"97 Prozent der Experten sagen, der Klimawandel findet statt - und zwar wegen menschlicher Aktivitäten." Dieses Faktum ist beileibe keine Neuigkeit, aber Derek Van Dam spricht es im US-Nachrichtensender CNN auch ausdrücklich aus. "Mit all den Belegen, die wir für die Erwärmung der Erde haben, wird es schwerer und schwerer, heutzutage noch Zweifel daran zu haben." Van Dam ist einer der Wettermoderatoren von CNN. In einem flotten Erklärfilm zum Klimawandel erläutert er mit einfachen Grafiken, eindrucksvollen Bildern und einfachen Formulierungen die Basiserkenntnisse der Forschung zum Klimawandel. Er spricht ruhig, nicht dramatisch. Er trägt nicht lehrmeisterhaft vor, sondern auf Augenhöhe mit seinem Publikum. Er erwähnt, dass wegen des Klimawandels Extremwetterereignisse häufiger werden. Und endet mit den Worten: "Wir müssen uns darum kümmern, und zwar dringend."
Derek Van Dam ist als Wettermoderator ein bekanntes Gesicht des US-Nachrichtensenders CNN - und ganz bewusst erklärt er seinen Zuschauern auch die Wissenschaft zum Klimawandel; Quelle: CNN/Screenshot
Ähnliche Auftritte von TV-Moderatoren in Deutschland, Österreich oder der Schweiz sind selten. Wetterjournalisten halten sich hierzulande weitgehend zurück, wenn es darum geht, Wetterereignisse mit dem Klimawandel in Zusammenhang zu bringen. Dies sei völlig unnötig, erklärte schon 2009 beispielsweise Jörg Kachelmann in einem FAZ-Interview: "Über den Klimawandel wissen in Deutschland längst alle Bescheid." Jedem sei klar, "dass es nicht gut ist, Tag und Nacht mit dem Auto zu fahren" und dadurch Treibhausgase zu verursachen. Zudem seien die nur wenige Minuten langen Wettersendungen zu kurz für ein dermaßen komplexes Thema, und im Übrigen sei das Ganze eher Aufgabe der Politik.
"Die Zuschauer erwarten Serviceinformationen mit konkretem Nutzwert"
Den Klimawandel nicht zu thematisieren ist immerhin besser, als den Wissensstand der Klimaforschung zu negieren. 2015 hatte dies Philippe Verdier getan, der "Wetterfrosch" des französischen Fernsehsenders France 2. Kurz vor dem Klimagipfel in Paris outete er sich in einem Buch namens Climate Investigation als Klimaleugner - sein Arbeitgeber feuerte ihn prompt. Auch in Deutschland gibt es einzelne Fernseh-Meteorologen, die der Klimaforschung ihre eigenen Überlegungen entgegensetzen, etwa der ehemalige ZDF-Moderator und heutige Buchautor Wolfgang Thüne oder MDR-Mitarbeiter Thomas Globig. Doch sie sind Ausnahmen.
Obwohl also die allermeisten TV-Meteorologen hierzulande den Forschungsstand zum Klimawandel akzeptieren, lassen sie ihn kaum in ihre Wettersendungen einfließen. Das eine habe nichts mit dem anderen zu tun, so die weit verbreitete Ansicht. So meint etwa der Meteorologe Andreas Friedrich vom Deutschen Wetterdienst (DWD), über den Klimawandel werde ohnehin ausreichend berichtet. Und: "In Wetterberichten geht es um das aktuelle Wetter und primär um die aktuelle Wettervorhersage", so Friedrich. "Hier muss man eher darauf hinweisen, dass Wetter und Klima unterschiedliche Dinge sind." Zwar erstellt der DWD bei Extremwetterereignissen regelmäßig detailliertere Analysen, die teilweise auf größere Zusammenhänge verweisen. Ein solcher ist zweifellos, dass Wetterextreme wie Dürren oder Starkregen im Zuge des Klimawandels häufiger und intensiver werden dürften. Doch die breitere Öffentlichkeit nimmt derartige Fachanalysen in der Regel kaum zur Kenntnis.
Die private MeteoGroup, Europas Marktführer für Wettervorhersagen mit Büros unter anderem in Deutschland und der Schweiz, argumentiert ähnlich wie DWD-Mann Friedrich: Die Sendezeit reiche nicht aus. Außerdem müsste man Extremereignisse der letzten 30 Jahre zusammenfassen, wolle man ausgewählte Wetterlagen mit dem Klimawandel in Zusammenhang zu bringen - und das gehöre in die Klimaforschung. "Die Zuschauer erwarten vom TV-Wetterbericht Serviceinformationen mit einem konkreten Nutzwert", so die MeteoGroup. Bei anderen deutschsprachigen Portalen sieht man das anders und berichtet über die Folgen des Klimawandels - beispielsweise bei wetter.com, einer Tochter von ProSiebenSat.1.
Erst Mitte August zum Beispiel erschien bei wetter.com ein Beitrag zur Versauerung der Meere – allerdings im News-Bereich, neben Beauty-Tipps und Katzenvideos. Eine Verbindung zum aktuellen Wetter wird nicht hergestellt. Auch der staatliche Wetterdienst Österreichs, die Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik (ZAMG), gibt zu, dass der Klimawandel "relativ selten" in österreichischen Wetterberichten vorkomme. Das findet die Behörde auch genau richtig - denn die Gefahr der Vereinfachungen sei zu groß, und ständiger Alarmismus führe "zu einer Abstumpfung des Publikums".
"TV-Moderatoren sind ideal, über den Klimawandel zu informieren"
Ganz anders in den USA: "Es ist unverantwortlich über das Wetter zu berichten, ohne es in einen Klima-Kontext zu stellen", sagt etwa Jason Samenow. Der Meteorologe hat 2004 die Wetterplattform capitalweather.com gegründet, einen der ersten professionellen Internet-Blogs zum Thema, und ist heute Wetterredakteur bei der Washington Post. "Du erzählst einfach nicht die ganze Geschichte, wenn Du das Wetter vorhersagst - aber nicht erklärst, wie das mit den dramatischen Veränderungen im Klimasystem zusammenhängt."
Auch Studien deuten darauf hin, dass der Wetterbericht ein geeigneter Kanal für die Vermittlung wissenschaftlicher Klimafakten ist. Vor ein paar Jahren ließen Forscher des Center for Climate Change Communication (4C) der George Mason University im US-Bundesstaat Virginia in einem lokalen Fernsehsender Wetterbeiträge ausstrahlen, die explizit auch den Klimawandel thematisierten. Dies habe, konstatieren sie in ihrer 2014 veröffentlichten Untersuchung, bei Zuschauern nachweislich zu einem "wissenschaftlicheren Verständnis" der Erderwärmung geführt. Weil TV-Wettermoderatoren ein großes Vertrauen ihrer Zuschauer genießen, so das Ergebnis einer ähnlichen Studie von 2015, können sie "eine wichtige Rolle dabei spielen, die Öffentlichkeit über den Klimawandel zu informieren".
In Trainingsprogrammen lernen US-Moderatoren Hintergründe zum Klima
Doch noch vor ein paar Jahren waren Meteorologen, die den Klimawandel entweder abstritten oder dessen menschengemachte Ursachen bezweifelten, in den USA keine Seltenheit. Klimaaktivisten gründeten daher 2012 eine Kampagne mit dem Titel "Forecast the facts". Öffentlich kritisierten sie einschlägige Moderatoren und forderten, dass sie den Stand der Klimaforschung widergeben. Das war durchaus umstritten, einige prominente US-Wetteransager verbaten sich die Einmischung in ihren Job.
Doch das Land ist in Bewegung: "Seit einigen Jahren steigt die Zahl der Wetter-Journalisten, die vom Klimawandel überzeugt sind, stark an", erklärt Edward Maibach, Direktor des erwähnten Instituts für Klimakommunikation der George-Mason-Universität. Anfang der 2000er Jahre hätten nur etwa ein Viertel der US-Wettermoderatoren die Tatsachen akzeptiert, mittlerweile seien es rund 80 Prozent, so eine bisher unveröffentlichte Untersuchung von Maibachs Institut, der Amerikanischen Meteorologischen Gesellschaft (AMS) sowie des Online-Portals Climate Central. Die meisten Befragten gaben an, in den vergangenen zwölf Monaten auch auf Zusammenhänge zwischen Klimawandel, lokalem Wetter und Extremwettern wie Dürren oder Überflutungen hingewiesen zu haben. Vermutlich werde, prognostizieren die Studienautoren, der Klimawandel nicht nur fester Bestandteil der Ausbildung für die Wettermoderatoren - sondern gebe dem Beruf eine ganz neue bedeutende Rolle.
In den USA ist es inzwischen nicht mehr ungewöhnlich, dass im regulären Wetterbericht auch auf absehbare Folgen des Klimawandels fürs Wetter hingewiesen wird; Screenshot: ClimateCentral/ClimateMatters
Den Meinungswandel unter TV-Wetterjournalisten schreiben sich die Forscher zu einem Teil selbst zu. Seit Jahren nämlich organisieren Maibach und seine Partner von Climate Central ein Briefing-Programm für Wetterjournalisten mit dem Titel "Climate Matters": Beispielsweise versenden sie eine Art wöchentlichen Newsletter mit Informationen über die Zusammenhänge von Wetterlagen und Analysen der Klimaforschung. Inzwischen sind die Nasa und die US-Ozean- und Atmosphärenbehörde NOAA als Partner bei "Climate Matters" eingestiegen. Für wie wichtig die TV-Wettermoderatoren in den USA gehalten werden, zeigt auch die National Environmental Education Foundation (NEEF). Die Stiftung bietet regelrechte Trainingsprogramme für Meteorologen an. Da erklärt der Fernsehjournalist Joe Murgo zum Beispiel, wie spannend es sei, sich den Herausforderungen der Wettervorhersagen und den Klimastudien gleichzeitig zu stellen.
Wetterberichte können den Klimawandel auf den Alltag herunterbrechen
In Deutschland sehen das offenbar nicht nur die Wetter-Ansager ganz anders, sondern auch Kommunikationswissenschaftler. Jens Wolling zum Beispiel, Medienforscher an der TU Ilmenau, reagiert fast ein wenig ungehalten auf die Frage, ob sich der tägliche Wetterbericht dafür eignet, auf die Folgen des Klimawandel hinzuweisen: "Da ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen einzelnen Wettersituationen und dem Klimawandel nicht nachweisbar ist, kann eine Strategie, die einzelne Wetterlagen mit dem Klimawandel in Verbindung bringt, auch leicht 'nach hinten losgehen'", warnt er. "Klimawandelleugner können aus solchen Aussagen Manipulationsabsichten ableiten." Verbinde man einzelne Wetterlagen mit dem Klimawandel, könnte die Gegenseite natürliche Wetterschwankungen leichter für sich ausnutzen und umgekehrt beispielsweise einen lokal kühlen Sommer wie in diesem Jahr als vermeintliches Argument gegen die Existenz der Erderwärmung anführen.
Natürlich wäre es unseriös und falsch, aus einem einzelnen Wetterereignis einen Klimatrend abzuleiten - aber das tun Journalisten wie CNN-Mann Derek Van Dam oder Washington Post-Redakteur Jason Samenow ja auch nicht: Ihnen geht es darum, der Öffentlichkeit bei aktuellen Anlässen immer wieder klarzumachen, dass bestimmte Extremwetterereignisse im Zuge des Klimawandels wahrscheinlicher werden.
Für Wolling jedoch sind die Wetterberichte schlicht nicht der richtige Kanal – auch weil es zumindest in Deutschland nicht mehr darum gehe, ob es einen Klimawandel gibt, sondern was man dagegen tun könne. "Die drängenden Fragen lauten doch: Wie kann man politisch durchsetzen, dass die notwendigen Maßnahmen ergriffen werden, oder wie kann ein nachhaltiges Wirtschaftsmodell funktionieren?" Seine Fachkollegen aus den USA, wie etwa Edward Maibach, sind hingegen davon überzeugt, dass es unabhängig vom abstrakten Wissen um den Klimawandel wichtig ist, Menschen in ihrem Alltag abzuholen und das komplexe Thema der globalen Klimaveränderung auf ein lokales Niveau herunterzubrechen. Und dass dies besser kaum jemand könne als Wettermoderatoren.
"Für viele Leute in meinem Sendegebiet bin ich der einzige Wissenschaftler, den sie jemals sehen oder treffen werden", bringt es Amber Sullins auf den Punkt, Meteorologin beim Sender ABC15 in Phoenix im US-Bundesstaat Arizona. "Deshalb habe ich eine Verantwortung."
Susanne Götze