Der Titel des Workshops war einprägsam: "Mit Klimawandel-Leugnern diskutieren, ohne den Verstand zu verlieren". Und die erste Antwort, die Dozentin Bärbel Winkler gab, war es ebenso: Mit harten Leugnern zu diskutieren, habe wenig Sinn - da könne man tatsächlich öfter den Verstand verlieren. Ein Gutteil der Klimawandel-Leugner sei nämlich kaum für Fakten zugänglich, sie diskutierten nicht ergebnisoffen und wollten gar nicht überzeugt werden - wer mit ihnen diskutiere, verliere vielleicht nicht den Verstand, aber auf jeden Fall Lebenszeit.
Sehr wohl Sinn ergebe hingegen das Diskutieren mit der Zielgruppe der Leugner. Also jenen Menschen, bei denen die Wissenschaftleugner Zweifel säen, die sie verwirren wollen - die oft nicht "vom Fach" seien und oft durch Zufall auf Desinformation stoßen, etwa in einem Tweet oder Kommentar. Und die anfällig sind für die häufig geschickt irreführenden Behauptungen der Wissenschaftleugner. Mit diesen Leuten, betonte Winkler, lohne das Gespräch sehr wohl.
Teils aggressive Mails, Kommentar-Lawinen, Twitter-Shitstorms
Die engagierte Schwäbin ist seit Jahren ehrenamtliche Mitarbeiterin der Website SkepticalScience.com - der englischsprachigen Partnerseite von klimafakten.de. Gegründet vom australischen Kognitionswissenschaftler John Cook veröffentlicht das Portal seit mehr als zehn Jahren Faktenchecks und Argumentationshilfen zu Falschbehauptungen rund um den Klimawandel. Mehr als 200 solcher Texte sind inzwischen online. Bei der Beschäftigung mit den Mythen der Leugner wurde das SkepticalScience.com-Team schnell zu Experten für Desinformation, deren übliche Strategien - und für erfolgversprechende Gegenaktivitäten.
Mit kleinen Cartoons - gezeichnet von John Cook von SkepticalScience.com - übertrug K3-Referentin Bärbel Winkler typische Argumentatinsstrategien von Klimawandel-Leugnern auf Alltagssituationen - und machte sie dadurch leichter erkennbar. Hier: "Rosinenpickerei"; Quelle: John Cook/crankyuncle.com/SkepticalScience.com
Der K3-Seminarraum war vollbesetzt - und im Laufe des Workshops wurde klar, dass die meisten der Teilnehmerinnen und Teilnehmer schon selbst Erfahrungen gemacht hatten mit Wissenschaftsleugnern und deren Mythen. Konfrontiert werden sie damit ebenso als Naturwissenschaftler, als Mitarbeiterinnen von Nichtregierungsorganisationen oder bei Behörden wie dem Umweltbundesamt - so mancher berichtete von unerwünschten, teils aggressiven Mails, von Shitstorms auf Twitter und Kommentar-Lawinen in Sozialen Medien.
Von Säbelzahntigern und wissenschaftlichen Diagrammen
"Klimawandel-Leugner nutzen geschickt die Schwachstellen des menschlichen Gehirns aus", erklärte Winkler. So sei es im Laufe der Evolution beispielsweise gut darauf trainiert worden, auf eine akute Gefahr zu reagieren - etwa auf einen Säbelzahntiger, der plötzlich aus dem Gebüsch springt. Der Klimawandel jedoch sei eine schleichend zunehmende, schwer sichtbare Bedrohung - und werde deshalb viel weniger ernst genommen. Hinzu kommen Schwächen der üblichen Klimakommunikation - eine wissenschaftliche Grafik zum Beispiel löse im menschlichen Hirn nun mal kein Gefühl von Dringlichkeit aus. Genau in solche Lücken springen die Klimaleugner: Sie suggerieren, dass alles in Ordnung sei, man nichts ändern müsse und es keine Gefahr gebe – ein beruhigendes Gefühl. Es sind einfache Botschaften, die wir nur zu gern empfangen: Jemand nimmt uns eine Last ab.
Typische Argumentationsstrategien von Klimawandel-Leugnern - hier das "Überbetonen von Ungewissheiten der Forschung"; Quelle: John Cook/crankyuncle.com/SkepticalScience.com
Winkler stellte einige typische Mythen der Leugner-Szene vor - vor allem aber sezierte sie die üblichen Argumentationstricks: Da würden etwa falsche Experten präsentiert, unerfüllbare Forderungen an die Forschung gestellt, logische Fehlschlüsse untergejubelt, gezielt nur bequeme Fakten ausgewählt ("Rosinenpickerei") oder Verschwörungsmythen verbreitet. Als Gegenstrategie empfahl Winkler nicht so sehr, einzelne Mythen inhaltlich zu widerlegen - sondern über die immer wiederkehrenden Argumentationstricks aufzuklären. Ziel dabei sei eine Art "Impfung fürs Hirn", so Bärbel Winkler - durch die Beschäftigung mit bekannten Falschinformationen könnten die Leute künftig Desinformation selbst erkennen - und im Idealfall widerlegen.
Warnung vor dem "Bumerang-Effekt"
Mit einem kleinen Comic-Quiz konnten die Workshop-Teilnehmer dann selbst ausprobieren, welche Leugner-Strategien sie erkennen. Zum Beispiel die "Rosinenpickerei": Hier setzen die Leugner auf einen Fakt aus der Klimaforschung, der aber entweder eine Ausnahme ist oder in den falschen Kontext gesetzt wird: Da wird zum Beispiel mit Verweis auf wachsende Gletscher die Realität der Erderwärmung infrage gestellt. Klar, es gibt wachsende Gletscher, würden Klimawissenschaftler auf dieses "Argument" antworten. Allerdings sind sie große Ausnahmen - bei der übergroßen Mehrheit der Gletscher und auch in der weltweiten Gesamtbilanz nimmt das Eisvolumen dramatisch ab.
Mit kleinen Cartoons - gezeichnet von John Cook von SkepticalScience.com - übertrug K3-Referentin Bärbel Winkler typische Argumentatinsstrategien von Klimawandel-Leugnern auf Alltagssituationen - und machte sie dadurch leichter erkennbar. Hier das "Auftreten von falschen Experten"; Quelle: John Cook/crankyuncle.com/SkepticalScience.com
In dem 90-minütigen Workshop gab Winkler den Teilnehmenden dann auch noch einige goldene Regeln des Widerlegens mit auf den Weg: "Gegen einprägsamen Irrglauben helfen einprägsame Fakten", riet sie. Dafür brauche es
- Glaubwürdigkeit
- Konkretheit
- Emotion
- Einfachheit
- und möglichst eine Geschichte
Und bevor man einen Mythos wiederholt, gelte es, den Gesprächspartner zu warnen: Achtung, jetzt folgt eine Falschinformation. Die von Leugnern verbreiteten Behauptungen einfach nachzuerzählen, berge nämlich die Gefahr eines "Bumerang-Effekts": Wird er wiederholt, prägt er sich umso tiefer ein.
Die Vortragsfolien und Materialien zu dem Workshop können unter diesem Link heruntergeladen werden.
Susanne Götze