„Was nützt?“ Kürzer, klarer lässt sich nicht formulieren, was viele Menschen fragen, wenn sie an die Klimakrise denken. „Was nützt?“ Bisweilen klingt da auch schon ein bisschen Verzweiflung mit, Ungeduld, dass man jetzt bitte wissen will, was denn zu tun wäre, um die schlimmsten Folgen des Klimawandels noch zu verhindern. Und wenn man es wüsste, würde man es ja tun. Aber man liest und hört so viel Widersprüchliches in den Medien oder aus der Politik, und die Forschung ist sich nicht einig, und deshalb kann man noch nicht…

„Was nützt?“ So simpel die Frage, so schwer wiegen die Antworten. Die Veränderungen, die in den kommenden Jahren passieren müssen, sind gewaltig. Viele empfinden sie sogar als überwältigend. Doch oft (das ist die gute Nachricht) kann die Wissenschaft verlässlich Orientierung geben. In vielen Bereichen hat sie in den vergangenen Jahren bereits ziemlich klare Antworten dazu erarbeitet, wie man Wirtschaft und Gesellschaft dekarbonisieren könnte – oder um einen noch neueren, sperrigeren Begriff aus der Forschung zu verwenden: wie man die Welt „defossilisieren“ könnte. Denn es wird nicht überall gelingen, Kohlenstoff („carbon“) zu ersetzen. Nur darf es eben kein Kohlenstoff mehr aus fossilen Quellen samt seiner klimaverändernden Abgase sein, der künftig in Energieversorgung, Industrie, Verkehr, Landwirtschaft oder sonstwo genutzt wird.

Dass die Menschheit in der Klimakrise auf Kipppunkte zusteuert, löst vielfach Gefühle von Ohnmacht und Überforderung aus. Doch umsetzbare Klimalösungen stehen längst bereit – unser neues Ressort "Was nützt...?" beleuchtet, was wirklich etwas bringt; Foto: Carel Mohn

Die schlechte Nachricht ist, dass zu wenig von diesen Forschungsergebnissen in der Öffentlichkeit ankommt. Ob in Talkshows oder auf Zeitungsseiten, in Social-Media-Posts oder den Reden von Politikerinnen und Politikern – an vielen Stellen wird zwar inzwischen über Klimathemen gesprochen. Doch häufig dominieren Katastrophennachrichten, die Menschen zum Abschalten bewegen. Auf allen Kanälen prasselt eine Kakophonie kleiner Einzelmeldungen auf das Publikum ein, in der das große Ganze versinkt. Kritiker, Bremser und Gegner von Klimaschutz hingegen sind laut und haben simple Botschaften.

Untersuchungen zeigen, dass die übergroße Mehrheit der Menschen sowohl in Deutschland wie auch international zu (individuellen) Veränderungen zugunsten des Klimas bereit ist. Allerdings haben sie oft völlig falsche Vorstellungen davon, wo die wirksamen Hebel liegen: So wird etwa ein Verzicht auf Plastiktüten in seiner Klimawirksamkeit erheblich über-, ein reduzierter Fleischkonsum hingegen stark unterschätzt. Hinzukommen gezielte Falschinformationen von interessierter Seite. Insgesamt wird die Klimadebatte als polarisierend wahrgenommen. Viele Menschen wenden sich eher ab, statt sich engagiert hineinzustürzen oder motiviert und wohlinformiert herauszukommen.

Kaum jemand leugnet noch direkt den menschengemachten Klimawandel, aber an Klimaschutz und seiner Wirksamkeit werden Zweifel gesät

Gut zwei Jahre ist es her, dass wir in der Redaktion anfingen zu überlegen, wie wir auf diese veränderte Debattenlage reagieren können. Der Sechste Sachstandsbericht (AR6) des IPCC war gerade erschienen, noch klarer waren die wissenschaftlichen Belege geworden, dass der Mensch das Klima auf gefährliche Weise verändert, noch dringender die Mahnungen zum Handeln. Dieses Wissen zu naturwissenschaftlichen Aspekten des Klimawandels haben wir seit unserer Gründung 2011 im Ressort „Fakt ist …“ in fast 50 Faktenchecks aufbereitet.

Doch Desinformation zum Klimawandel hat sich in den vergangenen Jahren deutlich gewandelt. Wie etliche Untersuchungen zeigen, ist das komplette Bestreiten der menschengemachten Erderhitzung stark zurückgegangen, klassische „Klimawandel-Leugner“ gibt es kaum noch. Massiv zugenommen haben hingegen Botschaften, die gezielt Zweifel an der Lösbarkeit der Klimakrise säen, Verantwortung ablenken oder die Wirksamkeit bestimmter Technologien bestreiten. Als Verzögerungsdiskurse („discourses of delay“) wird dieses Phänomen in der Forschung bezeichnet (wir haben dazu ein Poster und ein Quiz produziert). Besonders schwierig an solchen bremsenden Einwänden ist, dass sie oft einen durchaus wahren Kern enthalten, dass sich auch manchmal berechtigte (soziale) Sorgen in ihnen spiegeln, dass sie häufig auch von etablierten Akteuren vorgebracht werden, etwa von einzelnen politischen Parteien, wie kürzlich eine Analyse für Österreich zeigte.

Die übergroße Mehrheit der Bevölkerung will mehr Klimaschutz, und das Interesse an erfolgversprechenden Lösungsoptionen ist riesig

Wir haben uns gefragt: Was kann in dieser Situation helfen? Als Wissenschaftsportal sind wir – wenig überraschend – darauf gekommen, die wissenschaftlichen Erkenntnisse besser zu kommunizieren. Denn, wie erwähnt, hat die Forschung bereits umfangreiches Wissen zu wirksamen Klimaschutzmaßnahmen vorgelegt. Zu finden ist es beispielsweise in Band 3 des Sechsten IPCC-Sachstandsberichts. Auf satten 2042 Seiten gibt er einen Überblick, welche erfolgversprechenden Klimaschutzoptionen es etwa für die Industrie, für den Verkehr, für den Ernährungssektor gibt. Aber weil er Anfang 2022 als letzter von drei Bänden des Mega-Reports erschien, hat er in den Medien kaum Widerhall gefunden.

Dabei ist das Interesse der Öffentlichkeit an Lösungen riesig. Das merken wir immer wieder in persönlichen Gesprächen oder Anfragen an die Redaktion. Das zeigen aber auch Umfragen, etwa des Yale Program on Climate Change Communication. Es erkundigte sich Ende 2023 bei einem repräsentativen Querschnitt der US-Bevölkerung: „Wenn Sie einem Klimaexperten nur EINE EINZIGE Frage stellen könnten, welche wäre es?“ Die Antwort war eindeutig. Lediglich 20 Prozent der Befragten wollten (noch) Belege für die Existenz des Klimawandels, 18 Prozent wollten etwas über dessen Ursachen wissen, elf Prozent interessierten sich am stärksten für die Folgen – aber 44 Prozent, also fast soviel wie alle anderen Gruppen zusammen, hätten einen Experten nach Lösungen für die Klimakrise gefragt. Und dieses Interesse lag übrigens in allen Bevölkerungsgruppen vorn, egal ob man die Probanden nach Alter, Bildung, Einkommen oder Herkunft betrachtete. (Nur eine einzige Ausnahme gab es: konservative Anhänger der Republikanischen Partei.)

Eine Analyse der Europäischen Investitionsbank (EIB) kam zu einem ganz ähnlichen Ergebnis. In der sechsten Ausgabe ihrer regelmäßigen Klima-Umfrage mit rund 30.000 Probanden in 35 Ländern (EU und USA) erkundete die EIB, wieviel die Menschen übers Klima wissen – und was genau. Das durchgängige Ergebnis (bei regionalen Unterschieden): Über Ursachen und Folgen des Klimawandels wissen die meisten Leute ganz gut Bescheid – aber viel weniger Informationen haben sie über Lösungen. In Deutschland zum Beispiel erreichten die Befragten beim Wissen zu Ursachen knapp 6,5 Punkte (auf einer Skala von eins bis zehn), beim Wissen zu Folgen des Klimawandels sogar gut 7,5 Punkte – bei möglichen Klimaschutz-Instrumenten jedoch wurden lediglich 4,4 Punkte erreicht.

Speziell mit Blick auf diese Wissenslücken haben wir also seit Ende 2021 unser neues Textformat "Was nützt...?" entwickelt. Sehr schnell war klar, dass diese Artikel anders aussehen müssen als unsere klassischen Faktenchecks zu naturwissenschaftlichen Fragen. Kategorische Aussagen nach dem Muster „Fakt ist …“ sind beim Thema Klimaschutzlösungen meist unangemessen. In diesem Bereich der Klimaforschung spielen Sozialwissenschaften eine große Rolle. Ökonomik oder Ingenieurwissenschaften, Soziologie oder Verhaltensforschung verwenden oft andere Methoden, andere Arten von Evidenz als die Naturwissenschaften. Und während etwa in der Atmosphärenforschung absolute Aussage über Zusammenhänge verschiedener physikalischer Parameter möglich sind, kommt es zum Beispiel bei der Frage, mit welchen Kosten bei der Erzeugung von grünem Wasserstoff zu rechnen ist, auf viele Rahmenbedingungen an, und die Ergebnisse sind auch bei sorgfältigster Arbeit mit größeren Unsicherheiten behaftet.  

Auf einem Fundament gesicherten Wissens
können Debatten zu Klimapolitik konstruktiver geführt werden

Der wichtigste Unterschied aber: Entscheidungen zu Klimaschutzlösungen hängen von vielen Faktoren ab, die jenseits der Sphäre der Wissenschaft liegen. Welche Kosten man für vertretbar hält oder welche Klimaschäden man hinzunehmen bereit ist, welche Risiken eine Gesellschaft eingeht, wie sie Lasten und Vorteile von Klimaschutzmaßnahmen verteilt – diese und viele andere Fragen sind stark abhängig von persönlichen Präferenzen, von Werten und Weltanschauungen einer Person. In demokratischen Gesellschaften soll, ja muss über solche Fragen debattiert und gestritten werden.

Oft werden bei solchen Diskussionen aber Sach- und Bewertungsfragen vermischt. Wer eine bestimmte Klimaschutzmaßnahme für eine unzumutbare Freiheitseinschränkung hält, sagt dies häufig nicht offen – sondern behauptet, sie würde überhaupt nicht funktionieren, sie würde die Emissionen kaum senken, sie würde negative Nebenwirkungen haben. Zu derartigen Sachfragen jedoch hat die Forschung oft verlässliche Antworten: Bei Photovoltaik- und Windkraftanlagen etwa ist eindeutig, dass sie die für ihre Herstellung aufgewendete Energie bereits in kurzer Zeit wieder eingespielt haben (einer unserer „Was nützt?“-Texte befasst sich genau hiermit).

Unsere Hoffnung ist: Wenn faktische Fragen bei kontrovers diskutierten Klimaschutzoptionen geklärt sind, kann man sich besser auf Werteaspekte konzentrieren, können gesellschaftliche und politische Debatten fokussierter und konstruktiver geführt werden. Artikel mit einem schneidigem „Fakt ist …“ am Anfang jedoch würden viele Gespräche eher verhärten als befördern.

Das Feedback eines Testlesers: „Absolut korrekt“
und „an vornehmer Zurückhaltung kaum zu übertreffen“

In mehreren Schritten probierten wir deshalb – unterstützt von einer freien Wissenschaftsjournalistin und zahlreichen Probeleserinnen und -lesern – verschiedene Texttypen aus. Schnell war klar, dass ein Frage-Antwort-Format am besten funktioniert, in dem der Stand der Forschung in handlichen Paketen aufbereitet ist. Doch was bei diesen Artikeln genauso ist wie bei unseren „alten“ Faktenchecks: Sie sind möglichst allgemeinverständlich formuliert und gesättigt mit Verweisen auf die Forschungsliteratur.

„Ihr Text ist“, schrieb uns während der Konzeptionsphase des neuen Ressorts ein Testleser, „wie immer bei Ihnen sehr gut geschrieben, in der Sache absolut korrekt, aber an vornehmer Zurückhaltung kaum mehr zu übertreffen und daher für mich, offen gestanden, fast unerträglich.“ Wir haben dieses Feedback – also den letzten Halbsatz – als Kompliment verstanden und zum inoffiziellen Motto des Ressorts erhoben. Größtmögliche Nüchternheit und Zurückhaltung sollen dabei helfen, dass die „Was nützt?“-Artikel für alle Menschen lesbar und brauchbar sind, die eine konstruktive Klimaschutzdebatte möchten – egal ob sie grün-alternativ, wirtschaftsliberal oder konservativ sind, ob sie Fan einer bestimmten Klimaschutzoption sind oder nicht. Dieses Konzept hat auch die Marga und Kurt Möllgaard-Stiftung sowie die Deutsche Bundesstiftung Umwelt überzeugt, die das neue Ressort großzügig fördern und uns erlauben, bis mindestens Ende 2026 im Schnitt einen neuen Artikel pro Monat zu veröffentlichen.

Die Texte sollen auch einer bisweilen auftauchenden Mutlosigkeit entgegenwirken, einem resignierenden „Nützt doch alles nichts…“ Denn auch wenn die Menschheit bislang zu wenig tut – es ist nicht zu spät für Klimaschutz. Rein technisch wäre es wohl sogar noch möglich, das 1,5-Grad-Limit bei der Erderhitzung zu halten; und das 2-Grad-Limit ließe sich mit konsequenter Politik gewiss erreichen. Es bräuchte dafür nicht einmal mehr große Entdeckungen, betonte die Internationale Energieagentur (IEA) Ende 2023: „Das Erreichen der Klimaziele erfordert keine fundamental neuen technologischen Konzepte.“ Natürlich sind noch Innovationen nötig, das Hochskalieren neuer Technologien, das praktische Einführen (mit all seinen Lern- und Kostensenkungseffekten). Aber die Zeit ist knapp, um die Klimaverhältnisse auf noch beherrschbarem Niveau zu stabilisieren, das Geld sowieso.

Wo man Zeit und Geld investieren sollte, wenn man Erfolg haben will, kann die Wissenschaft bereits ziemlich klar sagen. Unser Ressort „Was nützt?“ kann es deshalb auch.