Wetter- und Klimamaschine

Der heutige Zustand des Erdklimas ist das Ergebnis einer lang andauernden, kontinuierlichen Entwicklung: ein Schnappschuss aus einem rund 4,5 Milliarden Jahre andauernden Film, der immer noch weiter läuft. Nach der Kolonisierung der Kontinente durch Pflanzen und Tiere hat die Erde ein globales Klimasystem entwickelt. Durch komplexe Wechselwirkungen zwischen seinen Komponenten erzeugt es einen relativ stabilen Gleichgewichtszustand, um den herum sich Klimaschwankungen ausbilden.

Hauptbestandteile des Klimasystems sind die Atmosphäre, der Ozean, die so genannte Kryosphäre aus Eis, Schnee und Permafrost sowie die Biosphäre auf den Kontinenten und im Meer. Über Zeiträume von Jahrmillionen hinweg spielen auch die Lage der Kontinente und die Form der Ozeanbecken eine wichtige Rolle. Kurzfristig wird das Klima zudem von Vulkanausbrüchen beeinflusst. So führte im Juni 1991 etwa die Eruption des Pinatubo auf den Philippinen durch die herausgeschleuderte Asche, die viele Monate in höheren Luftschichten schwebte, zu einem Rückgang der Temperatur auf der Nordhemisphäre um etwa 0,5 Grad Celsius.

Wechselwirkungen oder Rückkopplungen zwischen den Komponenten des Klimasystems sind vielfältig und können sich selbst verstärken oder abschwächen. Die verschiedenen Einflussgrößen wirken im Allgemeinen nicht separat, sondern sind zu einem Netz verwoben. Störungen werden daher auf komplexe Weise verstärkt oder abgeschwächt. Da das Klimasystem zwar große Schwankungen aufweist, aber doch im Ganzen stabil erscheint, gleichen sich positive und negative Rückkopplungsmechanismen offenbar im Wesentlichen aus.

Die Energie der Sonne treibt das Klimageschehen

Auf Zeitskalen von Tagen bis zu tausend Jahren sind Ozean und Atmosphäre die Hauptakteure im Klimageschehen. Ihre Dynamik ist durch organisierte Zirkulationsmuster chaotische Bewegungen und statistische Turbulenzen geprägt. Wegen der regional unterschiedlichen Sonneneinstrahlung empfangen die Tropen mehr solare Energie als die Polargebiete. Dabei wirken sie als Kollektorregion, in der die absorbierte Sonnenenergie die thermische Ausstrahlung überwiegt. Die hohen Breiten fungieren dagegen als Radiatorgebiete, in denen die thermische Ausstrahlung größer als die absorbierte Solarstrahlung ist. Dieses Ungleichgewicht verursacht regionale Temperaturunterschiede.

Die Folge davon sind Bewegungen in Atmosphäre und Ozean, die Energie polwärts transportieren. Der Golfstrom zum Beispiel befördert etwa 1 Petawatt (1015 Watt), was der Leistung von rund einer Million Großkraftwerken entspricht. Dadurch sorgt er in Verbindung mit seinen nördlichen Ausläufern und den in mittleren Breiten vorherrschenden Westwinden für die relativ milden Winter in Westeuropa. So beträgt die Durchschnittstemperatur im Februar in Bremerhaven +1,7 Grad Celsius, in Goose Bay auf Labrador, das sogar noch ein wenig weiter südlich liegt, dagegen -15,5 Grad.

Die Bewegung in Atmosphäre und Ozean, und damit der Wärmetransport, erfolgen nicht gleichmäßig, sondern turbulent. Dabei werden sie durch eine Vielzahl von Wechselwirkungen im Klimasystem und durch die Erddrehung beeinflusst. Infolgedessen gibt es in der Atmosphäre Hoch- und Tiefdruckgebiete und im Meer die ozeanischen Wirbel. Wegen der Neigung der Erdachse variiert die Sonneneinstrahlung im Wechsel der Jahreszeiten. Das bedingt saisonale Schwankungen in der Temperatur der Luft und der Meeresoberflächen sowie in der Ausdehnung von Schnee und Meereis.

Strahlungs- und Bewegungsvorgänge

In dieser schematischen Darstellung des irdischen Klimasystems symbolisieren die dünnen schwarzen, blauen und grünen Pfeile Strahlungs- und Bewegungsvorgänge beziehungsweise Wechselwirkungen zwischen verschiedenen Komponenten. Die dicken Pfeile stellen äußere Einflüsse dar, wobei die Auswirkungen menschlicher Aktivitäten auf das Klimasystem schraffiert gezeigt sind.

Die klimarelevante Schicht der Atmosphäre ist hauchdünn

Die Atmosphäre beeinflusst das Klima über Strahlungseffekte und über chemische sowie thermodynamische Prozesse. Dabei spielen die Zusammensetzung der Luft – insbesondere ihr Gehalt an Wasserdampf und anderen Treibhausgasen – sowie die Wolken eine wesentliche Rolle. Wetter und Klima finden in der Troposphäre statt, den unteren zehn Kilometern der Atmosphäre. Reduziert man die Erde auf die Größe eines normalen Globus mit rund 40 Zentimetern Durchmesser, dann ist diese Schicht nur 0,3 Millimeter dick und der Ozean gerade einmal halb so tief. Windsysteme und Meeresströmungen verlaufen daher auf globaler Skala im Wesentlichen horizontal. Vertikale Bewegungen spielen aber lokal eine bedeutende Rolle. So treten sie in den Konvektionszellen von Regen- und Gewitterwolken sowie bei der Tiefen- und Bodenwasserbildung im Ozean auf.

Hauptauslöser für Bewegungen in der Atmosphäre ist die Erwärmung von unten, also von der Erdoberfläche aus. Durch die Rotation und Größe der Erde zerfällt die globale Luftbewegung in drei Zirkulationszellen pro Hemisphäre die Hadley-Zelle in den Tropen, die Ferrel-Zelle in mittleren Breiten und die Polare Zelle in hohen Breiten. In allen drei Zirkulationssystemen strömt die Luft allerdings nicht nur in nordsüdlicher Richtung; wegen der Erdrotation haben die Windsysteme auch eine bedeutende Ost-Westkomponente.

Der Temperaturunterschied zwischen Tropen und Polarregionen treibt die irdische Luftzirkulation an. Sie zerfällt pro Hemisphäre in drei Stromungswalzen: die Hadley-, Ferell- und Polare Zelle. Die Windströmungen werden durch die Erdrotation aus der reinen Nord-Süd-Richtung abgelenkt und haben aus diesem Grund an der Erdoberfläche die hier durch Pfeile gezeigte typische Richtung.

Die Ozeane sind ein gigantischer Wärmespeicher

Bewegungen im Ozean kommen durch den Windschub und die Erwärmung oder Abkühlung an der Meeresoberfläche zustande. Strömungen in der obersten Wasserschicht werden hauptsächlich durch die Windsysteme hervorgerufen. Wesentliche Triebkraft der Tiefenzirkulation ist dagegen die Abkühlung und das resultierende Absinken des Oberflächenwassers in hohen Breiten.
Das Meer beeinflusst das Klima durch Wärmespeicherung und -transport, aber auch durch die Aufnahme von Gasen – insbesondere Kohlendioxid. Durch Verdunstung regt es den globalen Wasserkreislauf an.

Der Ozean ist der größte Wärmespeicher der Erde. In seinen obersten drei Metern enthält er so viel thermische Energie wie die gesamte Atmosphäre. Im Sommer heizt er sich in mittleren Breiten bis zu einer Tiefe von rund hundert Metern um etwa fünf Grad Celsius auf. Damit speichert er eine Energie von 556 Kilowattstunden pro Quadratmeter. Wenn diese sich vollständig in elektrischen Strom umwandeln ließe, könnte eine typische mitteleuropäische Familie ihren jährlichen Strombedarf von 6000 Kilowattstunden mit elf Quadratmeter Ozeanfläche decken. Für Heizung und Warmwasserversorgung kämen noch einmal 72 Quadratmeter hinzu.

Wasser ist die wichtigste aktive Substanz im Klimasystem. Es bildet die Ozeane, Gletscher und Eisschilde und kommt in der Luft als unsichtbarer Dampf sowie in den Wolken in Form von Tropfen oder Eiskristallen vor. Hauptquelle des Wasserkreislaufs ist das Meer: Der größte Teil des Niederschlags auf den Kontinenten stammt aus der Verdunstung an seiner Oberfläche. Mit dem Wasserkreislauf zirkuliert auch jene gewaltige Menge an Energie, die bei der Verdunstung und der Kondensation von Wasser benötigt beziehungsweise freigesetzt wird. Blitze, Donner und orkanartige Böen in Gewittern veranschaulichen diese Freisetzung besonders eindrucksvoll.

Transport von Luft- und Wassermassen

Der Wasserkreislauf bildet eine der Hauptkomponenten des irdischen Wetter- und Klimasystems. Die Zahlen bezeichnen den Wassertransport in Billionen Kubikmeter pro Jahr.

Bei der Eisbildung sind Rückkopplungseffekte besonders wichtig

Die Kryosphäre, also die Eisflächen der Erde, bilden hinsichtlich ihrer Masse und Wärmekapazität nach dem Ozean die zweitgrößte Komponente des Klimasystems. Derzeit bedeckt Eis etwa zehn Prozent der Landoberfläche, wobei sich die weit überwiegende Menge in den beiden großen polaren Eisschilden konzentriert. Im Jahresmittel sind sieben Prozent der Ozeane von Meereis überzogen, und im Winter liegen 49 Prozent der Landmassen auf der Nordhemisphäre unter einer Schneeschicht. Gefrorener Boden hat die größte Ausdehnung von allen Bestandteilen der Kryosphäre. Gemeinsam tragen diese Komponenten zu kurzfristigen Klimaschwankungen bei. Permafrost, Schelfeis und Eisschilde wirken aber auch an langfristigen Klimaänderungen inklusive der Eiszeiten mit.

Schnee und Eis zeichnen sich zudem durch eine hohe Reflektivität für Sonnenlicht (Albedo) aus: Sie werfen bis zu neunzig Prozent der einfallenden solaren Strahlung ins All zurück. Daher spielen sie eine wesentliche Rolle für die Energiebilanz in hohen Breiten. Aus dem gleichen Grund sind sie aber auch in eine wichtige Feedbackschleife eingebunden: die positive Temperatur-Eis-Albedo-Rückkopplung. Bei einem Temperaturrückgang vergrößert sich die Eisfläche, die wegen ihrer hellen Farbe mehr Sonnenstrahlung reflektiert. Der resultierende Energieverlust lässt die Temperatur weiter sinken und so fort. Umgekehrt kommt bei einem Rückgang des Eises dunkler Ozean oder Erdboden zum Vorschein. Beide absorbieren verstärkt Sonnenstrahlung, wärmen sich dadurch an der Oberfläche auf und lassen das Eis noch mehr schmelzen. Dieser Prozess ist derzeit in der Arktis zu beobachten.

Pflanzen an Land und im Ozean binden Kohlendioxid

Auch die Vegetation auf den Kontinenten und die Biosphäre im Ozean leisten einen nennenswerten Beitrag zum Klima. So bestimmen sie die Zusammensetzung der Atmosphäre ganz wesentlich mit. Außerdem spielen sie eine wichtige Rolle im Kohlenstoffkreislauf, indem sie große Mengen des Treibhausgases Kohlendioxid binden. Pflanzen beeinflussen außerdem die Energiebilanz, da sie Sonnenstrahlung anders reflektieren als nackter Boden. Ferner tragen sie durch Verdunstung zur Befeuchtung der Luft bei. Schließlich regulieren sie den Wasserkreislauf durch Wasserspeicherung in ihrem Wurzelsystem und Verdunstung über die Blätter.

Wetter und Klima: Auf die Zeitskalen kommt es an

All diese Effekte sorgen für die hohe Variabilität von Wetter und Klima. Getrieben von externen Anregungen wie Änderungen der solaren Strahlung oder Vulkanausbrüchen und durch interne Wechselwirkungen, schwanken die Einzelbestandteile des Klimasystems auf unterschiedlichen Zeitskalen. So reagiert die Atmosphäre viel schneller als der vergleichsweise langsame Ozean. Das trägt mit zu dem sehr komplexen Verhalten des irdischen Klimasystems bei.

Änderungen der atmosphärischen Parameter wie Lufttemperatur, -druck, und -feuchte, Windstärke und -richtung, Niederschlag und Wolkenbedeckung im Bereich von Tagen erzeugen das Wetter. Direkte Messungen solcher meteorologischen Größen gehen zurück auf die Erfindung des Thermometers durch Galileo Galilei (1597) und des Barometers durch Evangelista Torricelli (1643). Kurz nach ihnen (1648) entdeckten Blaise Pascal und René Descartes, dass der Luftdruck mit der Höhe abnimmt, und 1660 brachte Robert Hooke die Barometerschwankungen mit dem Wetter in Verbindung. Seitdem gibt es Wetterbeobachtungen.

Aber es dauerte bis 1816, ehe der Leipziger Physiker Heinrich Wilhelm Brandes die erste einfache Wetterkarte zeichnete. Und erst mit der Erfindung des Telegraphen (1845) war die Übermittlung der Wetterdaten schneller als die Wettersysteme selbst. Danach kam es zu einer weiten Verbreitung der synoptischen Bodendruckkarten und bis zur Wende zum 20. Jahrhundert entwickelten sich weltweit die Wetterdienste.

Klimadaten für die Vergangenheit lassen sich indirekt errechnen

Die längsten ununterbrochenen Wettermessungen decken etwa 300 Jahre ab. Solche ausgedehnten Zeitserien müssen allerdings sorgfältig geeicht werden, da sich im Laufe der Geschichte nicht nur die Instrumente und Messtechniken veränderten, sondern auch viele Wetterstationen wegen der Stadtentwicklung verlegt oder von ihr beeinflusst wurden. Wegen der geringen Dichte an Wetterstationen bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts lässt sich die globale Temperatur erst seit 1860 sinnvoll berechnen. Wie sich zeigt, stieg sie zu Anfang und Ende des 20. Jahrhunderts, während es zwischen 1945 und 1975 eine leichte Abkühlung gab.

Klimainformationen für den Bereich einiger tausend Jahre lassen sich teils aus historischen Aufzeichnungen entnehmen. Aufschlüsse liefert aber auch die Struktur der Jahresringe in Bäumen und von Korallen. Mittels der Instrumentenmessungen der letzten 150 Jahre lassen sich diese Daten eichen und zu verlässlichen Klimazeitserien verarbeiten. Dabei zeigt sich ein starker Einfluss des Klimas auf die geschichtliche Entwicklung der Menschheit. So erfolgte die Völkerwanderung in Mittel- und Nordeuropa um 400 nach Christus unter kalten Klimabedingungen. Die Wikinger besiedelten Grönland in einer warmen Periode um 900 nach Christus. Die Kleine Eiszeit ab 1250 brachte den Verlust dieser Wikingersiedlungen, Hungersnöte und einen Rückgang der Einwohnerzahl in Europa.

Für Rekonstruktionen über noch längere Zeiträume bleibt nur der Rückgriff auf so genannte Paläoklimadaten. Auch Proxy-Daten oder kurz Proxies genannt, beruhen sie auf geologischen Befunden wie Ablagerungen am Meeresgrund sowie im Eis der grönländischen und antarktischen Eisschilde. Mit raffinierten Methoden gelingt es, sie zu Klimagrößen wie Temperatur und Niederschlag in Beziehung zu setzen.

So erlaubt beispielsweise das Verhältnis der zwei Sauerstoffisotope 18O und 16O in den Kalkschalen einzelliger Lebewesen (Foraminiferen) aus marinen Sedimenten Rückschlüsse auf das Eisvolumen auf den Kontinenten. Die beiden Sauerstoffsorten liegen im Meerwasser im Verhältnis von 1:500 vor. Wasser mit dem leichteren 16O verdunstet schneller und regnet oder schneit dann über dem Festland aus. Bei der Bildung der großen Eisschilde während der Eiszeiten war dadurch viel von diesem Isotop auf den Kontinenten in Form von Eis gebunden. In den Ozeanen herrschte dafür ein Überschuss an 18O. Da Foraminiferen beim Aufbau ihrer Kalkschalen, die aus Calciumcarbonat bestehen, das jeweils vorliegende Isotopenverhältnis übernahmen, bewahrten sie diesen Überschuss nach dem Absterben in den Schalen, die sich am Meeresgrund ablagerten. Mit Hilfe dieser Daten gelingt die eindrucksvolle Rekonstruktion der Eiszeiten in der vergangenen Jahrmillion.

Große Klimaänderungen folgen wiederkehrenden Mustern

Beim Vergleich der Klimaänderungen auf verschiedenen Zeitskalen ergibt sich ein interessanter Zusammenhang: Die Abweichungen werden mit zunehmendem Maßstab immer größer; die heutigen dekadischen Klimavariationen sind deutlich kleiner als der Temperatursprung bei der Kleinen Eiszeit, und dieser ist wiederum wesentlich geringer als die Schwankungen zwischen den großen Eiszeiten.

Typisches Beispiel einer Klimavariation auf kürzeren Zeitskalen ist das El-Niño-Phänomen. Es tritt üblicherweise alle drei bis acht Jahre im tropischen Pazifik auf. Dabei erwärmt sich das Oberflächenwasser in den sonst kalten Auftriebsgebieten in den Tropen an der Westküste Südamerikas um bis zu fünf Grad Celsius. Gleichzeitig ändern sich auch die Passatwinde und die Niederschlagmuster dramatisch: Es kommt zu starken Regenfällen und Überschwemmungen an der südamerikanischen Küste, während in Australien und Indonesien Dürreperioden auftreten. Auf der Erde insgesamt wird es kurzfristig ein paar zehntel Grad wärmer.

Während der Kleinen Eiszeit (1350 bis 1850) lagen die globalen Durchschnittstemperaturen dagegen etwa 1,5 Grad Celsius niedriger als heute. Auch die Gletscher waren deutlich ausgedehnter. Bei den (großen) Eiszeiten schließlich sanken die Temperaturen um einen zweistelligen Betrag, und große Teile der Nordhalbkugel waren von Eisschilden bedeckt. Aus den Proxy-Daten ist ersichtlich, dass diese extremen Kältephasen in Abständen von etwa 100.000 Jahren wiederkehrten und eine typische Asymmetrie aufwiesen. Der Aufbau der Eisschilde durch Schneefall dauerte etwa 80.000 Jahre, während das Abschmelzen nach knapp 20.000 Jahren beendet war.

Der mutmaßliche Auslöser solch langfristiger Klimavariationen sind die Änderungen der Erdbahnparameter durch Gravitationseinwirkungen der anderen Planeten. In Verbindung damit schwanken die Neigung und die Richtung (Präzession) der Erdachse sowie die Exzentrizität der elliptischen Erdumlaufbahn, was für deutliche Temperaturschwankungen sorgt. Die Perioden der Neigung (41.000 Jahre), der Präzession (19.000 und 23.000 Jahre) und der Exzentrizität (100.000 Jahre) finden sich in den Zeitserien der Klimavariationen wieder.

Die Veränderungen der letzten hundert Jahre sind massiv

Im Vergleich zu den natürlichen historischen Klimaschwankungen ist der Temperaturtrend während der letzten hundert Jahre äußerst ungewöhnlich. Instrumentenmessungen zeigen die folgenden Änderungen zwischen 1906 und 2005: (siehe http://www.ipcc.ch):

  • Die globale Durchschnittstemperatur an der Erdoberfläche stieg um 0,74 Grad Celsius.
  • 1996-2005 war die wärmste Dekade und 1998 das wärmste Jahr seit Beginn der Messungen 1861 beziehungsweise – gemäß den Rekonstruktionen von Proxy-Daten – seit mindestens tausend Jahren.
  • Die schneebedeckte Fläche auf den Kontinenten hat sich deutlich verringert.
  • Gletscher und Eisschilde sind geschrumpft und tragen etwa 1,2 Millimeter pro Jahr zum Meeresspiegelanstieg von derzeit 3,1 Millimeter pro Jahr bei, der größtenteils durch die Erwärmung des Ozeans verursacht wird.
  • In Nordeuropa hat der Niederschlag (insbesondere im Winter) zu-, im Mittelmeerraum dagegen abgenommen.
  • In der Arktis schrumpft das Meereis gegenwärtig pro Jahrzehnt um etwa drei Prozent, im Sommer sogar um 7,5 Prozent. In der Antarktis bleibt es dagegen im Mittel fast unverändert.

Diese Änderungen beruhen zu einem beträchtlichen Teil auf Veränderungen in der Zusammensetzung der Atmosphäre durch den Menschen. So hat sich der Gehalt der Luft an Kohlendioxid (CO2) seit 1750 um 35 Prozent erhöht: von 280 auf 382 Volumenanteile pro Million (ppm). Von diesem Anstieg entfallen drei Viertel Prozent auf die Verfeuerung fossiler Brennstoffe, ein Viertel auf Änderungen der Landnutzung. Laut Analyse im Eis eingeschlossener Luftblasen ist die momentane CO2-Konzentration die höchste seit mindestens 650.000 Jahren. Außerdem sind die Anteile der beiden besonders klimawirksamen Gase Methan und Lachgas seit 1750 um 148 beziehungsweise 19 Prozent gestiegen.

Oberflächentemperatur

Die mittlere globale Oberflächentemperatur hat im Verlauf der Erdgeschichte erheblich geschwankt. Besonders starke Oszillationen gab es durch die Vereisungszyklen in der vergangenen Jahrmillion. Nach dem Ende der letzten Eiszeit herrschte bis zum Beginn der Industrialisierung ein relativ konstantes gemäßigtes Klima. Danach sind die Temperaturen bis heute kräftig gestiegen.

Die Luft wirkt wie eine wärmende Decke

Wieso hat sich durch diese anthropogenen Emissionen die Erde in so kurzer Zeit so stark erwärmt? Die Hauptenergiequelle unseres Planeten ist die Sonne. Der Zustand des Klimasystems hängt zu einem wesentlichen Teil von der irdischen Strahlungsbilanz ab. Im thermodynamischen Gleichgewicht gleichen sich die durch einen Planeten absorbierte Sonnenenergie und die von ihm abgegebene Wärmestrahlung gerade aus.

Die gesamte solare Strahlung, die auf einen Planeten trifft, ist gegeben durch seinen Querschnitt (ein Kreis mit dem Planetenradius r) mal der solaren Strahlungsflussdichte S an seiner Bahnposition. Ein Bruchteil α dieser Strahlung wird reflektiert, hauptsächlich durch Wolken und helle Flächen wie Eis und Schnee. Physiker nennen die Reflektivität im sichtbaren Strahlungsbereich auch Albedo.
Die emittierte Strahlung wiederum ist bestimmt durch die Oberfläche des Planeten multipliziert mit der so genannten Stefan-Boltzmann-Konstante σ und der vierten Potenz der Temperatur in Kelvin. Für die Strahlungsbilanz ergibt sich damit die Gleichung

Löst man sie nach der globalen Strahlungstemperatur TR auf, so gilt

Offensichtlich hängt die Strahlungstemperatur also nicht von der Größe des Planeten, sondern nur von seiner Albedo und von der solaren Strahlungsflussdichte in seiner Umlaufbahn ab, die ihrerseits von seinem Abstand zur Sonne und von deren Ausstrahlung bestimmt wird.

Die Strahlungsflussdichte der Sonne im Abstand der Erde – die so genannte Solarkonstante – beträgt S = 1368 Watt pro Quadratmeter und die global gemittelte Albedo der Erde ist α = 0,3. Daraus ergibt sich als Strahlungstemperatur 255 Kelvin oder –18 Grad Celsius. Diesen Wert misst ein Raumfahrer, wenn er sein Strahlungsthermometer auf die Erde richtet. Allerdings entspricht dieser Wert nicht der Temperatur am Erdboden. Die Wärmeabstrahlung kommt vielmehr im Wesentlichen von den oberen Schichten der Atmosphäre und der Oberseite der Wolken. Ohne Lufthülle würde diese niedrige, lebensfeindliche Temperatur auch auf der Erdoberfläche herrschen. Selbst wenn die Erde ganz schwarz wäre und die solare Strahlung vollständig absorbieren würde, läge die globale Durchschnittstemperatur nur bei kühlen 5,6 Grad Celsius.

Tatsächlich beträgt sie jedoch etwa 288 Kelvin, also rund 15 Grad Celsius an der Oberfläche. Diese große Differenz rührt daher, dass die Erde einen natürlichen Treibhauseffekt aufweist, der hauptsächlich durch den Wasserdampf und das Kohlendioxid in der Atmosphäre hervorgerufen wird. Während die Luft für Sonnenlicht fast durchlässig ist, absorbiert sie die Wärmestrahlung von der Erdoberfläche zum großen Teil und wirkt damit wie eine wärmende Decke. Mathematisch lässt sich dieser Effekt in der obigen Gleichung einfach beschreiben, indem man annimmt, dass nur ein Teil β der Wärmestrahlung von der Oberfläche in den Weltraum abgegeben wird. Die Strahlungsbilanz am Außenrand der Atmosphäre ist damit gegeben durch:

Für die Oberflächentemperatur TS gilt daher

Der Kohlendioxidgehalt der Atmosphäre steigt rasant

Im Jahr 1958 begann Charles Keeling den Kohlendioxidgehalt der Atmosphäre auf dem Gipfel des Mauna Loa auf Hawaii zu messen. Seine berühmte Messreihe, die bis heute fortgeführt wurde (http://cdiac.esd.ornl.gov/trends/trends.htm), zeigt den rasanten Anstieg im CO2-Anteil der Luft von 315 auf 382 ppm, der seither stattgefunden hat und auf der Nutzung fossiler Brennstoffe beruht. Zugleich spiegelt sie die jahreszeitliche "Atmung" der Erde wider: Da der überwiegende Teil der Landmassen auf der Nordhemisphäre liegt, entzieht im dortigen Sommer die Vegetation der Atmosphäre Kohlendioxid, das sie im Winter wieder abgibt. Durch Analyse von Luftblasen in Eiskernen, die auf Grönland und der Antarktis erbohrt wurden, lässt sich die CO2-Kurve in die Vergangenheit ausdehnen. Demnach variierte der Kohlendioxidgehalt der Atmosphäre zwischen 180 ppm in den Eis- und 280 ppm in den Warmzeiten. Beim Auftauen aus einer Vereisungsphase, das sich über etwa 5000 Jahre hinzog, nahm er um ungefähr 0,016 ppm pro Jahr zu. Mit 1,5 ppm pro Jahr beträgt der heutige anthropogene Anstieg das Hundertfache.

Der Kohlendioxidgehalt der Atmosphäre hat während der letzten 450000 Jahre im Wechsel der Eis- und Wärmezeiten zwischen 180 und 280 millionstel Volumenanteil (ppm) variiert. Inzwischen ist er auf fast 400 ppm gestiegen – hauptsächlich wegen der Verfeuerung fossiler Brennstoffe durch die  Menschen.

Dabei ist nur etwa die Hälfte des vom Menschen freigesetzten Kohlendioxids in der Atmosphäre verblieben. Die andere Hälfte haben die Meere aufgenommen. Dafür gibt es zwei Mechanismen: die physikalische und die biologische Kohlenstoffpumpe. Im Fall der so genannten physikalischen Kohlenstoffpumpe wird Kohlendioxid im Meerwasser an der Oberfläche gelöst und mit den Meeresströmungen für viele Jahrhunderte in tiefe Wasserschichten verfrachtet. Für die biologische Pumpe sorgen dagegen Meeresorganismen, die Kohlendioxid über die Photosynthese in Biomasse umwandeln, wovon ein Teil über die Nahrungskette schließlich in die Meeressedimente gelangt. Allerdings beschränken die Trägheit des Ozeans und die Meerwasserchemie die Kapazität beider Mechanismen. Deshalb wird sich der vorindustrielle CO2-Gehalt der Luft sehr wahrscheinlich bis zur Mitte dieses Jahrhunderts verdoppelt haben. Daraus resultiert voraussichtlich ein Anstieg der globalen Mitteltemperatur um etwa zwei Grad Celsius.

Der Verlauf der jährlichen Mitteltemperatur der Erde von 1860 bis 2006 zeigt die Erwärmung in jüngster Zeit. Bis 1937 lag die globale Mitteltemperatur mit einer Ausnahme durchweg unter dem Durchschnittswert von 1961 bis 1990, ab 1979 stets darüber – mit steigender Tendenz.

Das Klima der Erde hat sich im Lauf der Erdgeschichte stark geändert und es wird sich auch in Zukunft ändern. Anders als früher bestimmt heute allerdings der Mensch die Entwicklung mit. Insofern kommt die nächste Eiszeit zwar bestimmt, aber erst in einigen zehntausend Jahren. Unser Problem sind die nächsten hundert Jahre, in denen wir eine Superwarmzeit erzeugen. Extremereignisse wie Überschwemmungen, Stürme und Hitzewellen werden dadurch zunehmen.

Der Temperaturanstieg geht mit Dürren, Stürmen und Waldbränden einher

Die Entwicklung des Klimas bis zum Ende dieses Jahrhunderts lässt sich überzeugend mit Klimamodellen simulieren. Sie sagen – je nach Energienutzung und damit Kohlendioxidemission – im Mittel eine Temperaturerhöhung von 1,7 bis 4,0 Grad Celsius voraus. Daraus folgt ein Anstieg des Meeresspiegels um 28 bis 43 Zentimeter. Derzeit erscheinen die höheren Werte wahrscheinlicher, weil sich der CO2-Gehalt der Atmosphäre weiter rasant nach oben bewegt. Hitzewellen wie im Sommer 2003 in Westeuropa oder die wochenlangen Waldbrände in Russland im Sommer 2010 werden künftig viel häufiger vorkommen. Die größte Erwärmung ist in den Polargebieten zu erwarten. Dadurch wird gegen Ende dieses Jahrhunderts das Meereis in der Arktis im Sommer fast vollständig verschwinden – mit drastischen Konsequenzen für die arktischen Küstenbewohner und das Ökosystem im Nordpolarmeer.

Viele Länder werden nicht in der Lage sein, sich an die Klimaänderungen anzupassen. Wirksame Gegenmaßnahmen erfordern eine ernsthafte und zügige internationale Kooperation. Die Zeit drängt; denn durch die Trägheit des Klimasystems wird die Temperatur in jedem Fall in den nächsten 20 Jahren um 0,2 Grad Celsius steigen. Selbst wenn die Menschheit jeglichen CO2-Ausstoß sofort stoppen würde, wäre daran nichts mehr zu ändern.

 

Peter Lemke ist seit 2006 Leiter des Fachbereichs Klimawissenschaften am Alfred-Wegener-Institut, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung, Bremerhaven

 

References:
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Jones, P.D. and Moberg, A., 2003: Hemispheric and large-scale surface air temperature variations: An extensive revision and an update to 2001. J. Climate 16, 206-223.
Lemke, P., 2005: Erwärmung im Nordpolarmeer, Sterne und Weltraum 12, 40-45.
Lemke, P., J. Ren, R.B. Alley, I. Allison, J. Carrasco, G. Flato, Y. Fujii, G. Kaser, P. Mote, R.H. Thomas and T. Zhang, 2007: Observations: Changes in Snow, Ice and Frozen Ground. In: Climate Change 2007: The Physical Science Basis. Contribution of Working Group I to the Fourth Assessment Report of the Intergovernmental Panel on Climate Change [Solomon, S., D. Qin, M. Manning, Z. Chen, M. Marquis, K.B. Averyt, M. Tignor and H.L. Miller (eds.)]. Cambridge University Press, Cambridge, United Kingdom and New York, NY, USA (siehe auch http://www.ipcc.ch.
von Storch, H., S. Güss und M. Heimann, 1999: Das Klimasystem und seine Modellierung, Springer, 255pp.

Die natürlichen Mechanismen der Klimaschwankungen und ihre Antwort auf menschliche Einwirkungen stehen gegenwärtig im Brennpunkt internationaler Forschung (siehe http://wcrp.wmo.int und http://www.ipcc.ch).

Zu einem besseren Verständnis der Ursachen von Klimaschwankungen verhilft der Blick in die Erdgeschichte. Informationen über die Klimaentwicklung in der Vergangenheit ergeben sich aus diversen Quellen mit unterschiedlicher Genauigkeit.

Klimaschwankungen assoziiert man dagegen meist mit langfristigen atmosphärischen Änderungen, die durch die Wechselwirkung mit den langsamen Komponenten des Klimasystems zustande kommen. Die Unterscheidung zwischen Wetter und Klima ist allerdings nicht nur eine Frage der Zeitskala. Eine Rolle spielen auch der Zustand von Ozean, Kryosphäre und Landoberflächen inklusive der marinen und terrestrischen Biosphäre.