Unter Narrativen versteht man sinnstiftende Erzählungen in einer Gesellschaft. Werden sie längerfristig verwendet, setzen sie sich in unseren Köpfen fest. Sie werden Teil unseres Bewusstseins und unserer gefühlten Wahrheit. Sie beeinflussen damit auch das Handeln der Menschen – und das der Politik.

Spätestens seit den 1990er Jahren, als mehr als 150 Staaten erst in New York die UN-Klimarahmenkonvention und später das Kyoto-Protokoll beschlossen, sind Erderhitzung und Klimaschutz wichtige politische Themen. In der nun jahrzehntelangen Debatte haben sich unter anderem zwei prägende Narrative etabliert: Dass „jeder Einzelne von uns seinen Beitrag zum Kampf gegen die Erderwärmung leisten“ müsse und dass „nur Reiche sich Klimaschutz leisten können“.

Doch diese Narrative lenken heute vom eigentlichen Thema ab (anders als bei manch anderen, von politischen Akteuren bewusst geprägten Narrativen, hier wohl unbeabsichtigt). Ferner verwirren sie, machen Angst und tragen dazu bei, dass die Akzeptanz von Klimapolitik seit Jahren sinkt. Nur wenn sie durch andere Narrative ersetzt werden, und sich entsprechend die Klimapolitik anpasst, kann eine engagierte Klimapolitik wieder – wie es dringend nötig ist – eine deutlich größere gesellschaftliche Akzeptanz erfahren.

In Umfragen zeigen sich „Sorgen“ und „Angst“ vor überfordernder Klimapolitik – aber das Ziel wird weiter befürwortet

Zwar war Klimapolitik auch und gerade in Deutschland insbesondere im Bereich des Ausbaus der Erneuerbaren Energien und im Vergleich zu vielen anderen Ländern durchaus erfolgreich. Sie wird dabei von einer deutlichen Mehrheit bis heute grundsätzlich als notwendig und wichtig gesehen.

Inzwischen allerdings machen sich mehr als 80 Prozent der Deutschen „Sorgen darüber, dass durch den ökologischen Wirtschaftsumbau ihre Lebenskosten steigen würden“. Und knapp 40 Prozent bekunden in Umfragen, sie hätten „Angst vor einem sozialen Abstieg aufgrund dieses Umbaus“. Für diese Sorgen und Ängste dürfte insbesondere das Narrativ, für den Klimaschutz müssten alle etwas beitragen, mitverantwortlich sein. Die Sorgen und Ängste wiederum sind mitverantwortlich für die laut Umfragen seit Jahren sinkende Akzeptanz der konkreten Klimapolitik. Und entscheidend für die Akzeptanz klimapolitischer Maßnahmen ist laut einer Metastudie, für die 51 Einzeluntersuchungen aus 33 Ländern mit insgesamt fast 120.000 Probanden ausgewertet wurden, deren „wahrgenommene soziale Gerechtigkeit“ (Bergquist et al. 2022).

Privatjet, Yacht oder Luxuslimousine (hier ein Rolls-Royce Phantom V Coupe) – der Lebensstil von Superreichen hat einen extrem hohen CO2-Ausstoß; Foto: Wikimedia Commons/Matti Blume

Die Überlegung, dass für den Klimaschutz alle ihr Verhalten ändern müssten, ist zunächst durchaus nachvollziehbar. Denn wenn Klimaneutralität angestrebt wird, darf am Ende ja wirklich niemand mehr Netto-Emissionen verursachen. Daher muss – vermeintlich – jede und jeder das eigene Verhalten ändern. Doch auf grundlegende Veränderungen im Alltag hätten die Deutschen „erkennbar wenig Lust“, wie es vor ein paar Wochen der Spiegel formulierte.

Bei denjenigen, die ohnehin bereits in großer finanzieller Unsicherheit leben, geht es dabei weniger um „Lust“ als darum, dass sie trotz ihrer bereits prekären Situation befürchten, es könnte für sie noch schlechter werden. Dabei ist es zunächst irrelevant, ob die bisherige Klimapolitik tatsächlich Menschen mit wenig Geld besonders stark belastet hat. Relevant ist, dass viele Menschen die bisherige Klimapolitik als ausgesprochen unsozial wahrgenommen haben – obwohl Belastungen der Klimapolitik insbesondere für Menschen mit wenig Geld in zahlreichen Fällen kompensiert wurden, so zum Beispiel in den letzten beschlossenen Regeln zur Förderung von Wärmepumpen.

Die Wahrnehmung der Klimapolitik ist in den vergangenen Jahren aber deutlich negativer geworden. Und im laufenden Bundestagswahlkampf findet sie kaum statt. Es scheint darum zu gehen, „das Klimathema aus der Schusslinie zu nehmen, möglichst wenig anzuecken, die Ambitionen herunterzuschrauben“, so der Soziologe Linus Westheuser und die Politökonomin Johanna Siebert in einem Essay mit dem Titel „Warum wir einen Klimapopulismus brauchen“.

Die Ambitionen herunterzuschrauben, erscheint aber nicht nur angesichts der immer heftigeren Folgen der Erderhitzung völlig unangemessen. Zudem sind mehr als zwei Drittel der Bevölkerung der Meinung, dass die Bundesregierung beschlossene Klimaziele auch erreichen sollte, und gut die Hälfte hält die Anstrengungen der Bundesregierung beim Klimaschutz für zu gering.

Wie also kann bei der bestehenden gesellschaftspolitischen Stimmung weiterhin ambitionierter und erfolgreicher Klimaschutz politisch umgesetzt werden?

Müssen tatsächlich „alle“ sich ändern? Nein, viele Menschen haben das Klimaziel bereits erreicht

Schauen wir zunächst auf konkrete Emissionszahlen. Denn die große Frage ist, ob auch Menschen, die gewissermaßen ihren Anteil an den nationalen Klimazielen bereits erreicht haben, ihr Verhalten ändern müssen? Gibt es solche Menschen im wohlhabenden Deutschland?

Das offizielle deutsche Klima-Zwischenziel für das Jahr 2030 lautet, dass die CO2-Emissionen im Vergleich zu 1990 um mindestens 65 Prozent gesenkt werden müssen. Das bedeutet, umgerechnet auf die Gesamtbevölkerung, dass der Ausstoß an Treibhausgasen in Deutschland im Jahr 2030 noch durchschnittlich gut 5,2 Tonnen CO2 pro Person und Jahr betragen darf. Im Durchschnitt lag die ärmere Hälfte der Deutschen – so zeigt es ein Report von Oxfam Deutschland – bereits 2019 mit durchschnittlich 5,4 Tonnen pro Kopf-Emissionen fast bei diesem Wert, der größte Teil dieser Bevölkerungsgruppe wohl sogar deutlich darunter. Und durch den weiteren Ausbau Erneuerbarer Energien in den vergangenen Jahren sind die deutschen Emissionen noch weiter gesunken. Die ärmere Hälfte der Deutschen ist also heute schon da, wo bis 2030 alle hinmüssen.

Ist es ethisch vertretbar, von ihnen zu verlangen, ihr Verhalten nennenswert zu ändern? Insbesondere vor dem Hintergrund, dass es auf der anderen Seite viele Menschen in Deutschland gibt, die mit ihren Pro-Kopf-Emissionen seit Jahren und sehr wahrscheinlich noch für viele weitere Jahre massiv über dem Ziel für 2030 liegen? So sind die durchschnittlichen Emissionen des einkommensstärksten Prozents mit knapp 84 Tonnen pro Kopf und Jahr gut fünfzehn Mal so hoch, wie mit dem 2030er-Ziel verträglich.

 

„Die ärmere Hälfte der Bevölkerung erfüllt praktisch schon das Klimaziel für 2030. Das oberste Prozent hingegen liegt bei den Pro-Kopf-Emissionen 15-fach darüber.“

 

Hinzu kommt, dass Menschen mit wenig Geld aus verschiedenen Gründen, die sie nicht zu verantworten haben, schlichtweg kaum in der Lage sind, nennenswerte Emissionseinsparungen selbst umzusetzen. Beispielsweise dürfen und können sie als Mietende das Haus, in dem sie wohnen, nicht selbst energetisch sanieren. Als Nutzer des öffentlichen Verkehrs haben sie keinen Einfluss auf dessen Antriebsart – und damit auf dessen Emissionen. Da sie sich oft kein Auto (und wenn überhaupt, dann kein neues) leisten können, sind sie angesichts des noch sehr begrenzten Angebotes auf dem Gebrauchtwagenmarkt kaum in der Lage, sich ein E-Auto zu kaufen. Auch auf die Emissionen der Allgemeingüter und Infrastrukturen wie Polizei, Feuerwehr, Krankenhäuser, Militär, Schulen, öffentliche Schwimmbäder oder die staatliche Verwaltung haben sie keinen Einfluss. (Diese machen mehr als eine Tonne CO2 pro Jahr und Person aus – also bei der ärmeren Bevölkerung immerhin rund ein Fünftel ihrer gesamten Pro-Kopf-Emissionen.).

Um die Emissionen von Geringverdienern weiter zu senken, müssen also zu allererst andere aktiv werden: die Vermietenden, die Betreiber des Öffentlichen Verkehrs, die Käufer neuer Autos, damit E-Autos irgendwann in großer Zahl auf dem Gebrauchtwagenmarkt ankommen und so weiter. Und bei den Allgemeingütern ist der Staat in der Pflicht.

Doch mit dem Narrativ, dass alle ihren Beitrag zum Umweltschutz leisten müssten, werden diejenigen mit unterdurchschnittlichen Einkommen vor eine praktisch unlösbare Aufgabe gestellt – obwohl sie ihren Anteil am Erreichen des Klimaziels für 2030 bereits erfüllt haben (ob nun freiwillig oder nicht). Wenn diese Menschen allein aufgrund dieses Narrativ erwarten können oder müssen, dass die Klimapolitik auch sie zwingt oder nötigt, sich und ihr Verhalten zu verändern, dann ist es sehr nachvollziehbar, dass sie Angst vor einer solchen Politik haben. Und entsprechend klimapolitische Maßnahmen intuitiv ablehnen – auch dann, wenn sie, wie sehr viele Menschen, Klimaschutz im Grundsatz sehr wichtig finden und die konkrete Maßnahme bei genauer Betrachtung für sie tatsächlich gar keine Gefahr darstellt.

Einkommensschwache Menschen sollten nicht mit einem unpassenden Narrativ verängstigt, sondern unterstützt werden

Langfristig müssen aber auch die bereits heute recht niedrigen Emissionen der Menschen mit wenig Geld weiter sinken – das offizielle deutsche Ziel lautet schließlich Klimaneutralität bis 2045. Angesichts der größtenteils fehlenden Möglichkeiten einkommensschwacher Menschen, ihre eigenen Emissionen nennenswert zu senken, sollten sie nicht durch ein unpassendes Narrativ verunsichert und verängstigt werden. Gerade bei ihnen sollte die Politik daher die Förderung von Energieeffizienzmaßnahmen stärken. Damit verbessert sich ihre Klimabilanz, und sie sparen Geld.

Gute Beispiele dafür sind die sozial gestaffelte Förderung von Wärmepumpen oder der Stromspar-Check, bei dem gezielt Menschen mit wenig Geld eine kostenlose Energiesparberatung erhalten. Ferner sollten Menschen mit geringen Einkommen dabei unterstützt werden, mit den Kosten und Belastungen der Erderhitzung zurechtzukommen – die beispielsweise durch häufigere, stärkere und längere Hitzewellen verstärkt auf uns zukommen werden. Gerade sozial Schwache sind davor vergleichsweise schlecht geschützt. Dies könnten zusätzliche Bäume und Parkanlagen in ärmeren Wohnvierteln sein, die das Kleinklima abkühlen, ebenso Zuschüsse zu Hitzeschutzmaßnahmen oder Klimaanlagen beispielsweise in Altersheimen. Hier sind bereits mit dem Ende 2023 beschlossenen Klimaanpassungsgesetz und entsprechenden Fördermaßnahmen wichtige Schritte unternommen worden.

Nicht zuletzt muss der Staat die Belastungen, die die Klimapolitik tatsächlich teilweise auch für Menschen mit wenig Geld darstellen kann, gezielt bei ihnen ausgleichen. Zu nennen wären hier beispielsweise höhere Kosten für Sprit und fossile Heizstoffe durch den gewollt steigenden CO2-Preis. Zentral dabei ist: Wenn dieser Ausgleich Ängste vor der Klimapolitik senken und die Akzeptanz von Klimapolitik steigern soll, muss er für die Menschen ähnlich gut erkennbar sein wie die Belastungen selbst.

Nicht nur die Superreichen, das gesamte obere Zehntel der Gesellschaft verursacht große Mengen an CO2

Damit bei einem solchen neuen Ansatz der Klimapolitik auch die notwendigen Emissionseinsparungen erzielt werden, müssen die Menschen auf der anderen Seite der Einkommensverteilung stärker in den Blick genommen werden. Das führt zum zweiten eingangs genannten Narrativ: dass Klimaschutz nur etwas für Reich sei. Dieses Narrativ schürt zwar keine Ängste, führt aber zu Verwirrung und lenkt vom eigentlichen Thema ab.

Dabei erscheint auch dieses Narrativ auf den ersten Blick einleuchtend. Denn oft ist klimafreundliches Verhalten oder sind klimafreundliche Produkte teurer als die emissionsintensiven Alternativen: die Bahnfahrt, wenn das eigene Auto sowieso vor der Tür steht; das Apartment im neugebauten und gut gedämmten Mehrfamilienhaus im Vergleich zu einer Wohnung im unsanierten 60er-Jahre-Wohnblock. Oder das vegane Schnitzel, das meist (aber längst nicht mehr immer) im Vergleich zum Schweineschnitzel noch teurer ist. Aber tatsächlich ist das aus Sicht des Klimaschutzes nicht entscheidend.

Entscheidend ist, dass es sich einige leisten, das Klima extrem zu schädigen. Es sind die Reichen, die einen in der Regel besonders klimaschädlichen Lebensstil pflegen. Zur Erinnerung: Das reichste Prozent der Deutschen emittierte 2019 pro Person mit mehr als 80 Tonnen durchschnittlich gut 15-mal mehr, als eine Person nach dem offiziellen Ziel im Jahr 2030 noch dürfte. Dies betrifft besonders – wenn auch nicht nur – die Superreichen, die sich beispielsweise einen Privatjet, eine Villa, eine Yacht oder viele Urlaube im Luxusressort leisten können und in der Regel auch leisten. Das alles hat sehr hohe Treibhausgasemissionen zur Folge. Ferner haben die Superreichen in der EU ihre Emissionen zumindest bis 2015 stetig erhöht, statt sie – wie andere soziale Gruppen – entsprechend der Klimaziele zu senken.

 

„Würde die reichere Hälfte der Bevölkerung nur so viel Kohlendioxid verursachen wie die ärmere, würden die gesamten Emissionen Deutschlands fast halbiert.“

 

Aber nicht nur die Superreichen, auch schon das „obere Zehntel“, also die einkommensstärksten zehn Prozent der Bevölkerung, liegt mit knapp 30 Tonnen Jahresemissionen pro Person noch gut fünf Mal über dem Wert, der durchschnittlich im Jahr 2030 erreicht sein muss. Diese zehn Prozent sind allein für knapp 30 Prozent des gesamten Treibhausgas-Ausstoßes Deutschlands verantwortlich.

Noch eine letzte Zahl aus der einkommensgewichteten Emissionsstatistik: Würde die reichere Hälfte der Bevölkerung nur so viel Kohlendioxid verursachen wie die ärmere, würden die gesamten Emissionen Deutschlands fast halbiert. Die reiche Hälfte würde damit fast doppelt so viele Emissionen einsparen, wie die ärmere Hälfte insgesamt emittiert. Während den ärmeren für den klimaschädlichen Luxus das Geld fehlt und sie daher bereits eher klimaschonend leben, sind es die Reichen, die einen massiv überdurchschnittlichen Ausstoß von Treibhausgasen verursachen.

… und anders als sozial schwache Gruppen besitzen Wohlhabende auch die Mittel, um Klimaschutz zu machen

Daran wird deutlich, wer in der Verantwortung steht, sein Verhalten zu ändern und einen Beitrag für den Umbau unserer Gesellschaft hin zu Klimaneutralität zu leisten hat. Es sind insbesondere die Superreichen, die heute massiv zu viel CO2 emittieren. Es geht also nicht darum, dass sich nur die Reichen Klimaschutz leisten können – sondern dass vor allem und zuallererst die Reichen ihre Emissionen drastisch reduzieren, ihr Verhalten ändern und für die Transformation aufkommen müssen. Das sehen im Übrigen auch drei Viertel der Bevölkerung so, wie eine Analyse der Meinungsforschungs- und Beratungsagentur pollytix im Auftrag des Bundesumweltministeriums zeigt.

Anders als Einkommensschwächere können die Reichen auch tatsächlich etwas tun. Sie können auf manche besonders klimaschädlichen Aktivitäten verzichten, ohne dabei Not zu leiden. Sie haben finanzielle Kapazitäten, um in die eigene Klimaneutralität zu investieren. Beides ist bei Menschen mit wenig Geld nicht oder kaum der Fall. Wohlhabende können ihr Haus dämmen, weniger fliegen, eine klimaneutrale Heizung einbauen, ein E-Auto kaufen, eine PV-Anlage auf dem eigenen Dach installieren und ihre Geldanlagen umschichten weg von solchen der fossilen hin zu solchen der Erneuerbaren Energien. Ein Narrativ wie „Reiche sind in der Klimaverantwortung“ würde dies ausdrücken.

Durch gezielte Besteuerung das Geld weglenken von klimaschädlichem Luxus hin zum Klimaschutz

Während reiche Menschen ihr Geld oft für sehr klimaschädliche Aktivitäten ausgeben, wurde in den vergangenen Jahren angesichts der dauerhaften Debatten um den Bundeshaushalt sehr deutlich, dass dem Staat viel Geld fehlt – nicht nur, aber auch – für eine erfolgreiche und soziale Klimapolitik. Entsprechend ihrer Verantwortung für die Erderhitzung und dem in der deutschen Umweltpolitik grundsätzlich geltenden Verursacherprinzip sowie ihrer erheblichen finanziellen Mittel sollten hier die Reichen herangezogen werden. Beispielsweise mit einer Klimasteuer auf besonders klimaschädigende und Luxusprodukte. Mit dieser würden die weniger wohlhabenden Bevölkerungsteile praktisch nicht belastet. Stärker besteuert würde nur das, was sich ohnehin nur Reiche leisten können – beispielsweise sehr große Verbrennerautos, große Zweitwohnsitze, Erste-Klasse-Flugtickets oder Yachten.

Ferner sollten höhere Steuern auf besonders hohe Einkommen und höhere Steuern auf große Vermögen oder große Erbschaften erhoben werden, um die Einnahmen des Staates zu vergrößern. Mit einem solchen Klimasoli könnte das notwendige Geld eingenommen werden, um die sozial-ökologische Transformation voranzutreiben und die ärmeren Menschen von den Belastungen des Klimawandels zu entlasten.

 

„Mit einem ‚Klimasoli‘ könnte das notwendige Geld eingenommen werden, um die sozial-ökologische Transformation voranzutreiben und die ärmeren Menschen von den Belastungen des Klimawandels zu entlasten.“

 

Reiche Menschen wären dann noch lange nicht arm, sie würden nach wie vor ein sehr gutes Leben führen können und noch immer überdurchschnittlich viele Treibhausgasemissionen verursachen. Aber ein Teil ihres Geldes würde verschoben: Weg von besonders klimaschädigenden Produkten oder Lebensstilen hin zur Förderung der gesellschaftlich notwendigen sozial-ökologischen Transformation – eine Win-Win-Situation. Eine solche Strategie zur Finanzierung des Umbaus wäre nicht nur effektiv, sondern auch fair. Soziale Gerechtigkeit ist ausgesprochen wichtig, so auch Steffen Mau, Thomas Lux und Linus Westheuser in ihrem Buch Triggerpunkte, da „die (wahrgenommene) Fairness … zur conditio sine non qua non der Akzeptabilität ökologischer Reformanstrengungen“ geworden ist.

Das Narrativ, dass nur Reiche sich den Klimaschutz leisten können, kann ferner dazu führen, dass sich ärmere Menschen fälschlicherweise als Klimasünder fühlen und ein Schuldgefühl entwickeln. Verbunden mit dem Wissen, dass sie selbst ihre Klimabilanz kaum verbessern können, sind Ohnmachts- und Minderwertigkeitsgefühle möglich. Denn auch diese Menschen machen sich ja Sorgen über die Erderhitzung und haben Angst vor den Folgen. Auch sie wollen oftmals etwas tun. Die bereits erwähnte pollytix-Analyse nennt diese Gruppe „prekäre Überzeugte“ und zählt etwa sechs Prozent der Bevölkerung dazu.

Anders als das gängige Narrativ suggeriert, müssen diese Menschen zwar bei weitem nicht so viele Emissionen senken wie der Rest der Bevölkerung oder gar die Wohlhabenden – wenn überhaupt. Aber sie können sich beispielsweise politisch engagieren. Damit diejenigen, die die Mittel für Investitionen in den Klimaschutz haben, aktiv oder aktiver werden. Ein Narrativ, das deutlich macht, dass in der Regel die Reichen die größten Klimasünder sind und die Verantwortung für die Lösung der Klimakrise zwar haben, sie aber nicht übernehmen, könnte diesen Menschen mit wenig Geld mehr Selbstbewusstsein geben.

Fazit: Es braucht neue Narrative für eine faire, gerechte und sozial ausgewogene Klimapolitik

Die eingangs genannten, im Diskurs weitverbreiteten Narrative zum Klimaschutz irritieren also. Sie lenken davon ab, welche Bevölkerungsgruppe tatsächlich Hauptverursacher der Erderhitzung ist – und entsprechend Verantwortung übernehmen muss. Dies sind nicht „wir alle“ und insbesondere nicht diejenigen mit wenig Geld. Die dominierenden Narrative sollten deshalb ersetzt werden durch solche, die deutlich machen, dass

  • erstens die Reichen die Hauptverursacher der Erderhitzung sind, dass sie
  • zweitens dazu in der Lage sind, ihre eigenen Emissionen schnell und deutlich zu reduzieren und
  • drittens auch diejenigen sind, die einen größeren finanziellen Beitrag für den Klimaschutz leisten können und müssten.

Wer mehr hat, soll auch mehr zum Klimaschutz beitragen, wie es Linus Westerheuser und Johanna Siebert in ihrem Beitrag zum „Klimapopulismus“ formulieren, während die ärmeren entlastet werden sollen. Dies entspricht sowohl dem in der Umweltpolitik grundsätzlich geltenden Verursacherprinzip als auch dem Leistungsprinzip, nach dem diejenigen die größte Last tragen sollen, die die meisten Mittel haben.

Dies würde maßgeblich zu einer fairen, gerechten und sozial ausgewogenen Klimapolitik beitragen. Gleichzeitig sollten neue Narrative Menschen mit wenig Geld deutlich machen, dass sie nicht verzichten und keine Angst vor dem Klimaschutz und der sozial-ökologischen Transformation haben müssen. Eine entsprechende Politik, mit der u.a. Menschen mit wenig Geld besser befähigt werden, mit den Folgen von Erderhitzung und Klimapolitik umzugehen, ist dafür unerlässlich. Die Ablösung der beiden Narrative gemeinsam mit einer angepassten Klimapolitik könnte zu einer größeren gesellschaftlichen Akzeptanz der Klimapolitik beitragen. Diese ist unverzichtbar, wenn eine notwendigerweise sehr engagierte Klimapolitik in einem demokratischen System praktisch umgesetzt werden soll.