Ein Troll - im Märchen haarig und meist ganz putzig, im Internet hingegen lästig und destruktiv; Foto: euthymia/Fotolia
In der nordischen Mythologie ist ein Troll ein plumpes, haariges, langnasiges Fabelwesen, das manchmal bösartig ist, manchmal nur nervig. Im Internet bezeichnet man als Troll eine Person, die andere Nutzer belästigt, mutwillig Diskussionen stört, zum Beispiel durch provozierende, beleidigende oder schlicht vom Thema ablenkende Zwischenrufe. Trolle sind gern auf Twitter und Facebook aktiv, aber auch in den Kommentarbereichen von Nachrichtenseiten. Wissenschaftskommunikatoren sind oft mit ihnen konfrontiert, besonders häufig bei Themen wie dem Impfen oder dem Klimawandel, wo es von ideologisch motivierten Kritikern wimmelt. Wie man hier am besten mit Trollen umgeht, beschreibt der Kommunikationsberater Aaron Huertas in einem kompakten (englischsprachigen) Leitfaden.
Huertas hat mehrere Jahre für die US-Forscherorganisation Union of Concerned Scientists gearbeitet, kürzlich heuerte er bei PR-Agentur Cater Communications als Washingtoner Bürochef an. "Trolls suck", lauten - ganz unverblümt - seine ersten Worte, frei übersetzt: "Trolle sind zum Kotzen". Denn sie kosten nicht nur Zeit und Aufmerksamkeit, sie können konstruktive Diskussionen im Internet, zum Beispiel zu wissenschaftlichen Themen, regelrecht sabotieren und unmöglich machen.
Das bekannte Motto "Don't feed the trolls" genügt nicht
"Don't feed the trolls", lautet ein unter Netznutzern weit verbreitetes Motto (zu deutsch: "Füttere die Trolle nicht"). Demnach solle man ihre Kommentare schlicht ignorieren, jedenfalls nicht auf sie eingehen - denn jede Reaktion bietet ihnen nur Futter für weitere Entgegnungen. Doch gerade für Forscher, aber auch für Wissenschaftsjournalisten oder Campaigner sei dieser Rat offenbar schwer zu befolgen, schreibt Huertas. "Als wissenschaftsorientierte Menschen gehen wir von der Annahme aus, dass jeder Mensch rational argumentieren kann und sollte. Dies ist ein Fehler, insbesondere bei Trollen."
Zudem liegt das Verhalten von Trollen völlig quer zu den Grundregeln des wissenschaftlichen Diskurses: Dort geht es um das zwar durchaus scharfe, aber nüchterne Betrachten und Bereden von Fakten und Argumenten zum Zwecke der Wahrheitsfindung. Trolle hingegen sind alles andere als nüchtern, und häufig kommunzieren sie gar nicht über Fakten, sondern greifen gezielt Personen an, attackieren deren Reputation und Integrität. "Dies kann sich für Forscher und Wissenschaftskommunikatoren so fremd anfühlen, dass es sie sehr nach einer Entgegnung drängt", so Huertas.
Nie würde so etwas Schauspielern passieren oder Musikern oder anderen Leuten, die das Licht der Öffentlichkeit gewohnt sind und ebenfalls oft von Trollen angegangen werden. Er sei jedenfalls immer wieder überrascht, wie viel Zeit Wissenschaftler und Wissenschaftsvermittler auf Trolle verwenden. In seiner Handreichung klärt Huertas erst über die Spezifika des Trollens auf, um dann praktische Tipps zu geben.
Welche Taktiken verfolgen Trolle? Und was ist ihr Ziel?
Während es den eigentlichen Internet-Trollen um Spaß am Stören gehe (Studien attestieren ihnen gar einen Hang zu Alltagssadismus), würden typische Troll-Taktiken inzwischen auch für ökonomische oder politische Ziele eingesetzt, bisweilen sogar von professionellen und industriefinanzierten Dienstleistern. Aber natürlich dürfe man, betont Huertas, nicht jede Kritik und jede unbequeme Nachfrage als das Werk eines Trolls abtun. Seiner Erfahrung nach jedoch zeige sich schnell (schon nach ein bis zwei Wortmeldungen), ob jemand ein ernsthaftes Diskussions- und Erkenntnisinteresse habe oder nicht. Denn die Markenzeichen von Trollen seien klar erkennbar:
- Zitate werden aus dem Zusammenhang gerissen und/oder leicht verändert
- eine Replik bezieht sich nicht auf vorher Gesagtes, sondern beginnt ein völlig neues Thema
- das Betonen, man wolle "nur mal Fragen stellen"
- Behauptungen werden nicht durch Quellen belegt bzw. angegebene Quellen belegen in Wahrheit gar nicht das Behauptete
- persönliche Angriffe, Beleidigungen, Herabwürdigungen
- "Gish Galloping", die nach einem US-Kreationisten benannte Debattentaktik, sein Gegenüber mit so vielen Argumenten und Halbwahrheiten zu überschütten, dass er unmöglich auf alle antworten kann
- die Behauptung, zu wissen, was das Gegenüber "wirklich will" - statt auf dessen tatsächliche Aussagen einzugehen
Auch wenn es schwerfalle, mahnt Huertas, sollte man sich als Wissenschaftler oder Wissenschaftskommunikator von Troll-Angriffen nicht getroffen fühlen. "Unsere instinktive Reaktion ist, sich zu verteidigen." Doch bevor man dies (wenn überhaupt) tut, solle man sich zuallererst bewusstmachen, was ein Troll beabsichtige:
- die Zielperson soll glauben, sie stehe vor einem großen und bedeutsamen Publikum schlecht da
- durch das Schaffen einer negativen und gehässigen Stimmung soll das Gegenüber dazu gebracht werden, nur noch zögerlich seine Positionen zu vertreten
- die Zielperson soll ärgerlich und wütend werden und die Fassung verlieren und zu emotionalen Antworten verleitet werden
Huertas Rat klingt einfach, dürfte aber in der Praxis ziemlich schwerfallen: Man solle das genaue Gegenteil versuchen, nämlich sich amüsieren (schließlich seien die Argumente von Trollen häufig dumm) oder sich durch die Attacken geehrt fühlen (Trolle greifen nur Leute an, die sie für relevant und einflussreich halten - jedenfalls für einflussreicher als sich selbst). Besonders richtet sich Huertas mit seinen Ratschlägen an Frauen, denn sie würden häufig besonders übel und mit sexistischen Sprüchen belästigt und reagierten zudem oft besonders sensibel auf Angriffe von Trollen.
Sollte man reagieren? Falls ja, wie? Und was sagt Taylor Swift dazu??
Unbedingt solle man sich klarmachen, das die meisten Anwürfe kaum jemanden interessieren - zumindest kaum jemanden, auf dessen Urteil man selbst Wert legt. "Bei Themen mit Wissenschaftsbezug sind Trolle meist Teil eines abgeschotteten, losen Netzwerks üblicher Verdächtiger." Nur ziemlich selten haben Troll-Angriffe laut Huertas ernstere Folgen, manchmal werden Journalisten auf sie aufmerksam, erwähnen sie vielleicht in ihrer Berichterstattung. Falls dies tatsächlich geschieht oder man von Dritten auf die Attacken angesprochen wird, sei es Zeit für eine Reaktion. Ein weiterer Anlass für das Erarbeiten einer Gegenstrategie sei es, wenn Angriffe von Trollen koordiniert wirken. Auf jeden Fall solle man die Reaktionsweisen fein abstufen:
1. Ignorieren - Bei den meisten Trollen gelte auch für Wissenschaftskommunikatoren das eingangs erwähnte Grundmotto, das Füttern zu unterlassen. Bekomme ein Troll keine Aufmerksamkeit, wende er sich in der Regel sehr schnell anderen Themen oder Personen zu.
2. Blockieren - Mit Blick auf Twitter, Facebook oder den Kommentarbereich eines Online-Blogs sagt Huertas salopp: "Die Block-Buttons gibt's nicht ohne Grund." Mit einem Klick darauf, versperre man Trollen ganz einfach ihren Sendekanal. "Jemanden zu blockieren, ist keine Zensur und auch kein Eingeständnis einer Niederlage - es ist schlicht ein Filter, so wie wir uns ja auch nicht jede Fernsehshow anschauen."
3. Sich kurzfassen - "Mit einem Troll zu argumentieren, ist wie Schlammcatchen mit einem Schwein", schreibt Huertas. "Beide werden dreckig, und dem Schwein macht es Spaß." Deshalb solle man, hält man tatsächlich eine Reaktion für notwendig, strikt darauf achten, sich in keine Diskussion hineinziehen zu lassen. Sondern nur einmalig antworten und die Replik so knapp wie möglich fassen: "Hallo, das habe ich nicht gemeint, aber danke für den Hinweis" oder "Das kann man sicherlich so sehen, danke" oder "Davon habe ich auch schon gehört, hier ist ein Link dazu ..." Überhaupt sei es ziemlich elegant, einfach mit einem passenden Link zu antworten. "Trolle lesen nicht wirklich Links, denn dies würde aufrichtige Neugier voraussetzen. Deshalb ist dies meist das Ende der Konversation."
4. Generalantwort bereitstellen - Falls man tatsächlich immer und immer wieder und zu einem spezifischen Thema oder gar öffentlichkeitswirksam angegangen wird, dann sollte man eine grundsätzliche Replik verfassen. Diese sollte man an einem Ort ins Internet stellen, den man selbst kontrolliert (auf einer eigenen Website oder der seines Instituts o.ä.). Damit ist sichergestellt, dass man seine Argumente in selbstgewählter Form, Länge und Reihenfolge und vor allem ohne destruktive Unterbrechung darlegen kann. Dort können auch Hintergründe zum Konflikt geschildert werden. Vor allem spart man sich, immer wieder und auf verschiedenen Plattformen Entgegnungen verfassen zu müssen. Es genügt jeweils das Posten eines Links zur Generalantwort - und dieser Link kann bei Bedarf auch an Journalisten oder andere Personen gesandt werden, die auf den Konflikt aufmerksam werden. Als Beispiel für eine solche Entgegnung verweist Huertas auf die Website des Ökonomen Frank Ackerman zu fortgesetzten Vorwürfen des Fachkollegen Richard Tol.
5. Schüttle Dich kurz, und tue etwas Sinnvolles - "Trolle sind deprimierend", schreibt Huertas. "Sie ziehen Leute herunter." Daher sei es extrem wichtig, sich nicht von Trollen lähmen und ablenken zu lassen. Huertas empfiehlt, sich eine automatische Reaktion zu überlegen - also etwas, das man macht, wenn man mit einem Troll konfrontiert wird. Statt sich mit diesem auseinanderzusetzen, solle man etwas Konstruktives tun, etwas Sinnvolles, etwas Befriedigendes: einen alten Kollegen anmailen, von dem man schon lange nichts mehr gehört hat oder einen Blog-Beitrag über ein interessantes Forschungsergebnis verfassen oder auch einfach nur einen netten Spaziergang unternehmen. "Bei all diesen Dingen ist unsere Zeit besser angelegt als bei Trollen."
Seine Ratschläge beendet Huertas mit einem Verweis, dessen Ironie von Nicht-Amerikanern kaum verstanden werden dürfte: Er empfiehlt Forschern und Wissenschaftskommunikatoren ausgerechnet die Sängerin Taylor Swift als Vorbild - eine Künstlerin, die in den USA als Prototyp der seichten Pop-Queen gilt, sogar eine Country-Vergangenheit hat und über die in gelehrten Kreisen eigentlich nur verächtlich geredet wird. Huertas also zitiert Swifts selbstbewussten Hit "Shake it off" (nicht ohne ein großformatiges Bild der fotogenen Sängerin zu posten): "Hasser werden hassen. Du musst es einfach nur abschütteln."
tst