Klimakrise, Artensterben, gestörte Phosphor- und Stickstoffkreisläufe: Wir leben in einer Zeit multipler menschengemachter Krisen, die sich noch dazu gegenseitig verstärken. Von Corona-Pandemie oder Ukraine-Krieg ganz zu schweigen. Kurzgesagt: „Die Apokalypse ist überall.“ So formulierte es Philipp Schrögel, Wissenschaftskommunikator und Forschungskoordinator am Käte-Hamburger-Kolleg für Apokalyptische und Postapokalyptische Studien an der Universität Heidelberg.
Wie viel Raum sollte eine angemessene Klimakommunikation der Apokalypse einräumen? Ab wann wird Katastrophenberichterstattung kontraproduktiv? Und kann Climate Anxiety, die Angst vor dem Klimawandel, die gerade unter jungen Leuten häufig aufzutreten scheint, womöglich sogar zum Handeln motivieren?
Mehr als 450 Teilnehmende aus Theorie und Praxis debattieren auf dem K3-Kongress in Zürich über wirksame Klimakommunikation; Foto: Alexandra Endres
Mit diesen Fragen beschäftigte sich ein von Schrögel und anderen moderiertes Forum auf dem diesjährigen K3-Kongress in Zürich unter dem Titel: „Wie viel Apokalypse darf es sein?“ Eine erste Erkenntnis: Wer über Klimakatastrophen berichtet, erhält Aufmerksamkeit. Wer dagegen Auswege aus der Krise aufzeigt, kann zur Veränderung beitragen.
„Massive Furchtappelle“ können zwar Problembewusstsein schaffen. Aber oft seien sie auch wirkungslos, sagte Schrögels Co-Moderator Torsten Grothmann, Umweltpsychologe und leitender Wissenschaftler am interdisziplinären Lehrstuhl für Ökologische Ökonomie an der Carl von Ossietzky-Universität Oldenburg. Denn Furcht kann auch Abwehrreaktionen erzeugen, Überforderung, Verdrängung und Fatalismus.
„Gefühle sind nicht das Problem,
sondern dass wir nicht gut mit ihnen umgehen können“
Wie kann es gelingen, gut mit der eigenen Klima-Angst umzugehen? Und was folgt daraus für die Kommunikation? Darüber sprach Katharina van Bronswijk, Psychotherapeutin, Buchautorin und Sprecherin der Psychologists and Psychotherapists for Future.
Eine zentrale Botschaft ihres Inputs: Unangenehme Emotionen wie Angst, Wut oder Trauer über den Klimawandel zu verdrängen, ist falsch. Denn hinter ihnen steckt immer ein Bedürfnis; und wer seine negativen Gefühlsregungen nicht wahrhaben möchte, kann die Bedürfnisse dahinter auch nicht erkennen. Dies aber wäre auf Dauer anstrengender, als sich auf seine Emotionen einzulassen – und natürlich würde es nirgendwohin führen. „Gefühle sind nicht das Problem, sondern dass wir nicht gut mit ihnen umgehen können“, sagte van Bronswijk. Trauer zum Beispiel ermögliche es, einen Verlust zu verarbeiten und brauche Raum. Angst etwa helfe, eine Bedrohung zu erkennen und sich darauf einzustellen – beispielsweise sich zu schützen oder aktiv etwas gegen die Gefahr zu unternehmen. Wut wiederum könne antreiben, ein Ziel zu erreichen. Es gebe sogar Hinweise darauf, dass sie stärker aktiviere als Angst. „Die kann auch lähmen.“ Wer es also schafft, die eigene Angst, Wut oder Trauer nicht zu verdrängen und sich auch nicht davon überwältigen zu lassen, kann seine Klima-Gefühle konstruktiv wenden. Womöglich wird man aktiv und erreicht Veränderungen. Zumindest aber kann man durch einen guten Umgang mit unangenehmen Emotionen die eigenen Widerstandskräfte stärken: resilienter werden in der Krise.
Klimakommunikation kann die kollektive Klima-Resilienz stärken –
am wichtigsten dafür ist, dass sie Auswege aus der Krise aufzeigt
Wie resilient jemand sei, hänge teils von persönlichen Faktoren ab, erklärte van Bronswijk: beispielsweise davon, ob jemand sich Unterstützung bei anderen Menschen suche (was Frauen in der Regel eher tun als Männer), oder wie sehr jemand Sinn im eigenen Handeln sehe und erwarte, etwas bewirken zu können. Auch äußere Einflussfaktoren seien wichtig, beispielsweise kulturelle Werte und Erzählungen („Nachhaltigkeit ist ein sehr wichtiger Wert für große Teile der Bevölkerung in Deutschland“) oder die Qualität der Gesundheitsversorgung (die besser oder schlechter vorbereitet sein kann auf zusätzliche Krankheiten infolge der Erderhitzung).
Was bedeutet das alles nun für die Klimakommunikation? Sie könne die kollektive Resilienz einer Gesellschaft stärken, etwa indem sie regelmäßig über Notfallpläne und Warnsysteme informiere, sagte van Bronswijk. Noch viel wichtiger sei aber womöglich, dass sie einen Ausweg aus der Krise aufzeigt. Katastrophenkommunikation, die das nicht tue, „ist ein bisschen, wie wenn man ins Taxi steigt, und sagt: Bitte fahren Sie mich nicht zum Hauptbahnhof“, sagte van Bronswijk. „Aber wo wollen wir überhaupt hin? Darüber müssen wir reden. Wir müssen über eine positive Zukunft sprechen, damit wir wissen, wo wir hinwollen.“
„Disruptive Kommunikation“: den Alltag stören und auch emotionale Reaktionen hervorrufen – mit dem Ziel, radikale Veränderungen zu initiieren
„Angst zu haben ist in Umweltkrisen durchaus die richtige Reaktion“, sagte Christian Klöckner, Professor für Sozialpsychologie und Quantitative Methoden an der Norwegischen Universität für Wissenschaft und Technik in Trondheim, in seinem Input für den Kongress. Bisher habe man eher versucht, inkrementelle Veränderungen zu erreichen, also von den Menschen nicht zu viel zu verlangen, um sie nicht zu verärgern. „Ich glaube, dass das nicht reicht.“
Er griff auf Transformationsprozesse in Unternehmen zurück, um seine These zu veranschaulichen. In Betrieben führten grundlegende Veränderungsprozesse in der Regel erst einmal zu Verschlechterungen. „Die Beteiligten sind verärgert, sie wissen nicht, wo das alles hinführen soll.“ Die Lage sei unübersichtlich und chaotisch: ein Tal der Tränen. „Aber an einem bestimmten Punkt dreht sich das. Dann tauchen transformative Ideen auf, die in den Alltag integriert werden und irgendwann zu einem neuen Alltag führen.“
Auf einer anderen Ebene sei es so ähnlich, wenn eine ganze Gesellschaft sich grundlegend verändern müsse. „Es wird Widerstand geben, auch eine Phase von Chaos.“ Aber nur so könne der neue Alltag in einer Geschwindigkeit erreicht werden, die der Krise entspreche. „Wir müssen dafür sorgen, dass wir durch das Tal durchkommen.“
Christian Klöckner, Professor für Sozialpsychologie und Quantitative Methoden an der Norwegischen Universität für Wissenschaft und Technik in Trondheim betonte die Chancen von Disruption; Foto: Melanie Bartos/Universität Innsbruck
Klöckner plädierte in seinem Vortrag für mehr disruptive Kommunikation – also eine Kommunikation, die den Alltag der Menschen störe und auch emotionale Reaktionen hervorrufe, mit dem Ziel, radikale Veränderungen zu initiieren. Umweltbewegungen kommunizierten häufig disruptiv, sagte er. „Mit großen Botschaften, mit Eindringen in den Alltag. Sie haben viel erreicht.“
Als ein Beispiel berichtete er von Aktionen in seinem lokalen Umfeld, von Aktivist*innen, die Straßen blockieren, Radrennen zum Stillstand bringen, sich während Fußballspielen am Tor anketten. „Sie brechen ein in den Alltag von Menschen mit der Botschaft: Stoppt die Suche nach neuen Ölfeldern.“ Natürlich seien die Betroffenen erst einmal ärgerlich darüber. „Aber es gab nach diesen Aktionen eine breite Diskussion in den lokalen Medien darüber, dass ja der Preis, den die Leute zahlen, die hier warten, viel geringer ist als das, worum es eigentlich geht.“ Selbst die Radfahrprofis, deren Rennen unterbrochen wurde, hätten sich verständnisvoll geäußert.
Manchmal helfe Kunst, die Menschen zu erreichen. In einem Schulprojekt zu Essensabfällen in Schulen beispielsweise, in dem die Abfälle zunächst bei der Entsorgung bildhaft auf die Gesichter der wegwerfenden Schüler*innen projiziert wurden. Dadurch kam eine Diskussion über mögliche Verbesserungswege in Gang.
„Wenn eine Apokalypse möglich ist,
dann hat Wissenschaft die Pflicht, das auch transparent zu sagen“
Am Ende des Forums hatte das Publikum das Wort. Drei Fragen oder Statements standen zur Debatte. Die erste davon: „Klimakommunikation darf und sollte bei den Menschen auch negative Emotionen auslösen.“ So gut wie alle stimmten zu. Warum?
„Es ist völlig unrealistisch, in der Klimakommunikation nicht auch über negative Dinge zu sprechen“, sagte eine Teilnehmerin. „Die Traurigkeit anzuerkennen, ist eine Voraussetzung für einen differenzierten Diskurs“, ein anderer. Ein Gegner sagte: „Ich finde das mit dem Tal der Tränen gut, aber wir brauchen auch Brücken.“ Er arbeite im Bereich der Gebäudesanierung, „da muss ich positiv kommunizieren, eine Win-Win-Lösung verkaufen.“ Wichtig sei, zu erkennen, dass es einen Weg aus dem Tal gebe, sagte Klöckner.
Drei Thesen wurden zum Abschluss des Workshops über Apokalypse in der Klimakommunikation zur Abstimmung (mit den Füßen) gestellt; Foto: Melanie Bartos/Universität Innsbruck
Das zweite Statement: „Wissenschaftler*innen sollten auch Worst-Case-Szenarien des Klimawandels kommunizieren.“ Wieder stimmte die übergroße Mehrheit zu. „Niemand weiß, wie schlimm es wirklich kommen kann“, sagte ein Teilnehmer. „Ich würde auf jeden Fall die verschiedenen möglichen Szenarien aufzeigen und klar machen, welche Unsicherheiten damit verbunden sind.“ Ein weiterer: „Wenn es solche wissenschaftlichen Erkenntnisse gibt, dann besteht die Pflicht, das auch transparent zu sagen. Das hängt auch mit der vorherigen Frage zusammen. Darf Klimakommunikation negative Gefühle hervorrufen? Ja, was denn sonst? Sonst zerstört man Vertrauen.“
Das letzte Statement: „Wir brauchen mehr Forschung und Anstrengungen, um unsere Gesellschaft für die unvermeidbaren Klimafolgen psychisch zu wappnen.“ Wieder stimmten so gut wie alle zu. Eine Teilnehmerin widersprach stellvertretend für wenige, die mit Nein votiert hatten: „Ich glaube, gute Forschung gibt es schon richtig viel. Jetzt geht es doch ums Handeln!“
Und um eine ganze Gesellschaft ins Handeln zu bringen, kann es offensichtlich hilfreich sein, über die Apokalypse zu kommunizieren. Wenn man dabei auch Auswege aufzeigt, mit unangenehmen Gefühlen gut umgeht – und manchmal auch, wenn man die unangenehmen Gefühle in einem ersten Schritt durch die Kommunikation selbst provoziert.
Alexandra Endres
Transparenzhinweis: klimafakten.de gehört zum Veranstalterkreis des K3-Kongresses