Die klimapolitischen Debatten in Österreich werden deutlich von Verzögerungs- und Verschleppungs-Argumentationen geprägt. Die Existenz der menschengemachten Erderhitzung wird hingegen kaum noch bestritten. Dies sind zwei der Ergebnisse einer Medienanalyse im Auftrag des neugegründeten Wiener Instituts Kontext, zu deren Initiatoren Katharina Rogenhofer gehört, eine Mitgründerin von Fridays For Future Österreich.
Für die Untersuchung wurden 729 klimapolitische Aussagen ausgewertet, die im Jahr 2023 in österreichischen Medien erschienen. Die Aussagen seien zufällig und repräsentativ ausgewählt worden, so das Autorenteam. Die Stichprobe umfasste Artikel sowohl aus Print- und Online-Medien sowie Beiträge aus Hörfunk und Fernsehen – zum Beispiel aus der Kronen-Zeitung, dem Standard oder der Presse, ebenso von der Nachrichtenagentur APA oder verschiedenen ORF-Kanälen.
Wortmeldungen aus der Politik dominieren
Geprägt wird der Klimadiskurs demnach von politischen Stimmen, rund ein Drittel (34 Prozent) der analysierten Aussagen stammten von Politiker:innen. Wortmeldungen aus der Zivilgesellschaft kamen auf einen Anteil von 21 Prozent, Fachleute und Personen aus der Wissenschaft machten 17 Prozent aus, je fünf Prozent der Beiträge stammten aus der Energiebranche oder anderen Wirtschaftssektoren, je drei Prozent von Interessenverbänden oder internationalen Organisationen (unterer Balken in der folgenden Grafik).
Inhaltlich dominierten in den Debatten vor allem zwei Themen: Mehr als die Hälfte der Wortmeldungen befassten sich mit Mobilität und Energie, es folgten die Bereiche Wirtschaftspolitik/Standort sowie Folgen der Klimaveränderungen. Kaum diskutiert wurde hingegen das Thema Arbeitsmarkt (ein Prozent). Bei den Politikmaßnahmen erhielten besonders viel Aufmerksamkeit das österreichische Klimaschutzgesetz, der European Green Deal und das Erneuerbaren-Wärme-Gesetz.
Die Untersuchung bestätigte einen in der Fachliteratur konstatierten Trend: Die Bedeutung sogenannter Verzögerungsdiskurse (englisch „discourses of delay“) nimmt zu. Demgegenüber ist die direkte Leugnung des Klimawandels kaum noch auffindbar. In der Gesamtheit der analysierten Aussagen fanden sich hierfür nur drei Beispiele (und alle drei stammten von der rechtspopulistischen FPÖ). Ungleich häufiger seien Forderungen nach einer Verlangsamung oder Verschleppung gewesen, sie reichten von der Forderung nach weniger Klimaschutz (38 Prozent) über das Propagieren als wenig wirksam eingestufter Lösungen (26 Prozent) bis zum Betonen von Nachteilen (21 Prozent). Als "Scheinlösungen" stufte die Untersuchung hierbei Ansätze wie E-Fuels für Autos oder Wasserstoff für die Heizung; diese Argumentation wird auch als Solutionism bezeichnet.
Eine detaillierte Analyse förderte deutliche Ungleichgewichte zutage. Demnach kamen die Verzögerungsargumente überproportional häufig aus der Politik, während sie bei zivilgesellschaftlichen Akteur:innen oder Stimmen aus der Forschung nur selten vorkamen. Und bei den Politiker:innen stach vor allem eine Partei hervor: 62 Prozent der Verschleppungsargumente kam laut der Untersuchung aus der ÖVP, mit großem Abstand folgte die FPÖ (31 Prozent), weit abgeschlagen die SPÖ und die liberalen Neos (je drei Prozent).
In der Teilmenge der Debattenbeiträge, die in der Untersuchung als „konstruktiver Diskurs“ bewertet wurde, spielten Wortmeldungen aus der Politik hingegen eine deutliche kleinere Rolle – Stimmen aus der Zivilgesellschaft waren hier hingegen erheblich überrepräsentiert (siehe Grafik oben, obere Balken). Die Rollen seien deutlich verteilt, so die Bewertung des Autorenteams: „Insgesamt zeigt sich eine klare Rollenverteilung in Österreichs Klimadiskurs: Akteur:innen ohne Entscheidungsmacht nützen die Öffentlichkeit, um Klimaschutz voranzutreiben. … Politiker:innen bedienen sich hingegen oft unterschiedlicher Taktiken, um Maßnahmen und Entscheidungen zu verschleppen.“
Konstruktive und positive Aspekte stärker betonen
Auf ihren Schlussseiten gibt die Untersuchung Ratschläge, wie eine konstruktivere Klimadebatte aussehen könnte. In Pro-Klimaschutz-Beiträgen sollten die positiven Aspekte von Klimaschutz stärker herausgestellt werden, die bisher in der Diskussion kaum erwähnt würden (nur vier Prozent der konstruktiven Wortmeldungen). Besonderes Augenmerk solle auch auf die Verzögerungstaktiken gelegt werden: Sie sollten als solche benannt und analysiert und entkräftet werden – wichtig sei aber auch, „berechtigte Sorgen und Ängsten rund um klimapolitische Veränderungen bereits in der Maßnahmensetzung zu berücksichtigen, und zwar schon bevor sie der Verschleppungsdiskurs aufgreift“.