Dass das Jahr 2015 weltweit das wärmste war seit Beginn der Temperaturaufzeichnungen, haben aufmerksame Zeitungsleser bereits mitbekommen. Doch solche Meldungen über globale Jahresdurchschnitte sind für viele Menschen wenig anschaulich. Und sie verstärken einen Effekt, auf den Kommunikationspsychologen häufig hinweisen: Wenn über den globalen Klimawandel gesprochen wird oder anhand von Beispielen aus Asien oder der Arktis, dann bekommen Menschen den Eindruck, er sei weit weg und gehe sie eigentlich nichts an.

Ganz nah an ihre Leserschaft bringt hingegen die New York Times das Rekordjahr. Auf ihrer Internetseite hat sie die Temperaturen des Jahres 2015 für mehr als 1.800 US-amerikanische Städte veröffentlicht, Tag für Tag und sehr anschaulich in einer interaktiven, aus jeweils 365 kleinen Balken zusammengesetzten Grafik. Doch nicht nur für das US-amerikanische Publikum, sondern auch für das in Deutschland, Österreich oder der Schweiz wird der Klimawandel durch die Grafik greifbarer. Unter den 1.300 internationalen Städten, für die die Redaktion die Wetterdaten aufbereitet hat, finden sich nämlich auch ein zwei Dutzend Orte aus Deutschland, eine Handvoll aus Österreich und zwei aus der Schweiz: zum Beispiel Bremen, Berlin oder Hanover (Achtung, nur in der englischen Schreibweise mit einem "n" auffindbar!), Leipzig, Frankfurt/Main und Stuttgart, Innsbruck, Wien oder Zürich. (Für die einzelnen Städte bzw. Staaten einfach im Textfeld über der Grafik die jeweiligen Namen eingeben.)

 

So sieht das Jahresdiagramm beispielsweise für München aus: Auf einen zeitweise viel zu milden Januar (rote Balken über dem grauen Feld) folgte ein ziemlich durchschnittlicher Februar mit normalen Ausreißern nach oben und unten. März und April zeigten wieder deutliche Ausschläge nach oben, auch der Sommer sowie November und Dezember waren deutlich wärmer als der langjährige Durchschnitt. In der Summe lag das Jahr 2015 in München - ablesbar oben links in der Grafik - um erhebliche 1,8 °C über dem langjährigen Durchschnitt    Grafik: New York Times

Die Grafiken zeigen jeweils in roten Balken die Tag-Nacht-Temperaturspanne für jeden Tag des Jahres. Grau daruntergelegt ist das 30-Jahres-Mittel, also wo die Temperaturen im Durchschnitt der Jahre 1980 bis 2010 lagen. Oben links ist (für Grad Celsius und Grad Fahrenheit) vermerkt, wie warm es am jeweiligen Ort im 30-Jahresmittel war - und welche Abweichung das Jahr 2015 zeigte.

Natürlich sind die Temperaturen an einem Ort der Welt für ein einziges Jahr kein verlässlicher Indikator für den Klimawandel. (Wissenschaftsleugner gehen gern so vor, dass sie sich ein Jahr heraussuchen, das besonders kühl war oder einen Ort, und dann behaupten, es gebe keine Erwärmung - als "cherry picking", zu deutsch etwa: Rosinenpickerei, wird diese Strategie von Experten bezeichnet.) Doch wenn nicht nur 2015 ein Rekordjahr war (sondern die zehn wärmsten Jahre seit Beginn der Messungen allesamt nach 1998 auftraten) und wenn 2015 die Mehrzahl der Orte über dem langjährigen Mittel lag (was 2015 laut New York Times für 90 Prozent der erfassten US-Städte zutraf) - dann sind das schon ziemlich starke Anzeichen.

Die New York Times stellt mit ihrer Grafik nicht nur Nähe zum weltweiten Klimawandel her, sondern sie lädt auch zum Spielen ein: Man kann nicht nur schauen, wie warm es 2015 in der nächstgelegenen Stadt war. Sondern zum Beispiel auch checken, wie die Temperaturem vom langjährigen Mittel abwichen, wo man letztes Jahr im Urlaub war (zum Beispiel Madrid: +2,4 °C, Florenz, -1,7 °C, Bangkok: +1,6 °C). Oder wie die Werte für exotische Orte aussahen, etwa Honolulu (+ 0,6 °C) oder das sibirische Irkutsk (+ 4,1 °C).

Die interaktive Grafik lädt jedenfalls gekonnt ein zu einer virtuellen Reise in eine Welt im Klimawandel.

tst