Hillary Clinton hat einen Alien adoptiert, Polizei vertuscht Verbrechen von Flüchtlingen, der Klimawandel ist eine Erfindung der Chinesen - Falschmeldungen wie diese verbreiten sich im Internet schneller und weiter als wahre Informationen. Das ist das Ergebnis einer Langzeitstudie von Forschern des US-amerikanischen Massachusetts Institute of Technology (MIT).
Für die Untersuchung, die vergangene Woche im Fachmagazin Science erschienen ist, analysierte das Team um Soroush Vosoughi 126.000 englischsprachige Nachrichten, die zwischen 2006 und 2017 auf dem Kurzmeldungsdienst Twitter publiziert und weiterverbreitet wurden. Die untersuchten Meldungen wurden von rund drei Millionen Nutzern insgesamt 4,5 Millionen Mal gepostet. Unabhängige Fakten-Prüfer untersuchten die Storys auf ihren Wahrheitsgehalt.
Falsche Nachrichten verbreiten sich sechs Mal schneller als wahre
Falschmeldungen, so die Studie, haben eine um 70 Prozent höhere Wahrscheinlichkeit weiterverbreitet zu werden als zutreffende Nachrichten. Sie brauchten im Schnitt sechs Mal so lange wie falsche Nachrichten, um 1500 Personen zu erreichen. Und während es zutreffenden Meldungen selten gelang, mehr als tausend Twitter-Nutzer zu erreichen, hatten die falschen Top-Nachrichten regelmäßig ein Publikum von bis zu 100.000 Leuten.
Die weite Verbreitung von Falschmeldungen sei übrigens unabhängig davon, wer den Post ins Netz stellt: Die erfolgreichen Falschmeldungen würden gerade nicht von großen "Influencern" weiterverbreitet, also sehr aktive Twitter-Nutzer oder solche mit besonders vielen Followern. Typische Verbreiter falscher Nachrichten verfügen jeweils über relativ wenig Reichweite, aber es ergeben sich regelrechte Weiterleitungskaskaden.
Falschmeldungen erregen starke Gefühle wie Überraschung, Ekel, Angst
Jedenfalls sei, bilanzieren die Forscher der MIT, die hohe Erfolgsquote der Fake-News nicht auf besondere Social-Media-Kenntnisse oder auf technische Raffinessen wie künstliche Bots zurückzuführen. Ausschlaggebend seien eher die Art der Nachrichten – und wie Menschen auf sie reagierten.
Anhand des Retweet-Verhaltens von 5000 Twitter-Nutzern untersuchten die Forscher die in Nachrichten und entsprechenden Hashtags enthaltenden Schlüsselwörter, die bestimmte Emotionen auslösen. Während echte Nachrichten vor allem Trauer, Vorfreude und Vertrauen in den Lesern wecken, dominieren bei Falschmeldungen vor allem Überraschung, Ekel und Angst.
Wer sich nicht um Wahrheit schert, kann besonders leicht Neues liefern
Eine große Rolle spielte nach Einschätzung der Forscher der schlichte Mechanismus, dass falsche Meldungen mit Leichtigkeit neu sein können – die Urheber können sich ja einfach irgendetwas ausdenken. "Es ist einfacher, eine Neuigkeit zu liefern, wenn man nicht durch die Realität beschränkt ist", brachte es Mit-Autor Sinan Aral im Interview mit der Washington Post auf den Punkt. Die meisten Fake-News gab es laut der Studie übrigens bei politischen Meldungen. Während der vergangenen US-Präsidentschaftswahlen erreichte die Zahl der Falschmeldungen sogar ihren Höhepunkt.
Die Wissenschaftler schließen aus ihren Befunden, "dass das menschliche Verhalten beim Verbreiten von Nachrichten eine größere Rolle spielt als etwa künstliche Bots". Ihr Fazit: "Wir sollten uns deshalb beim Kampf gegen Fake-News mehr auf die Ursachen beim Menschen konzentrieren – beispielsweise die Art, wie die Nachrichten geschrieben sind und welche Anreize sie setzen."
Susanne Götze