Wenn Sozialwissenschaftler die Einstellungen und Meinungen von Menschen untersuchen, dann schlüsseln sie ihre Ergebnisse meist nach soziodemografischen Faktoren auf: Danach, wie alt jemand ist oder welches Geschlecht er hat, wie hoch sein Einkommen ist oder sein Bildungsabschluss. Das Ergebnis sind dann beispielsweise Aussagen wie: Ältere oder eher niedriggebildete Menschen sind häufiger rassistisch eingestellt als die Gesamtbevölkerung.
Doch wenn es um Ansichten zum Klimawandel geht, dann spielen die üblichen Variablen wie Alter, Geschlecht, Gehalt oder Bildungsgrad nur eine untergeordnete Rolle. Dies ist das Ergebnis einer großangelegten Auswertung von Einzelstudien aus 56 Ländern, die in der aktuellen Ausgabe der Fachzeitschrift Nature Climate Change erschienen ist. Den größten Einfluss auf die Einstellungen zum Klimawandel, so das Fazit der Untersuchung, hätten "Werte, Ideologien, Weltanschauungen und politische Orientierungen".
25 Meinungsumfragen und 171 Studien aus den vergangenen Jahren wertete das Team um den Psychologieprofessor Matthew Hornsey von der University of Queensland im australischen Brisbane für seine Arbeit aus. Der größte Teil stammte aus den USA und Australien, die Aussagekraft der Studie für Deutschland dürfte daher begrenzt sein – allerdings ist hierzulande die Zahl derjenigen, die sich wissenschaftlichen Erkenntnissen zum Klimawandel verweigern, ohnehin vergleichsweise gering.
Konservative und Marktliberale zweifeln eher am Klimawandel
In der Vielzahl der Studien identifizierten Hornsey und seine Kollegen insgesamt 27 Einflussfaktoren für Einstellungen zum Klimawandel. Neben den oben genannten soziodemografischen Variablen zählte dazu beispielsweise auch, wie viel eine Person über Klima und Klimawandel weiß oder ob sie persönlich mit Extremwetterereignissen konfrontiert gewesen ist.
Ergebnis: All diese Faktoren hatten weniger Einfluss auf die Ansicht einer Person zum Klimawandel als Parteipräferenzen oder die ideologische Grundhaltung der betreffenden Person. Wenn beispielswiese jemand Parteien rechts der Mitte wählt, konservativ eingestellt ist und das Individuum betont, wenn er die freie Marktwirtschaft hochhält, staatliche Interventionen kritisch sieht und Unternehmen grundsätzlich vertraut – dann steigt die Wahrscheinlichkeit deutlich, dass diese Person den Klimawandel für wenig bedeutsam oder gar für inexistent hält.
Korrelation zwischen soziodemografischen und politischen Variablen sowie den Einstellungen zum Klimawandel: Geschlecht, Alter, Einkommen, Bildungsgrad oder ethnische Herkunft (Balken von links) haben einen deutlich niedrigeren Einfluss als politische Orientierung und Weltanschauung; Quelle: Hornsey et al. 2016
Mehr Wissen macht wenig Unterschied
Im Interview mit der australischen Tageszeitung Sunday Morning Herald bietet Matthew Hornsey eine Interpretation dieses Befundes an: Die Klimaforschung sei für die meisten Leute viel zu komplex und unverständlich - weshalb sie von einer Sache des Wissens zu einer Sache des Glaubens werde. Wem es an grundsätzlichen Vertrauen in die Forschung und ihre Methoden fehle, so Hornsey, der gehorche beim Thema Klimawandel "seinem Bauchgefühl" - und dieses werde eben stark von Werten und politischen Ansichten beeinflusst.
Noch eine zweite Haupterkenntnis hat das australische Team aus der Vielzahl der Einzelstudien destilliert: "Ansichten zum Klimawandel haben nur einen geringen bis mittelmäßigen Einfluss darauf, wie sehr Menschen zu einem klimafreundlichen Verhalten bereit sind." Zwar werden Personen, die die Ergebnisse der Klimaforschung akzeptieren, stärker politisch aktiv als solche, die es nicht tun - sie unterzeichnen also häufiger Petitionen oder nehmen an Demonstrationen teil. Doch den eigenen Lebensstil verändern sie deshalb noch lange nicht. Laut Hornsey spielt hier eher eine Rolle, wie hoch die Hürden zu einer Verhaltensänderung sind - bei der Nutzung des eigenen Autos zum Beispiel der Faktor, ob es einen gut ausgebauten öffentlichen Nahverkehr gibt oder nicht.
Was bedeutet dies alles nun für die Klimakommunikation? Es kann als wissenschaftlich gesichert gelten, dass mehr Informationen allein wenig helfen - sowohl bei der Motivation zu klimaschonendem Handeln als auch wenn es darum geht, Menschen zu erreichen, die Erkenntnisse der Klimaforschung bezweifeln oder ablehnen.
Klimakommunikation sollte auf psychologische Faktoren reagieren
Davon sollte sich aber niemand entmutigen lassen, betonen die Studienautoren. "Unsere Befunde geben auch Anlass zu Hoffnung." Auf psychologischen Faktoren nämlich könne man durch gezielte Interventionen eingehen: Zum Beispiel, erläutert Hornsey in der Washington Post, indem man sich bestimmte Ideologien genau anschaut und dann klimawissenschaftliche Fakten so formuliert, dass sie "freundlich für diese Weltanschauungen" wirken. So könne es bei einigen Zielgruppen etwa hilfreich sein, die negativen Folgen des Klimawandels für die nationale Sicherheit eines Landes zu betonen.
tst