalen Flugverkehr schneller gestiegen als die aller anderen Sektoren, um 3,4 Prozent pro Jahr. Die Lockdowns und Einbrüche der Wirtschaft im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie haben alle Transport-Sektoren betroffen, am stärksten aber das Fliegen; 2020 sackten die Emissionen aus dem internationalen Luftverkehr um 45 Prozent ab (IPCC 2022, AR6, Band 3, Kapitel 10.1.2). Danach stiegen sie aber schnell wieder, laut Daten der Internationalen Energieagentur lagen bereits die Flugemissionen von 2022 wieder bei 80 Prozent der Vor-Pandemie-Werte (IEA 2024).
Verursacht werden diese Emissionen durch relativ wenige Menschen. Eine Studie ermittelte beispielhaft für das Jahr 2018, dass in jenem Jahr lediglich elf Prozent der Weltbevölkerung ein Flugzeug bestiegen haben. Bei Auslandsflügen, die am meisten Emissionen verursachen, waren es zwei bis vier Prozent. Für die Hälfte aller Emissionen aus dem Flugverkehr war sogar nur ein Prozent der Weltbevölkerung verantwortlich (Goessling/Humpe 2020).
Der deutsche Flugverkehr hat 2023 laut Daten der OECD rund 24 Millionen Tonnen Kohlendioxid verursacht, in der Schweiz waren es in jenem Jahr rund fünf Millionen Tonnen, in Österreich etwa vier Millionen Tonnen. (Diese OECD-Statistik berücksichtigt inländische und internationale Flüge gleichermaßen, sofern sie von Unternehmen durchgeführt werden, die im jeweiligen Land ansässig sind.) Bei den offiziellen Klimabilanzen der Staaten zählen Emissionen von Auslandsflügen jedoch nicht mit, weil sie strenggenommen nicht auf dem Boden des jeweiligen Landes anfallen. Der internationale Flugverkehr wird auch generell nicht von Vereinbarungen wie dem Pariser Klima-Abkommen abgedeckt, für ihn ist eine eigene UN-Agentur zuständig, die International Civil Aviation Organization (ICAO). Es gibt aber Ideen, wie internationale Flüge anders reguliert werden könnten – siehe dazu Abschnitt 6.
Die Luftfahrt gilt als besonders schwer zu dekarbonisieren und steht deshalb in Sachen Klima vor besonders großen Herausforderungen. Denn einerseits wird der Flugverkehr voraussichtlich weiter stark wachsen, je nach Prognose zwischen 60 und 220 Prozent bis 2050 (IPCC 2022, AR6, Band 3, Kapitel 10.8, Box 10.5, S. 1115). Anderseits kommen Sektoren wie die Energiewirtschaft wegen des rasanten Wachstums von Sonnen- und Windenergie vergleichsweise schnell voran beim Klimaschutz. Ohne wirksame Veränderungen würde deshalb der Flugverkehr in den kommenden Jahrzehnten einen immer größer werdenden Anteil an den gesamten Treibhausgas-Emissionen ausmachen.
Beim Schienenverkehr sind Elektro-Antriebe eine lange bewährte Technologie, im Straßenverkehr gelten sie als eine zentrale Strategie bei der Abkehr von fossilen Treibstoffen. Im Luftverkehr jedoch werden E-Antriebe bislang nur für kurze Strecken diskutiert (in der Fachwelt gelten Distanzen unter 1.000 bis 1.500 Kilometer als Kurzstrecke bzw. short-haul flight), und auch nur für Flugzeuge mit bis zu 50 Passagieren. Solche Flüge machen allerdings nur einen kleinen Teil des Luftverkehrs aus, aktuell fallen weniger als zwölf Prozent der dortigen CO2-Emissionen in diese Kategorie (IPCC 2022, AR6, Band 3, Kapitel 10.5, S. 1087).
Es gibt noch einige Hürden in der Entwicklung elektrisch betriebener Flugzeuge, etwa in der Batterietechnik und anderen elektrischen Komponenten oder im Material, das extrem leicht sein müsste. Auf der anderen Seite hätten rein elektrische Flugzeuge echte Vorteile gegenüber anderen Lösungen: Während klimafreundlichere Kraftstoffe immer noch CO2, Stickoxide und Wasserdampf in die Atmosphäre einbringen (die für einen erheblichen Teil der Klimawirkung des Fliegens verantwortlich sind – siehe Abschnitt 1), wäre das bei elektrischen Flugzeugen nicht der Fall (Sahoo et al. 2020).
Letztlich sind die Einschränkungen durch die kleine Passagierzahl und die kurzen Strecken aber zu groß, als dass E-Antriebe eine massentaugliche Lösung für entscheidende Anteile des Luftverkehrs darstellen würden. Hinzu kommt, dass für kürzere Strecken in Zukunft eher Hochgeschwindigkeitszüge als Flugzeuge eingesetzt werden sollten, auch weil sie pro Passagier und Kilometer weniger Energie für den Transport verbrauchen (siehe dazu Abschnitt 6).
Seit langem bemühen sich die Wissenschaft wie auch Unternehmen aus der Luftfahrt- wie der Erdöl-Branche, Alternativen zu fossilem Kerosin zu entwickeln. Ein Ansatz sind sogenannte Biokraftstoffe (engl.: biofuels), die aus Biomasse hergestellt werden, beispielsweise aus Pflanzen, Ölen, Ernteabfällen. Diese Treibstoffe werden auch SAF genannt, das Kürzel steht für Sustainable Aviation Fuels, auf Deutsch: „nachhaltige Flugkraftstoffe“ (IPCC 2022, AR6, Band 3, Kapitel 10.3, S. 1066f).
Einer Lebenszyklusanalyse zufolge könnten Biokraftstoffe die Treibhausgas-Emissionen im Flugverkehr je nach Szenario um zwei bis 70 Prozent reduzieren (Staples et al. 2018). Eine große Hürde dabei ist momentan allerdings der Preis: Biokraftstoffe sind ungefähr drei Mal so teuer wie Kerosin, deshalb lohnt es sich finanziell bisher nicht, sie einzusetzen. Der IPCC schreibt dazu:
„Damit SAF wirtschaftlich wettbewerbsfähig werden, sind große Anpassungen bei den Preisen fossiler Treibstoffe erforderlich oder das Erlassen politischer Vorgaben.“ (IPCC 2022, AR6, Band 3, Kapitel 10.5, S. 1088)
Konkret hieße dies, dass etwa durch höhere Steuern oder Abgaben konventionelles Kerosin teurer würde, alternativ könnte durch Gesetze oder andere Vorschriften der Einsatz klimafreundlicher Treibstoffe vorgeschrieben werden. Den letzteren Weg ist übrigens die EU mit einer Regelung von 2023 gegangen, derzufolge Kerosinlieferanten in der Europäischen Union ihrem Treibstoff zunehmende Anteile von SAF beimischen müssen: von zwei Prozent im Jahr 2025 zunehmend auf 70 Prozent 2050.
Bei den Biokraftstoffen muss grundsätzlich unterschieden werden zwischen solchen der sogenannten ersten Generation, die direkt aus Nahrungspflanzen oder auch tierischen Fetten hergestellt wurden, und fortgeschritteneren Biokraftstoffen (Cavelius et al. 2023). Kraftstoffe der ersten Generation (für die etwa Zucker aus Zuckerrohr oder Öl aus Raps verarbeitet wird) haben nur ein sehr begrenztes Potenzial, der Ertrag pro Hektar verwendeter Ackerfläche ist relativ gering – es würden deshalb riesige Flächen gebraucht, um genügend große Mengen zu produzieren. Sie lassen sich zwar in einigen Bereichen einsetzen, werden aber den Flugverkehr nicht signifikant nachhaltiger machen (IPCC 2022, AR6, Band 3, Kapitel 6.4.2.6).
Die sogenannten Biokraftstoffe der zweiten Generation können auch andere Formen von Biomasse nutzbar machen, etwa Ernteabfälle. Daraus werden mit Technologien wie dem Fischer-Tropsch-Verfahren, der Vergasung, der hydrothermalen Verflüssigung oder der Pyrolyse Treibstoffe mit so hoher Energiedichte produziert, dass sie im Flugverkehr eingesetzt werden könnten. Aktuell ist die Entwicklung dieser fortgeschrittenen Biokraftstoffe aber noch in der Pilotphase, und die Produkte sind zu teuer, um auf dem freien Markt eine Chance zu haben. Das Bioenergieprogramm der IEA geht davon aus, dass die weitere technologische Entwicklung die Preise in Zukunft halbieren wird.
Der Flächenverbrauch ist für Biokraftstoffe beider Generationen ein kritischer Punkt. Ein Anbau von Energiepflanzen konkurriert mit der Nutzung der Ackerflächen zur Nahrungsproduktion, außerdem werden erhebliche Mengen Wasser verbraucht, teilweise wird Wald abgeholzt und der Artenschutz in Mitleidenschaft gezogen. Der IPCC gesteht Biokraftstoffen zwar ein hohes Potenzial zu und nennt explizit den Flugverkehr, ausführlich widmet er sich im betreffenden Kapitel des Sechsten Sachstandsbericht aber auch den Nachhaltigkeitsproblemen. Insgesamt kommt er zu einer zurückhaltenden Bewertung:
„Während traditionelle Biomasse [gemeint ist zum Beispiel Holz zum Heizen und Kochen] und Biokraftstoffe der ersten Generation heute breit genutzt werden, ist die Technologie für die großmaßstäbliche Produktion mit fortgeschrittenen Verfahren nicht konkurrenzfähig, und der Anbau spezieller Bioenergie-Pflanzen wirft eine Reihe von Nachhaltigkeitsfragen auf. Welche Rolle sie auf lange Sicht in CO2-armen Energiesystemen spielen, ist deshalb ungewiss.“ (IPCC 2022, AR6, Band 3, Kapitel 6.4.2.6)
Aus dem Blickwinkel der Nachhaltigkeit wäre es sinnvoller, Biokraftstoffe aus landwirtschaftlichen Abfällen oder Speiseresten (etwa von Koch-Öl) herzustellen. Aber auch hier mangelt es noch an Forschung, und die verfügbaren Mengen wären ebenfalls begrenzt. Zudem werden beispielsweise gebrauchte Speiseöle bereits heute anderweitig sinnvoll genutzt, etwa zur Futtermittelproduktion. (Wissenschaftliche Quellen zu verfügbaren Mengen fehlen, laut der Umweltorganisation Transport & Environment verbraucht Europa bereits heute etwa achtmal so viel gebrauchte Speiseöle wie hier gesammelt werden, weshalb Importe China, Indonesien und Malaysia zunähmen, bei denen Betrugsanfälligkeit hoch sei.)
Die Internationale Energieagentur (IEA) hat für ihren Report Energy Technology Perspectives 2020 ein mögliches Szenario für eine nachhaltige Entwicklung des Flugverkehrs entworfen, in dem auch Biokraftstoffe eine entscheidende Rolle spielen. Die in diesem Szenario notwendigen Mengen wären jedoch gewaltig: 2070 würden allein für den Flugverkehr mehr als doppelt so viele Biokraftstoffe gebraucht, wie bislang (Vergleichsjahr 2019) weltweit für den gesamten Straßenverkehr zum Einsatz kommen (IEA 2020).
Insgesamt bieten fortgeschrittene Biokraftstoffe also durchaus einige Chancen, den Flugverkehr emissionsärmer zu gestalten. Ihr Vorteil ist, dass sie in konventionellen Flugzeugen eingesetzt werden können und dabei deutlich weniger CO2 verursachen als fossiles Kerosin. Das Problem der Nicht-CO2-Emissionen, also zwei Drittel der Klimawirkung des Fliegens (siehe Abschnitt 1), bleibt allerdings grundsätzlich bestehen, solange Flugzeugantriebe auf Verbrennungsprozessen basieren.
CO2-ärmere Kraftstoffe können nicht nur aus Biomasse hergestellt werden, sondern auch synthetisch unter Verwendung von Wasserstoff. Dieser müsste kohlenstoff-arm hergestellt werden, zum Beispiel aus Erneuerbaren Energien, damit der Kraftstoff am Ende wirklich klimaschonend ist. In mehreren Verfahrensschritten und unter Verwendung von Kohlendioxid (das im Idealfall mittels Direct Air Capture aus der Luft gewonnen wird) lassen sich aus Wasserstoff flüssige Kohlenwasserstoffe erzeugen, die wiederum zur Herstellung von synthetischen Kraftstoffen genutzt werden können (IPCC 2022, AR6 WG3, Kapitel 10.3, S. 1068). Wasserstoff dient in diesem Fall also als Teil in der Produktionskette für synthetische Kraftstoffe, die unter dem Begriff E-Fuels zusammengefasst werden.
Für weitere Details siehe
unsere separaten F&A-Texte zu Wasserstoff, zu E-Fuels
und zu Direct Air Capture (DAC).
Solche synthetischen Treibstoffe auf Basis von grünem Wasserstoff gelten im Moment als aussichtsreichste Klimaschutz-Option für den Flugverkehr. Zwar ist – im Vergleich zu Bio-Kraftstoffen oder Elektroantrieben – noch viel Forschung und Entwicklung nötig, aber ein großer Vorteil etwa gegenüber Bio-Kraftstoffen ist der deutlich geringere Flächen- und Wasserverbrauch (IPCC 2022, AR6, Band 3, Kapitel 10.5.3). Mit dem absehbar rasanten Wachstum von Windkraft und Photovoltaik könnten in einigen Jahrzehnten große Mengen an CO2-armem Strom zur Verfügung stehen. Bislang sind diese E-Fuels aber noch vier bis sechs Mal so teuer wie konventionelles, fossiles Kerosin (Scheelhaase et al. 2019). Und die momentan produzierten Mengen sind winzig: Der CO2-Kompensationsanbieter Atmosfair meldete im Sommer 2024 die Produktion der ersten fünf Tonnen klimaschonendem E-Kerosin in der nach eigenen Angaben weltweit ersten Anlage dieser Art; allein am Flughafen Frankfurt/Main jedoch werden jährlich laut Medienberichten rund fünf Millionen Tonnen Kerosin getankt.
Eine zweite, grundsätzlich andere Option wären Flugzeuge mit Brennstoffzellen. Sie würden ebenfalls Wasserstoff bzw. Flüssigwasserstoff (LH2) „tanken“, mit diesem würde dann an Bord in Brennstoffzellen Strom erzeugt, der Elektromotoren antreibt. Es würde sich also um eine Mischung handeln aus Wasserstoff- und E-Flugzeug. Sie würden ohne schwere Batterien auskommen; allerdings hat Wasserstoff ein größeres Volumen als Kerosin, weshalb größere Tanks und andere Flugzeug-Konstruktionen nötig wären. Verglichen mit fossilem Kerosin würde Flüssigwasserstoff (sofern CO2-arm hergestellt) weniger Kohlendioxid-Emissionen verursachen, es würde aber in den Flugzeugabgasen mehr Wasserdampf frei, weshalb mehr Wolken und Kondensstreifen entstehen könnten (siehe dazu Abschnitt 1). „Die Nicht-CO2-Wirkungen von LH2-betriebenen Flugzeugen sind bisher schlecht verstanden“, schreibt der IPCC. Und weiter:
„Zusammenfassend lässt sich sagen, dass es gute Argumente für LH2-betriebene Flugzeuge gibt, sowohl im Hinblick auf die Effizienz als auch auf die Gesamtreduzierung der Treibhausgasemissionen ... Allerdings erfordert der LH2-Antrieb ein Re-Design der Flugzeuge, insbesondere für den Langstreckenbetrieb. Außerdem wäre ein Ausbau der Infrastruktur für die Herstellung, Lagerung und Verteilung des Treibstoffes nötig, was wahrscheinlich leichter zu bewerkstelligen ist, wenn ein allgemeiner Übergang zu einer wasserstoffbasierten Energiewirtschaft erfolgt.“ (IPCC 2022, AR6, Band 3, Kapitel 10.5.3)
Die Notwendigkeit neuer Flugzeug-Designs sind ein sehr gewichtiger Nachteil, weil ein Großteil der heutigen Flugzeugflotte ausgetauscht werden müsste. Bei einem Ersatz des fossilen Kerosins durch wasserstoffbasierte E-Fuels (oder auch Bio-Kraftstoffe, siehe Abschnitt 4) wäre dies nicht notwendig.
Wie bei Biokraftstoffen ist das größte Hindernis für E-Fuels der höhere Preis gegenüber dem herkömmlichen, CO2-intensivem Kerosin. Wie der IPCC sieht es auch die Internationale Energieagentur (IEA) als entscheidend an, dass die Politik wirksame Rahmenbedingungen setzt:
„Die Kluft zu überbrücken zwischen einerseits den Kosten für die Herstellung von Biokraftstoffen und synthetischen Kraftstoffen und andererseits den Preisen für fossile Brennstoffe kann nicht ohne politische Intervention gelingen – zumindest anfänglich und möglicherweise für Jahrzehnte.“ (IEA 2020)
Ein relevanter Faktor wäre aber weiterhin der Flächenbedarf. Der gegenwärtige weltweite Flugverkehr verbraucht gewaltige Mengen an Treibstoff, und bei einem künftigen Wachstum wäre es noch mehr. Würde man die globale Flugzeugflotte im Jahr 2050 mit klimaschonenden E-Fuels auf Basis von grünem Wasserstoff betreiben wollen, bräuchte man für deren Herstellung (bei ungebremstem Wachstum der Passagierzahlen) den Strom von 264.000 km2 großen Solarparks – das ist mehr als die gesamte Landesfläche Großbritanniens (Gössling et al. 2021)
Weil es technologisch schwierig und zudem vergleichsweise teuer ist, den CO2-Ausstoß und andere Klimawirkungen von Flugzeugen zu senken, werden in der Forschung andere Ansätze intensiv diskutiert. Sie lassen sich unter die Oberbegriffe „Verlagern“ (engl.: shift) und „Vermeiden“ (engl.: avoid) fassen (Arnz et al. 2024). Der IPCC diskutiert im Verkehrskapitel von Band 3 seines Sechsten Sachstandsberichtes (AR6) mehrere Optionen:
Reisen vermeiden
Wenn eine Reise gar nicht erst angetreten wird, können auch keine Emissionen dabei verursacht werden. Geschäftsreisen können beispielsweise manchmal durch Videokonferenzen ersetzt werden. Allerdings hängt das etwa davon ab, wofür die Geschäftsreise gedacht ist, was genau dort kommuniziert werden soll und wie viele Menschen anwesend sein werden (Müller et al. 2023). Auch in anderen Bereichen wie Lieferketten gibt es das Potenzial, stärker regional zu arbeiten und weniger Transportwege zu benötigen.
Technologische Verbesserungen
Schon seit jeher versuchen Flugzeug-Entwickler, Flugzeuge möglichst effizient zu bauen, sodass diese weniger Treibstoff verbrauchen – zum einen wegen der Kosten, zum anderen wegen des Gewichts des mitzunehmenden Kerosins. In der Vergangenheit sind hier erhebliche Fortschritte erreicht worden, und auch weitere technologische Verbesserungen etwa der Motoren bzw. Turbinen werden in der Forschung erwartet, ebenso eine bessere Aerodynamik des Flugzeug-Körpers. Allerdings gelten die Potenziale hier nach jahrzehntelanger Arbeit als weitgehend ausgereizt; Schätzungen zufolge lassen sich durch technologische Weiterentwicklungen künftig nur etwa 1,3 Prozent Treibstoff pro Jahr einsparen (Cumpsty et al. 2019).
Völlig neue Bauweisen von Flugzeugen, wie sie in Zukunft entwickelt werden könnten, würden vermutlich rund zehn Prozent Treibstoff einsparen (im Vergleich zu künftigen konventionellen Flugzeugen). Dies wäre jedoch ein einmaliger Effekt, und es würde mindestens ein Jahrzehnt dauern und einen hohen Ressourceneinsatz erfordern, die komplette Flugzeugflotte durch solche neuen Bauweisen zu ersetzen. Der IPCC kommt denn auch zu einem ernüchternden Fazit:
„Die [wissenschaftliche] Literatur stützt die Idee nicht, dass es große Verbesserungen der Energieeffizienz von Flugzeugen geben könnte, die Schritt halten würde mit dem prognostizierten Wachstum der Luftfahrt.“ (IPCC 2022, AR6, Band 3, Kapitel 10.5.3).
Angesichts der Notwendigkeit, die weltweiten Emissionen an Treibhausgasen bis Mitte des Jahrhunderts auf Netto-Null zu senken, können (erst recht bei der erwarteten starken Zunahme der Passagierzahlen) technologische Verbesserungen der Flugzeugtechnik also lediglich ein Baustein mit sehr begrenzter Wirkung sein.
Zur gleichen Bewertung gelangt die Internationale Energieagentur (IEA) – und betont zugleich, dass politische Maßnahmen notwendig sind, um die möglichen technologischen Verbesserungen tatsächlich zum Einsatz zu bringen:
„In einer Zeit nie dagewesenen Wachstums im Flugverkehr ... tragen diese Effizienzgewinne dazu bei, den Anstieg der Nachfrage nach Flugkraftstoff zu bremsen, jedoch werden sie ihn nicht aufhalten. Es wird nötig sein, Effizienzverbesserungen anzutreiben ... vor allem durch Steuern auf Kraftstoffe oder Schadstoffemissionen, die die Fluggesellschaften dazu bewegen, sich für effizientere Flugzeuge zu entscheiden, oder durch Normen für saubere Kraftstoffe, die zu einer raschen Einführung nachhaltiger Flugkraftstoffe führen.“ (IEA 2020)
Optimierte Navigation
Schon heute wird gerade auf langen, interkontinentalen Strecken viel Wert gelegt auf eine möglichst optimale Navigation. Flugstrecken und -höhen werden zum Beispiel so gewählt, dass starke Gegenwinde vermieden werden, die unnötig viel Treibstoff kosten. Durch weitere derartige Maßnahmen ließen sich nach Schätzungen der UN-Luftfahrtbehörde ICAO schätzungsweise zwei bis sechs Prozent der CO2-Emissionen einsparen, einzelne Studien nennen regionale Verbesserungspotenziale von bis zu 13 Prozent bis 2050 (IPCC 2022, AR6 WG3, Kapitel 10.5.3).
Deutlich mehr könnte es bringen, die Flugstrecken mit Blick auf Kondensstreifen zu optimieren. Diese und daraus entstehende künstliche Zirruswolken sind für einen Großteil der Klimawirkung des Luftverkehrs verantwortlich (siehe Abschnitt 1), sie entstehen bei Flügen durch kalte und feuchte Luftmassen. Auch Tageszeit und Saison spielen eine Rolle, nachts und im Winter ist der Effekt stärker. Schon kleine Veränderungen der Flugrouten oder -höhen können starke Auswirkungen auf die Bildung von Kondensstreifen haben. Eine Studie ermittelte anhand Zehntausender realer Flüge, dass eine Routenoptimierung die Klimawirkung durch Kondensstreifen um mehr als 70 Prozent senken könnte – bei lediglich rund 0,1 Prozent höheren Kosten, Treibstoffverbräuchen und damit CO2-Emissionen (Frias et al. 2024). Mehr als 50 internationale Luftfahrt- und Klima-Wissenschaftler appellierten aus Anlass des UN-Klimagipfels 2024 in Aserbaidschan an Politik und Wirtschaft, diese einfache und schnell wirksame Maßnahme zu unterstützen und umzusetzen.
Umstieg auf die Schiene
Zumindest auf kürzeren Strecken und bei Verkehr über Land kommt grundsätzlich die Verlagerung von Verkehr auf die Schiene in Frage, also der Ersatz von Flugzeugen durch Hochgeschwindigkeitszüge. Als erfolgreiches Beispiel gilt die Strecke Mailand-Rom. Züge fahren häufiger und sind billiger als Flugzeug oder Auto; und weil die Bahnhöfe in den jeweiligen Stadtzentren liegen und das Boarding schneller geht als beim Fliegen, haben Züge auf Verbindungen wie dieser oft sogar Zeitvorteile. Nach Einführung der Schnellzugverbindung ist der Flugverkehr auf dieser Strecke merklich zurückgegangen (Desmaris/Croccolo 2018). In Deutschland meldete die Bahn nach Eröffnung der ICE-Schnellzugtrasse Berlin-München im Jahr 2018, mit der die Fahrzeit von sechs auf vier Stunden sank, eine Verdoppelung der Fahrgastzahlen auf dieser Strecke. Der Flughafen München verzeichnete zeitgleich einen leichten Rückgang der Passagierzahlen um zwei Prozent, machte dafür aber den Wegfall anderer Flugverbindungen in jenem Zeitraum verantwortlich.
Als ideale Strecken, auf denen sich Flugzeuge durch Züge ersetzen lassen, gelten Distanzen von etwa 400 bis 800 Kilometer. In China, wo der Ausbau des Hochgeschwindigkeits-Schienennetzes weit fortgeschritten ist, sind es sogar bis zu tausend Kilometer. Beispiele sind die Strecken Wuhan-Guangzhou (1069 km) und Peking-Shanghai (1318 km), wo der Flugverkehr durch die Schienenanbindung bereits reduziert wurde (IPCC 2022, AR6, Band 3, Kapitel 10.5.3).
Hochgeschwindigkeitszüge sind besonders dann gut fürs Klima, wenn der Strom für sie aus erneuerbaren Energiequellen stammt. Aber selbst wenn das noch nicht oder noch nicht vollständig der Fall ist, fallen bei den Zügen die Nicht-CO2-Emissionen wie Wasserdampf und damit ein erheblicher Teil der Klimawirkung des Fliegens weg (siehe dazu Abschnitt 1). Eine niederländische Analyse hat die Klimawirkung von Flugzeug, Auto und Zug auf mehreren europäischen Strecken verglichen. Das Ergebnis: Eine Bahnfahrt verursacht auf allen Strecken bereits beim aktuellen Strommix mit großem Abstand am wenigsten Treibhausgase. Flugzeug und Auto liegen je nach Strecke recht dicht beieinander. Auf der Strecke Amersfoort (Niederlande)-Berlin entstehen mit einem benzinbetriebenen Auto etwa 93 kg CO2-Äquivalente und mit dem Flugzeug 124 kg – die Bahn liegt mit 24 kg weit darunter. Oder in den Worten des Studienteams:
„Eine Reise mit dem Zug verursacht drei- bis fünfmal weniger Emissionen als eine vergleichbare Reise mit dem Flugzeug. In den meisten Szenarien emittiert der Pkw mit zwei Personen an Bord deutlich mehr als ein Zug, aber etwas weniger als ein Flugzeug.“ (Roosien et al. 2024)
Verschiedene politische Maßnahmen, schreibt der IPCC, könnten den Umstieg vom Flugzeug auf die Bahn befördern. So wurden in Frankreich beispielsweise alle inländischen Flüge verboten, für die es ein alternatives Bahnangebot mit weniger als 2,5 Stunden Fahrzeit gibt. Weiter heißt es im Sechsten Sachstandsbericht:
„Andere Maßnahmen, die vorgeschlagen wurden, um die Nachfrage nach Flugreisen zu verringern, sind ein mögliches Verbot von Vielflieger-Programmen, eine Pflicht zur Nennung von Emissions-Angaben in der Werbung für Flüge (also den CO2-Fußabdruck), die Einführung einer progressiven ‚Flugmeilen-Abgabe‘ oder die Rücknahme aller Steuer- und Abgabenbefreiungen, die aktuell für Flugtickets gelten.“ (IPCC 2022, AR6 WG3, Kapitel 10.5.3)
Mit der erwähnten „progressiven“ Flugmeilen-Abgabe ließen sich Flüge gezielt für jene Menschen verteuern, die viel fliegen. Die Idee dabei ist, dass die Abgabe mit mehr geflogenen Meilen immer weiter steigt. Wer einmal in den Urlaub fliegt, merkt davon also nicht viel – wer regelmäßig auf Geschäftsreise ist, hingegen schon. Auch die höheren Emissionen, die bei Reisen in der Business- und First-Class entstehen, könnten eingerechnet werden (Carmichael 2019).
Politische Regulierung
Der Treibhausgas-Ausstoß des internationalen Luftverkehrs wird bisher nicht durch das Pariser Klima-Abkommen erfasst. Es betrachtet grundsätzlich die Emissionen von Staaten – sobald aber ein Flug eine Staatgrenze überquert, gelten die entstehenden Emissionen als „internationale Emissionen“, die nicht auf die staatlichen Klimabilanzen und Reduktionsziele angerechnet werden. Doch ausgerechnet die Emissionen des internationalen Flugverkehrs sind wegen der weiten Strecken hoch, und dieser Sektor wächst schnell. Fachleute gehen von 60 bis 220 Prozent Zunahme des Flugverkehrs bis 2050 aus (IPCC 2022, AR6, Band 3, Box 10.5).
Auf UN-Ebene ist die Internationale Zivilluftfahrtorganisation (ICAO) mit Sitz in Montreal zuständig für die Erfassung der Flug-Emissionen sowie für Vorschläge, diese zu senken. Auf eine bindende Vereinbarung zur Emissionsminderung haben sich die 193 Mitgliedsstaaten nicht einigen können; immerhin aber beschlossen sie 2010 als „anzustrebendes Ziel“, (engl.: „aspirational goal“) dass es jedes Jahr Effizienzsteigerungen von zwei Prozent geben und dass ab 2020 der CO2-Ausstoß des internationalen Flugverkehrs nicht weiter steigen soll. Hierfür wurde das Programm CORSIA entwickelt (das Kürzel steht für „Carbon Offsetting and Reduction Scheme for International Aviation“). Es startete 2021, Ende 2024 nahmen knapp 130 Staaten freiwillig daran teil; ab 2026 sollen alle ICAO-Mitgliedsstaaten einbezogen werden, Ausnahmen sind möglich, etwa für arme Staaten oder solche mit sehr wenig Flugverkehr.
Allerdings ist CORSIA bislang vor allem ein CO2-Ausgleichsprogramm. Das Prinzip: Emissionen, die über dem Ausgangsniveau liegen (gemessen im Jahr 2019), sollen an anderer Stelle kompensiert werden. Das heißt die jeweiligen Fluggesellschaften müssen Zertifikate erwerben, mit denen bescheinigt wird, dass in geprüften Klimaschutzprojekten irgendwo auf der Welt dieselbe Menge an Kohlendioxid-Ausstoß vermieden wird. (An solchen CO2-Kompensationen gibt es seit langem Kritik, siehe dazu Abschnitt 7.) Zwar können Fluggesellschaften die Menge an nachzuweisenden Zertifikaten dadurch verringern, dass sie klimaschonende Treibstoffe (siehe Abschnitt 4 und Abschnitt 5) einsetzen – weil diese aber bislang deutlich teurer sind als Zertifikate, geschieht dies kaum. Der IPCC äußert sich denn auch zurückhaltend über das Programm:
„Durch seine Konstruktion führt CORSIA nicht zu einer Verringerung der Emissionen innerhalb des Luftverkehrs-Sektors, da das Programm hauptsächlich mit … Kompensationen handelt. Im besten Fall ist CORSIA eine Übergangsregelung, die es dem Luftverkehr ermöglicht, seine Auswirkungen zu einem späteren Zeitpunkt auf sinnvollere Weise zu reduzieren.“ (IPCC 2022, AR6, Band 3, Kapitel 10.5.3)
CORSIA wird von Fachleuten als allenfalls „erster Schritt“ zum Klimaschutz im Flugverkehr bezeichnet. Der IPCC bewertet die ICAO-Klimaziele als „wahrscheinlich unzureichend“, um Veränderungen zu erreichen, die für die Dekarbonisierung des Flugverkehrs erforderlich sind“; immerhin aber „bewegen sie sich in Richtung des Beginns einer Dekarbonisierung“ (IPCC 2022, AR6, Band 3, Box 10.5).
In seinem Sechsten Sachstandsbericht blickt der IPCC auch kurz auf mögliche Alternativen. Einige Forschende sprächen sich dafür aus, die Emissionen des internationalen Luftverkehrs ins Pariser Abkommen einzubeziehen, weil damit der Druck zu Emissionssenkungen erhöht werden könne. Nach Einschätzung des IPCC würde dies aber „die Emissionstrends nicht grundlegend ändern“, solange es keine verbindlichen Ziele und Durchsetzungsmechanismen gibt. Eine mögliche Alternative seien nationale Regelungen, etwa zur gezielten Förderung von klimaschonenden Flug-Treibstoffen (IPCC 2022, AR6, Band 3, Box 10.5).
Die Europäische Union hat sich bereits 2012 zu einer strengeren Regulierung im Flugverkehr entschlossen. Grenzüberschreitende Flüge innerhalb der EU und in einige weitere Länder wie Großbritannien, Norwegen oder die Schweiz sind Teil des EU-Emissionshandels. Die Fluggesellschaften müssen für ihren CO2-Ausstoß Emissionsberechtigungen vorweisen, die sie teils kostenlos erhalten, teils kaufen müssen, etwa bei anderen Unternehmen oder an der Börse. Die Gesamtmenge der Berechtigungsscheine und damit der im System erlaubten Emissionen wird stetig gesenkt, derzeit um 4,3 Prozent pro Jahr. Bis 2030 soll so der CO2-Ausstoß der einbezogenen Unternehmen und Wirtschaftsbereiche in der EU um 62 Prozent gegenüber dem Niveau von 2005 zurückgehen. Stoßen Fluggesellschaften mehr Kohlendioxid aus, als sie an Berechtigungen erworben haben, müssen sie hohe Strafzahlungen leisten. (Details dazu diesem Factsheet unseres Schwesterportals CleanEnergyWire, beim Umweltbundesamt oder der Europäischen Kommission.)
In der Forschung gibt es aber auch Stimmen, nach denen es ein grundsätzliches Umsteuern im gesamten Luftverkehr brauche. Dessen Entwicklung in den vergangenen Jahrzehnten sei von einem starken Wachstum mit gleichzeitig sehr niedriger Profitabilität (und erheblichen staatlichen Subventionen) geprägt gewesen (Gössling/Humpe 2024). Für eine Entwicklung, die mit Klimaschutzzielen kompatibel ist, seien gezielte politische Interventionen nötig, etwa eine konsequente CO2-Bepreisung und die oben diskutierten Vorgaben zum Einsatz nachhaltiger Kraftstoffe – aber auch ein komplett „neues Geschäftsmodell“ mit einem geringeren, dafür aber deutlich teurerem Angebot. Wörtlich heißt es dazu in einer Studie:
„Da die Einführung neuer Kraftstoffe – und neuer Technologie – höhere Kosten für den Luftverkehr mit sich bringen wird, die der Sektor nicht an die Reisenden weitergeben kann, ohne das es zu Wachstumseinbußen kommt, ist es schwierig zu erkennen, wie der Sektor den Wandel bei einer Fortsetzung des derzeitigen Wachstumsmodells bewerkstelligen will. Für die Fluggesellschaften wäre ein Modell mit einem anderen Verhältnis zwischen Angebot und Nachfrage wünschenswert, da die Profitabilität steigt, wenn wachsende Nachfrage auf ein stabiles Angebot trifft.“ (Gössling/Humpe 2023).
Die grundsätzliche Idee bei CO2-Kompensationsprogrammen ist: Emissionen, die an einer Stelle ausgestoßen werden, sollen dadurch ausgeglichen (kompensiert) werden, dass an anderer Stelle dieselbe Menge an Emissionen vermieden wird. Solche Programme gibt es auf verschiedenen Ebenen: für Privatpersonen ebenso wie für Unternehmen; die Teilnahme ist in der Regel freiwillig. Wer eigene Emissionen ausgleichen möchte, zahlt bei diesen Programmen Geld – in der Regel an ein Unternehmen, das sich auf die Durchführung, Vermittlung oder Überprüfung von Kompensationsprojekten spezialisiert hat. Im Gegenzug erhält man ein Zertifikat, das die vermiedene Emission (meist in Tonnen Kohlendioxid) bestätigt. Solche Zertifikate kann man auch auf spezialisierten Marktplätzen oder an Börsen handeln und erwerben.
Die Projekte zur Vermeidung von Emissionen sind sehr verschieden: Häufig geht es um Aufforstungen, bei denen die heranwachsenden Bäume im Laufe ihres Lebens Kohlendioxid aus der Atmosphäre binden sollen. Bei anderen Projekten werden Moore wiedervernässt oder Erneuerbare-Energie-Anlagen errichtet – hier wird jeweils errechnet, wieviel Treibhausgas-Emissionen in einem Alternativszenario entstanden wären, wenn zum Beispiel im betreffenden Moor weiter Torf abgebaut würde oder der Strom, der im Projekt etwa von einem Windrad kommt, stattdessen durch einen Dieselgenerator erzeugt worden wäre. Das CORSIA-Programm der UN (siehe Abschnitt 6) funktioniert letztendlich ähnlich, nur in einem sehr viel größeren Rahmen. Auch dort sollen die Emissionen, die beim Flugverkehr entstehen, anderswo ausgeglichen werden.
In der Fachwelt werden CO2-Ausgleichprogramme häufig mit Vorsicht betrachtet. So gibt es bei der Ermittlung der Menge von Emissionen, die mit finanzierten Kompensationsprojekten vermieden werden, erhebliche Ermessensspielräume: Beispielsweise muss es sich wirklich um zusätzliche Klimaschutzprojekte handeln, die nicht ohnehin aufgelegt worden wären – das ist manchmal schwer nachweisbar. Auch lässt sich die Menge von Kohlendioxid, das etwa von neugepflanzten Bäumen im Laufe von Jahrzehnten aufgenommen werden soll, nicht exakt beziffern – und bei einem Waldbrand würde es unkontrolliert wieder freiwerden, der gesamte Kompensationseffekt wäre dann auf einen Schlag hinfällig. Verschiedene Medien haben in der Vergangenheit immer wieder über wirkungslose oder betrügerische Kompensationsprojekte berichtet. In der Forschung werden deshalb strenge Qualitätskriterien für Kompensationsprojekte gefordert (Becken/Mackey 2017, Warnecke et al. 2019)
Das Umweltbundesamt hat eine 44-seitige Broschüre mit fachlichen Ratschlägen für die Auswahl von Ausgleichsprojekten formuliert und betont:
„Emissionen vermeiden und verringern ist immer besser; denn was man nicht emittiert, muss man gar nicht erst aufwendig ausgleichen.“
Ein weiteres Problem insbesondere bei der Kompensation von Flugreisen: Häufig wird hier allein der Ausstoß von Kohlendioxid betrachtet, der jedoch nur für etwa ein Drittel der klimaschädlichen Wirkung verantwortlich ist (siehe Abschnitt 1). Um auch die Wirkung der anderen Emissionen des Flugverkehrs auszugleichen, müsste ungefähr die dreifache Menge des beim Fliegen ausgestoßenen Kohlendioxids anderswo vermieden werden.
Auf ihrer Vollversammlung 2022 haben die 193 Mitgliedsstaaten der Internationalen Zivilluftfahrtorganisation (ICAO) einen stärkeren Klimaschutz-Kurs beschlossen. Neben Verbesserungen beim Ausgleichsprogramm CORSIA (siehe Abschnitt 6) haben sie ein weiteres „anzustrebendes Langfrist-Ziel“ formuliert: dass der Luftfahrt-Sektor bis 2050 bei den Kohlendioxid-Emissionen auf Netto-Null kommt. Das bedeutet: Bis Mitte des Jahrhunderts soll es im internationalen Luftverkehr keinen CO2-Ausstoß mehr geben oder der verbleibende Rest komplett durch Kompensationsprojekte ausgeglichen werden. Die soll durch eine Kombination mehrerer Maßnahmen erreicht werden, genannt werden die Förderung von nachhaltigen Treibstoffen und verschiedene Effizienzsteigerungen.
Ist das Erreichen von Netto-Null-Emissionen ein realistisches Ziel?
Die Potenziale und Grenzen der verschiedenen Optionen sind in den vorherigen Abschnitten erläutert worden: Elektrisch betriebene Flugzeuge (Abschnitt 3) könnten den Ausstoß zwar theoretisch auf nahe Null bringen, sofern erneuerbarer Strom verwendet wird; aber weil sie für lange Strecken und viele Passagiere ungeeignet sind, ist ihre mögliche Wirkung begrenzt. Neuartige, CO2-ärmere Kraftstoffe (Abschnitt 4 und Abschnitt 5) sind aktuell die beste Option, um die Emissionen im Flugsektor zu reduzieren. Doch auch mit ihnen entstehen in den Flugzeugtriebwerken weiterhin Nicht-CO2-Emissionen wie Wasserdampf, die eine höhere Klimawirkung haben als die direkten CO2-Emissionen (siehe Abschnitt 1). Die Klimawirkung dieser Emissionen aber bleibt beim Reduktionsziel der ICAO unberücksichtigt.
In dem Szenario für einen nachhaltigen Flugverkehr der Zukunft, das die Internationale Energieagentur (IEA) in ihrem Report Energy Technology Perspectives 2020 beschreibt, nennt sie auch Schätzungen für die Wirksamkeit verschiedener Klimaschutz-Instrumente: Durch politische Regulierung (siehe Abschnitt 6) könne die steigende Nachfrage nach Flugreisen etwas gebremst werden, die IEA nennt als Beispiel eine Verteuerung von Flugreisen und erwartet durch derartige Maßnahmen insgesamt eine Dämpfung des Wachstums um rund zwölf Prozent bis 2040. Doch selbst bei hohen Steuern erwartet die IEA in den kommenden Jahrzehnten einen Anstieg der Passagierzahlen um 350 Prozent. Selbst bei Berücksichtigung von Effizienzsteigerungen wird deshalb 2070 viel mehr Flugzeug-Treibstoff gebraucht als heute – Biokraftstoffe und E-Fuels sollen langfristig den größten Teil davon ausmachen (siehe Abbildung):
Globaler Flugkraftstoff-Verbrauch in einem nachhaltigen Entwicklungsszenario, 2019-2070
Entwicklung des weltweiten Verbrauchs an Flugzeug-Treibstoff in einem IEA-Szenario für nachhaltige Entwicklung. Die hellblaue Linie zeigt die erwartete Entwicklung des Bedarfs, wenn es beim bisherigen politischen Kurs bleibt – nach dem Einbruch durch die Lockdowns während der Corona-Pandemie steigt er kontinuierlich. Die Maßeinheit Mtoe/yr steht für Millionen Tonne Erdöl-Equivalent pro Jahr Durch politische Maßnahmen (etwa eine Verteuerung von Tickets) oder technologische Fortschritte (angereizt ebenfalls durch politische Regulierung) liegt der im Klimaschutzszenario erwartete Treibstoffverbrauch deutlich niedriger (weiße Lücke) – aber steigt dennoch. E-Fuels (dunkelblau) und Bio-Kraftstoffe (grün) würden in dem Szenario bis 2070 rund drei Viertel des Treibstoffbedarfs decken; der Verbrauch von fossilem Kerosin (rot) sinkt in dem Szenario ab etwa 2030, aber selbst bis 2070 noch längst nicht auf Null; Quelle: IEA 2020
Laut dem IEA-Szenario würde zunächst der Anteil an Biomasse-Treibstoffen (grüne Fläche) zunehmen und 2070 bei etwa einem Drittel des Gesamtbedarfs liegen. Synthetische E-Fuels (blaue Fläche) würden erst ab den 2030er Jahren in signifikanten Mengen verbraucht, weil die Produktion erst dann in großem Maßstab möglich sein dürfte; 2070 decken diese Treibstoffe mehr als 40 Prozent der Nachfrage. Doch selbst in diesem Klimaschutzszenario würde in rund fünf Jahrzehnten noch immer etwa ein Viertel der Flugzeuge mit fossilem Kerosin (rote Fläche) fliegen. Die dabei freiwerdenden CO2-Emissionen müssten zum Erreichen eines Netto-Null-Ziels anderswo kompensiert werden.
Auch verschiedene wissenschaftliche Publikationen kommen zu dem Ergebnis, dass sich die Emissionen im Flugverkehr bis Mitte des Jahrhunderts durch eine Kombination vieler Instrumente deutlich senken lassen – auf Null aber lassen sie sich nicht bringen (Abrantes et al. 2021, Dray et al. 2022). Auch bei Einsatz aller Technologien wird langfristig eine erhebliche Menge von Emissionen anderswo kompensiert oder durch Technologien wie Direct Air Capture (DAC, siehe unseren Text zu diesem Thema) nachträglich wieder eingefangen werden müssen.
„Wenn die Nachfrage moderat wächst, die Energieeffizienz von Flugzeugen kontinuierlich verbessert wird, Infrastrukturen und Betriebsablauf verbessert werden, neue Antriebssysteme für Kurzstreckenflüge entwickelt werden, die Produktion von nachhaltigen Flugkraftstoffen (SAFs) stark beschleunigt wird und die Nicht-CO2-Emissionen durch CO2-Entnahme aus der Atmosphäre ausgeglichen werden, könnte der Luftverkehrssektor bis 2050 Netto-Null-Emissionen erreichen.“ (Bergero et al. 2023)
Allerdings sind wesentliche in den Szenarien eingesetzten Technologien noch weit entfernt von einem großtechnischen Einsatz; und für die einberechneten Verhaltensänderungen fehlen bisher die nötigen politischen Anreize.
Grob zusammengefasst in ganz einfachen Worten
Es ist sehr schwierig, den CO2-Ausstoß im Flugverkehr deutlich zu senken. Das größte Potenzial sieht die Forschung in synthetischen Treibstoffen, sogenannten E-Fuels. Aber die sind wohl erst in ferner Zukunft in größeren Mengen verfügbar und vergleichsweise teuer. Zudem resultieren etwa zwei Drittel der Klimaschäden durchs Fliegen nicht aus den CO2-Emissionen, sondern aus anderen Emissionen, an denen E-Fuels wenig ändern. Wenn der Flugverkehr weiter wächst wie bisher, sind die Klimaziele außerordentlich schwierig zu erreichen.
Lena Bültena/Klimafakten
zuletzt aktualisiert: Dezember 2024