Im Oktober 2018 veröffentlichte der IPCC einen Sonderbericht zu 1,5°C Erderwärmung - und anscheinend hat er die Öffentlichkeit mit Erfolg für das Problem sensibilisiert. Das ist das Ergebnis einer Studie, die ein Team norwegischer Psychologen im Fachjournal Climatic Change vorgelegt hat. Zwar gab es zwischen politisch eher rechts und eher links orientierten Menschen merkliche Unterschiede bei der Wahrnehmung - doch dieser IPCC-Report zeige, so die Forscher, dass trotz einer verbreiteten politischen Polarisierung klassische Wissenschaftskommunikation erfolgreich sein könne.
Der mehr als 600 Seiten starke IPCC-Report hatte klargemacht, wie groß die Unterschiede sind zwischen einer Erwärmung der Welt um 2 °C oder um 1,5 °C. Und er verdeutlichte, dass unverzügliche und drastische Einschnitte beim Ausstoß von Treibhausgasen nötig sind, um die Chance auf lediglich 1,5 °C Temperaturanstieg zu wahren: Bis 2030, so der IPCC, müssten die Emissionen weltweit um 45 Prozent gegenüber 2010 sinken, bis 2050 müssten sie "netto Null" betragen. Dafür aber sind politische Entscheidungen nötig, die ohne öffentliche Unterstützung kaum möglich sein werden.
Vier von fünf Befragten haben den IPCC-Spezialreport wahrgenommen
Drei Sozialpsychologen der Universität Bergen gingen deshalb der Frage nach, ob und inwieweit dieser Sonderbericht die öffentliche Haltung von Bürgern in Norwegen zum Klimawandel verändert habe. Mehrere Studien hatten in den vergangenen Jahren gezeigt, dass sich Konservative und Personen mit einer eher rechts gerichteten politischen Orientierung skeptischer gegenüber dem Klimawandel zeigen als ihre eher linksorientierten Mitmenschen. Vor allem in den USA werden demnach Klimarisiken von Konservativen in geringerem Umfang wahrgenommen.
Für ihre Studie befragte das Team um den Sozialpsychologen Charles Ogunbode 2236 repräsentativ ausgewählte Norwegerinnen und Norweger zweimal: nämlich sechs Monate vor der Veröffentlichung des IPCC-Reports und vier Monate danach. 79 Prozent der Befragten gaben hinterher an, sie hätten den Bericht wahrgenommen, drei Viertel kannten ihn aus Tageszeitungen und Fernsehen, 18 Prozent aus Sozialen Medien und immerhin sechs Prozent aus wissenschaftlichen Veröffentlichungen. Fünf Prozent gaben an, sie hätten Teile des Reports gelesen, drei Prozent die "Zusammenfassung für Entscheidungsträger" ("Summary for Policymakers", kurz SPM) und 0,2 Prozent den gesamten Bericht. Die Forscher verweisen darauf, dass die norwegischen Massenmedien in der Bevölkerung hohes Vertrauen genössen und das öffentlich-rechtliche Fernsehen die populärste Nachrichtenquelle für alle Medien im Land darstelle.
Je konservativer der Befragte, desto schwächer die Problemwahrnehmung
Jene Personen, die von dem IPCC-Bericht gehört hatten, nahmen die Bedrohung durch den Klimawandel signifikant stärker wahr als die restlichen Befragten. Dabei spielte die politische Orientierung durchaus eine Rolle: Je weiter rechts im politischen Spektrum sich Studienteilnehmer verorteten, desto schwächer nahmen sie den Klimawandel als Bedrohung wahr. Dieser Unterschied zeigte sich unabhängig von Alter, Geschlecht oder Bildung. Und auch der Wohnort hatte keinen Einfluss auf die Wahrnehmung, also ob die Befragten in einer Gegend wohnten, der stärker von klimawandelbedingten Phänomenen wie Lawinen, Starkregen oder Stürmen betroffen war. Dieses Teil-Ergebnis ist eher überraschend, weil laut anderer Studien die Erfahrung von Extremwetter-Ereignissen das Klimabewusstsein fördert.
Die Wirkung des IPCC-Sonderberichts zu 1,5°C-Erwärmung hing deutlich von der politischen Orientierung der Rezipienten ab: Je weiter rechts sich jemand verortete, desto schwächer nahm er den Klimawandel als Bedrohung wahr; Grafik: Ogunbode et al 2019
Die Umfrageergebnisse zeigten auch, dass der Sonderbericht bei jenen Befragten mehr Eindruck machte, die bereits vorher für die Bedrohungen durch den Klimawandel sensibilisiert waren. Hier spielte die politische Einstellung keine entscheidende, aber eine moderierende Rolle: Je weiter rechts sich die Befragten im politischen Spektrum verorteten, desto weniger ließen sie sich von den Ergebnissen des Berichts beeindrucken. Gleichwohl erreichte der Bericht bei allen Befragten eine deutliche Veränderung in der Bedrohungswahrnehmung (ausgenommen lediglich die wenigen, die sich ganz rechtsaußen positionierten).
"Politische Voreingenommenheit ist keine unüberwindbare Barriere"
"Die Studie untersucht mit Norwegen einen relevanten nationalen Fall, in dem es eine Polarisierung der öffentlichen Meinung zum Klimawandel gibt, die den USA vergleichbar ist", sagt Mike Schäfer, Professor für Wissenschaftskommunikation an der Universität Zürich. "Die verwendeten Daten, die aus einem Längsschnitt-Panel auf Basis von norwegischen Melderegister-Daten stammen, sind grundsätzlich belastbar. Die Analysen sind gut gemacht und werden insgesamt nachvollziehbar interpretiert." Dennoch solle man "etwas vorsichtig sein" bei der Interpretation der Befunde. "Der vermeintliche Effekt des Berichts auf die klimabedingte Bedrohungswahrnehmung könnte auch anders herum sein: besorgte BürgerInnen haben den Bericht möglicherweise eher wahrgenommen." Dies räumt das Autorenteam in seiner Bewertung auch ein. Außerdem sei es nicht ausgeschlossen, dass andere Ereignisse zwischen den beiden Befragungen die Einschätzungen beeinflusst haben - etwa die zunehmend öffentlichkeitswirksamen Aktionen von Greta Thunberg.
Das Autorenteam der Studie selbst wertet ihre Ergebnisse so, dass die Wissenschaftskommunikation zu Klimarisiken wichtig bleibe. "Aus der Tatsache, dass Konservative weniger Klimarisiken wahrnehmen, könnte man den Schluss ziehen, Risikokommunikation sei zwecklos, weil sie nur diejenigen erreiche, die bereits überzeugt sind", sagt die Psychologin Gisela Böhm von der Universität Bergen, die an der Studie mitgewirkt hat. Doch diese Deutung weist sie zurück: Es lohne sich sehr wohl, die Risiken zu kommunizieren, denn praktisch alle Personengruppen werden erreicht, wenn auch einige in geringerem Maße. Böhm: "Für Kommunikatoren bedeutet das nicht, einfach weiterzumachen wie bisher - wohl aber, den Versuch nicht aufzugeben." Das Fazit der Studie ist jedenfalls verhalten optimistisch: "Politische Voreingenommenheit bei der Verarbeitung von Klimainformationen ist nicht notwendigerweise eine unüberwindbare Barriere für das wirkungsvolle Vermitteln von Klimawandel-Risiken."
Christiane Schulzki-Haddouti/Toralf Staud