Lena Puttfarcken, 24, ist Masterstudentin am Institut für Kommunikationswissenschaft und Medienforschung an der Universität München. Sie hat die Deutsche Journalistenschule besucht und arbeitet neben dem Studium als freie Wissenschaftsjournalistin, unter anderem zu Klimathemen

 

Auf Facebook sind die Fakten sonnenklar: Fridays for Future? Das sind doch die Schüler, die fürs Klima auf die Straße gehen – aber eigentlich nur die Schule schwänzen wollen. Oder: Besonders viel Ahnung vom Klima haben sie jedenfalls nicht. Wie auch, wenn sie nicht in die Schule gehen? Wobei die Lehrer sowieso von linken und grünen Parteien gesteuert sind, und die Schüler zum Schwänzen anstiften. In so mancher Facebook-Wortmeldung steckt auch Bundeskanzlerin Angela Merkel hinter den Schüler-Demonstrationen.

So ist die Welt - jedenfalls, wenn man gewissen Kommentarschreibern auf Facebook glauben würde.

Ich bin Journalismus-Studentin und habe für meine im Juli abgeschlossene Master-Arbeit knapp 600 Wortmeldungen auf der Online-Plattform Facebook analysiert. Die Kommentare waren zu Beiträgen deutscher Leitmedien (z.B. tagesschau.de, FAZ, Süddeutsche Zeitung) über die #FridaysforFuture-Schülerproteste gepostet worden. Ich fragte zum Beispiel:

    • Welche Auffassungen vertreten sie?
    • Wie argumentieren sie?

Zusammengefasst lauten meine Ergebnisse: Das meistdiskutierte Thema in diesen Facebook-Kommentare zu #FridaysForFuture waren nicht Klimawandel oder Klimaschutz, sondern vermeintlich schwänzende Schüler. Und was diese Schüler selbst fürs Klima tun (oder auch nicht). Oft waren die Postings hämisch, forderten von den Schülern, ihre Smartphones abzugeben und das Internet abzuschalten und so weiter.

 

Facebook-Kommentare zu Medienberichten über die Klimaproteste #FridaysForFuture waren oft hämisch. Und meist beschäftigten sie sich nicht mit dem Klima - sondern mit den Protestierenden und ihrem (vermeintlichen) Verhalten

 

Und ging es in den Kommentaren doch mal ums Klima, dann traten immer wieder Accounts in Erscheinung, die Grunderkenntnisse der Klimaforschung bezweifelten, angriffen oder bestritten. "Das Klima regelt die Sonne", liest man da beispielsweise. Oder: "Die Erde macht, was sie will!" Diese Personen versuchen offenbar, die öffentlichen Diskussionen auf Facebook zu dominieren - und sie verbreiten nicht nur Lügen über die Klimawissenschaft, sondern auch Verschwörungstheorien.

In meiner Analyse habe ich unterschiedliche Kategorien dieser "Klimawandelskeptiker" (so die verharmlosende Selbstbezeichnung) herausgearbeitet. Innerhalb dieser Kategorien habe ich dann Argumentationsstrukturen untersucht, mit denen andere Nutzer von der eigenen Position überzeugt werden sollen.

Mit Abstand am häufigsten traten die Wissenschaftsleugner auf, die meist argumentierten, der anthropogenen Klimawandel existiere gar nicht. Zum Beispiel, weil die aktuelle Erwärmung ganz andere Ursachen habe. Eine typische Aussage in dieser Kategorie: "0,0004712% menschengemachtes CO2 ändert nichts! Die Sonne ändert alles!" Andere behaupten, die Klimawissenschaft verbreite Lügen, und deshalb dürfe man ihren Erkenntnissen nicht vertrauen. "Dieser sog. menschengemachte Klimawandel ist nicht bewiesen, sondern allenfalls eine Theorie", schrieb ein Nutzer.

Überraschend oft wurden in den untersuchten Postings Verschwörungsmythen verbreitet. Da waren zum einen jene Personen, die ich Freie-Markt-Verschwörungstheoretiker genannt habe. Sie sind anscheinend davon überzeugt, der Klimawandel werde von Institutionen der freien Wirtschaft inszeniert: Da Firmen oder einzelne Personen (beispielsweise Al Gore) Geld mit dem Klimawandel verdienen, hätten sie den Klimawandel erfunden oder würden zumindest die resultierenden Gefahren übertreiben. So schreibt ein Nutzer: "Der ganze Klima-Hype von Gretel [gemeint ist Greta Thunberg; Anm. L.P.] ist nur ein Schwindel mit dem viele Konzerne sehr viel Geld verdienen."

Andere Kommentare sprechen ebenfalls von einer Verschwörung, jedoch einer von politischen Parteien oder der Regierung. Diese Regierungs-Verschwörungstheoretiker drücken ihre Überzeugung aus, der Klimawandel werde von politischen Institutionen inszeniert. Dies diene entweder dem Machterhalt oder dazu, Steuern einzuführen. "Seit über 10 Jahren weiß ich, das es bei der ganzen Aufregung um den angeblichen 'Klimawandel' […] nur darum geht, eine Steuer einzuführen", heißt es da beispielsweise. Andere Personen dieser Kategorie behaupten, hinter dem Aufmerksamkeitshoch für die Klimapolitik habe in Wahrheit eine geheime Strategie der Bündnisgrünen gesteckt, um die Europawahl zu gewinnen. Auch hierfür ein Beispiel-Kommentar: "Mediale Wahlkampfhilfe für die Grünlinge zur Europawahl ! .... um NICHTS anderes geht es dabei ..."

Gerade in dieser Kategorie finden sich auch Nutzer mit rechtspopulistischem Gedankengut. So schreibt einer [Originalschreibweise]: "die mehrkosten die jetzt durch diese themen für den bürger entstehen, ist im grunde die finanzierung für refugees welcome." Immer wieder finden sich Kommentare, die Flüchtlingspolitik und Klimawandel in einen Zusammenhang bringen; auch bei diesen ist ein Rechtsaußen-Hintergrund zu vermuten. Da sich auch die AfD häufig abfällig über Klimaforschung und Klimapolitik äußert, etwa im Bundestag, scheint hier ein neues Feld für Rechtspopulisten und Rechtsextreme entstanden zu sein, um Ressentiments und Hass zu verbreiten.

Aber nicht alle selbsternannten "Klimawandelskeptiker" zweifeln den Klimawandel an sich an. Manche bestreiten nur Deutschlands oder Europas Verantwortung in der Klimapolitik oder befürchten Nachteile für die hiesige Wirtschaft. Diese Kommentare habe ich (dem Politologen Achim Brunnengräber folgend) in der Kategorie Gegner der Energiewende zusammengefasst. Diese Kommentare bezweifeln etwa den Sinn des Atomausstiegs: "In der Zeit, wo wir unser Kohlekraftwerk schließen, baut China und Indien 600 neue." Andere meinen, ein kleines Land wie Deutschland können sowieso keinen Einfluss auf das Weltklima nehmen, weshalb hierzulande nichts unternommen werden solle: "Letztlich ist es egal, da Deutschland (siehe Energiewende) mit solchen hysterischen Aktionen sowieso kaum Nachahmer findet."

Diese vier habe ich als Hauptgruppen der Kommentierenden identifiziert, daneben gab es noch einige kleinere Kategorien. Eine von ihnen nenne ich Klimapolitikskeptiker (ebenfalls nach Brunnengräber). Sie argumentieren, die aktuellen politischen Maßnahmen zum Klimaschutz würden den Klimawandel sowieso nicht aufhalten. Damit bilden sie eine Ausnahme unter den hier analysierten Personen, da sie lediglich politische Maßnahmen bezweifeln, nicht wissenschaftliche Erkenntnisse zu Realität und Folgen des menschengemachten Klimawandels. Ein Beispiel: "Am Klima wird niemand durch irgendwelche politischen Maßnahmen auch nur irgendetwas drehen. KlimaPOLITIK ist ein Tropfen auf den heißen Stein, weil sie niemals nennenswerte Auswirkungen auf das Klima haben wird." Auch diese Art der Argumentation schadet jedoch einem ernsthaften, konstruktiven Diskurs um den Klimaschutz, deshalb kann sie als "klimawandelskeptisch" definiert werden.

Schließlich gibt es noch jene Personen, die den Klimawandel nicht bezweifeln – wohl aber, dass er sich überhaupt noch aufhalten oder bremsen lasse. Diese habe ich Apokalyptiker genannt, weil sie gern vom Weltuntergang schreiben. Ein Beispielkommentar hierzu: "Der Zug 'Erde' ist schon lange abgefahren, wird ja nicht umsonst fieberhaft nach bewohnbaren Planeten gesucht!!!" Andere bestreiten nicht, dass es prinzipiell Maßnahmen gäbe, den Klimawandel aufzuhalten - allerdings halten sie es für unmöglich, dass die Menschheit diese ergreifen könne: "Selbst wenn der Mensch das Klima durch seine Industrien beeinflusst, so wird er es niemals durch Maßnahmen zu ‚schützen‘ versuchen. Zum Nachhaltigkeitsdenken ist der Mensch doch gar nicht fähig."

 

Vier von fünf Facebook-Kommentaren kamen von offenbar männlichen Nutzern. Oft waren es Viel-Diskutierer. Und was sie äußerten, waren häufig Wiederholungen derselben Argumentationsmuster

 

Meine Analyse zeigt, dass die sogenannten "Klimawandelskeptiker" in zahlreichen Schattierungen auf Facebook auftreten und dass sie auch subtiler argumentieren können, als schlicht wissenschaftliche Fakten zu leugnen. Zudem ist auch ein quantitativer Blick auf die Gesamtheit der untersuchten Facebook-Postings interessant (wobei ich keine detaillierte quantitative Analyse vorgenommen habe): In meinem Korpus, der 582 Kommentare umfasst, stammten 83 Prozent von Accounts mit männlichem Vornamen. Selbst wenn das Geschlecht auf Facebook letztlich nicht nachprüfbar ist, erscheint diese hohe Zahl auffällig. Außerdem kommen 30 Prozent der Kommentare von Accounts, die mehrfach im Korpus auftauchen - anscheinend kommentieren also wenige Accounts sehr viel, und verbreiten zumindest in meiner Analyse häufig dieselben Ansichten, verfolgen dieselben Argumentationsmuster.

Dies deutet darauf hin, dass ein kleiner Teil von Nutzer-Accounts auf Facebook für einen Großteil der "klimawandelskeptischen" Kommentare verantwortlich ist. Aber wenn dort immer wieder dieselben Leute mit denselben Inhalten auftreten und in denselben Kategorien kommentieren – dann sollte es eigentlich nicht allzu schwer sein, ihnen künftig besser entgegenzutreten. Ist einmal ein Muster identifiziert, lassen sich Strategien erarbeiten, mit diesen Personen und ihren Wortmeldungen umzugehen.