Das Bewusstsein für die Gefahren des Klimawandels hat in den vergangenen Jahren weltweit deutlich zugenommen. Das ist das Ergebnis einer Umfrage des renommierten US-amerikanischen Pew Research Center. in 26 Ländern. Etwa 67 Prozent der Befragten betrachten die Erderhitzung als eine erhebliche Bedrohung; das ist ein signifikanter Anstieg gegenüber 2013 (56 Prozent) und 2017 (63 Prozent). Damit lag der Klimawandel nun vor allen anderen Phänomenen wie dem islamistischen Terrorismus (IS), dem nordkoreanischen Atomprogramm oder dem Einfluss von Supermächten wie USA, Russland oder China.
Das Institut fragt regelmäßig in zahlreichen Staaten weltweit, was die Bürger als große Bedrohung ("major threat") für ihr Land wahrnehmen. Die aktuelle Studie beruht auf Interviews mit 27.612 Teilnehmerinnen und Teilnehmern, die zwischen Mai und August 2018 geführt wurden. Befragt wurden Menschen auf allen Kontinenten, darunter auch aus zehn europäischen Staaten. In Europa war die Sorge vor dem Klimawandel mit 71 Prozent etwas höher als im globalen Durchschnitt.
Nirgends auf der Welt ist die Besorgnis der Umfrage zufolge so hoch wie in Griechenland, wo 90 Prozent der Befragten die Erderhitzung als große Gefahr sahen. Es folgen Südkorea (86 Prozent), Frankreich (83 Prozent), Spanien (81 Prozent) und Mexiko (80 Prozent). Deutschland liegt mit 71 Prozent auf Rang 9, die USA auf Rang 21 (59 Prozent). Am geringsten war die Sorge über den Klimawandel in Israel (38 Prozent), Nigeria (41 Prozent), Russland (43 Prozent) und Polen (55 Prozent).
In exakt der Hälfte der Länder der Pew-Untersuchung (13 von 26) wurde der Klimawandel als größte aller wahrgenommenen Bedrohungen genannt. Die Grafik zeigt für alle Länder und alle abgefragten Gefahren, wieviele Teilnehmerinnen und Teilnehmer das jeweilige Thema als "große Bedrohung" einstuften. Fettgedruckt ist in jeder Zeile die höchste Zahl, unterstrichen die jeweils zweithöchste; Grafik: Pew Research Center 2019
Die Sorge über islamistischen Terrorismus ist der Erhebung zufolge zwar weltweit zurückgegangen, aber in immerhin acht Ländern wurde sie auch 2018 am häufigsten als große Gefahr genannt (darunter zum Beispiel Frankreich und Russland). In vier Staaten (darunter die USA und Japan) lagen Cyber-Attacken an der Spitze der wahrgenommenen Gefahren, in einem Land (Polen) war es die Macht Russlands. Die Sorge um die Weltwirtschaft nahm insgesamt deutlich ab, merklich zugenommen hat hingegen seit dem Amtsantritt von Präsident Donald Trump die Angst vor der Macht der USA.
In 13 Ländern nahm die Sorge erheblich zu, darunter in Deutschland
Nicht nur im weltweiten Durchschnitt, sondern auch in vielen Einzelstaaten ist das Gefahrenbewusstsein in Sachen Erderhitzung seit 2013 deutlich gestiegen. Am größten war der Sprung in Frankreich (+29 Prozentpunkte) und in Mexiko (+28). Aber auch in den USA (+19 Prozentpunkte), Großbritannien (+18) und Deutschland (+15) gab es erhebliche Zuwächse.
In zahlreichen Ländern war unter Frauen das Bewusstsein für die Klimawandel-Risiken höher als unter Männern - besonders groß war der Unterschied in den USA (15 Prozentpunkte), Kanada und Polen (jeweils 13 Prozentpunkte). In Europa und Nordamerika zeigte sich generell ein leichter Unterschied zwischen den Bildungsgruppen: Unter höher Gebildeten war die Zahl der Personen etwas höher, die die Erderhitzung als gefährlich einschätzen, als unter weniger gebildeten. Sehr groß hingegen war diese Spaltung in Brasilien (84 Prozent vs. 62 Prozent).
In vielen Ländern zeigen sich Unterschiede zwischen rechts, Mitte und links
Wie schon in anderen Untersuchungen zeigte sich auch in der Pew-Erhebung eine weltanschauliche Spaltung beim Klimawandel: In vielen Ländern lag unter den Personen, die sich als konservativ oder rechts einordnen, die Zahl der Besorgten deutlich niedriger als unter jenen der politischen Mitte. Demgegenüber lag die Zahl unter Progressiven bzw. Linken deutlich höher als in der Mitte (allerdings war bei ihnen das Maß der Abweichung von der Mitte meist geringer als bei Rechten).
Besonders groß war mit 56 Prozentpunkten die ideologisch-kulturelle Spaltung in den USA; dort sehen lediglich 31 Prozent der Republikaner den Klimawandel als große Gefahr - gegenüber 87 Prozent der Demokraten (unter Angehörigen der politischen Mitte: 67 Prozent). Mit deutlichem Abstand folgen Großbritannien (24 Prozentpunkte Abstand zwischen rechts und links), Kanada (22 Prozentpunkte) und die Niederlande (21 Prozent).
AfD-Wähler sehen den Klimawandel besonders selten als Gefahr
Eine geringere, aber doch deutliche Polarisierung fand die Pew-Erhebung auch in Deutschland (18 Prozentpunkte). So bezeichneten hierzulande 75 Prozent der Befragten, die sich politisch in der Mitte verorten, den Klimawandel als große Gefahr. Unter Menschen, die sich politisch als "links" einstufen, waren es 80 Prozent, unter Menschen, die sich politisch eher "rechts" verorten, jedoch nur 62 Prozent. Vergleichsweise klein war diese Rechts-Links-Differenz in Spanien (12 Prozentpunkte) und Frankreich (neun Prozentpunkte), wo mit 75 bzw. 77 Prozent auch relativ viele politisch rechts Stehende bzw. Konservative den Klimawandel als große Gefahr einstuften.
In keinem europäischen Land sind die Unterschiede zwischen Anhängern und Gegnern der jeweiligen rechtspopulistischen bzw. -extremen Partei so groß wie in Deutschland; Grafik: Pew Research Center 2019
Besonders niedrig ist das Bewusstsein für die Risiken der Erderhitzung unter Anhängern von rechtspopulistischen und rechtsextremen Parteien; auch dieses Phänomen fand sich in mehreren Staaten. In Deutschland zum Beispiel nannten von jenen Befragten, die Sympathien für die AfD hegen, nur 49 Prozent den Klimawandel eine große Gefahr - unter jenen, die die AfD ablehnen, waren es hingegen 77 Prozent.
Diese Differenz von 28 Prozentpunkten ist größer als in allen anderen europäischen Ländern, in Großbritannien zum Beispiel (hier wurden Anhänger der UKIP extra ausgewertet) lag sie bei lediglich 22 Prozentpunkten, in Frankreich (Front bzw. Ressemblement National) bei 21 Prozentpunkten, in den Niederlanden (Partei für die Freiheit) bei 19 und in Schweden (Schwedendemokraten) bei lediglich 13 Prozentpunkten. Aber das Ergebnis für die AfD-Anhänger lässt sich auch andersherum lesen: Immerhin jeder zweite von ihnen betrachtet die Erderhitzung als große Gefahr - und ignoriert damit die unwissenschaftlichen Aussagen des Parteiprogramms zum Klimathema.
Toralf Staud