Wenn irgendwo auf der Welt ein UN-Klimagipfel stattfindet, dann ist das für viele Diplomaten und Nichtregierungsorganisationen inzwischen weitgehend Routine. Auch die Medien berichten meist routiniert - und das zeigt sich an Bildern, die immer wiederkehren: Der allergrößte Teil der Beiträge zu Klimagipfeln sind entweder illustriert mit Szenen aus der Konferenz, meist mit Politikern oder Diplomaten. Oder mit Bildern inszenierter Proteste vor den Toren des Konferenzzentrums, etwa Demonstranten mit Bannern, Trommlergruppen, schmelzende Eisblöcke.
Das ist das Ergebnis einer Recherche, die der britische Think Tank Climate Outreach anlässlich des diesjährigen Klimagipfels in Marrakesch vorgelegt hat. Und weil die Bilder so wenig überraschend sind, so Climate Outreach, beschäftigen diese Gipfel "die Öffentlichkeit nicht so stark, wie sie es eigentlich könnten".
Müdes Bild: deutsche Umweltministerin auf UN-Klimagipfel. Mit diesem Foto illustrierte tagesschau.de am Montag ihren Bericht von der diesjährigen Konferenz. Ob es sich um Marrakesch 2016, Paris 2015 oder Lima 2014 handelt, ist fast nur an den Logos und Schriftzügen zu erkennen; Quelle: Bundesumweltministerium
Anlässlich des Pariser Klimagipfels im vergangenen Jahr durchkämmte Climate Outreach die Angebote von Bilddatenbanken und Nachrichtenagenturen, von großen Zeitungen und Online-Medien und von Verbänden wie Greenpeace oder Oxfam. Knapp 300 verschiedene Fotomotive fand Climate Outreach, und die allermeisten hatten die genannten Standard-Inhalte. Natürlich gebe es strukturelle Gründe für die "kümmerliche Bildsprache", so Climate Outreach: Äußerlich sehen Großkonferenzen halt ziemlich langweilig aus, die Verhandlungen selbst sind langsam und wenig anschaulich, und auch das Phänomen Klimawandel ist ja ein sehr komplexes.
"Mit Fotos von Protesten erreichen NGOs vor allem das eigene Millieu"
Bereits vor knapp einem Jahr hatte die Denkfabrik Climate Outreach eine größere Untersuchung zur Wirkung von Bildern rund um den Klimawandel vorgelegt - und darauf aufbauend Climate Visuals gestartet, eine Bilddatenbank mit empfehlenswerteren Motiven. (Gemeinsam mit klimafakten.de sowie dem Climate Service Centre GERICS wurden die Ergebnisse kürzlich erstmals in Deutschland präsentiert.) Dieses Prinzip setzt die Denkfabrik nun fort und leitet aus den Untersuchungsergebnissen konkrete Hinweise für eine spannendere Bildsprache ab. Und appelliert an Medienmacher, vor allem aber an Umwelt- und andere Nichtregierungsorganisationen, sich von eingefahrenen optischen Mustern zu verabschieden. Mit Fotos von Protesten zum Beispiel erreichten Klimaschützer vor allem das eigene Millieu - aber keine neuen Zielgruppen.
"Bilder, die anlässlich eines Klimagipfels produziert und verbreitet werden, müssen nicht direkt mit dem Gipfel zu tun haben", appelliert Climate Outreach. Stattdessen solle man die wiederkehrenden Konferenzen als Bühne nutzen, um "etwas anderes" über den Klimawandel zu zeigen und zu vermitteln: zum Beispiel konkrete Folgen der Erderwärmung, und am besten nicht irgendwo am anderen Ende der Welt, sondern in der direkten Nähe des Publikums.
Story-Telling ist gefragt: "Neue Geschichten erzählen, Menschen auf emotionaler Ebene ansprechen"
"Bilder müssen bedeutsam für verschiedene Zielgruppen sein, neue Geschichten erzählen und die Menschen auch auf einer emotionalen Ebene ansprechen." Wichtig sei Authentizität (weshalb Climate Outreach von Fotos gestellter Szenen abrät). Wenn schon das Geschehen auf einem Klimagipfel gezeigt werde, so die Empfehlung, dann am ehesten emotional bewegende Momente - also solche, in denen Menschen sichtlich erleichtert sind, erfreut oder auch enttäuscht oder erschrocken.
So illustrierte die tageszeitung vergangene Woche einen Bericht vom UN-Klimagipfel in Marrakesch - laut Climate Outreach erreichen derart authentisch emotionale Bilder die Leser; Quelle: Screenshot taz.de
Empfehlenswert seien außerdem Bilder, auf denen konkrete Maßnahmen gegen den Klimawandel oder seine Folgen gezeigt werden - also zum Beispiel die Installation von Solaranlagen oder der Bau von Hochwasserschutzmauern. Auch sei es sinnvoll, bei der Illustration von Artikeln mehrere Bilder zu kombinieren, um verschiedene Aspekte des Klimawandels zu zeigen. Und wenn man schon Protestaktionen zeige, dann sollten die Akteure nicht ausschließlich der Mittelschicht angehören - sondern am besten direkt Betroffene der Erderwärmung sein, etwa Vertreter indigener Völker, die vor den Toren der Konferenz demonstrieren.
Nach der großen Aufmerksamkeit für den Pariser Gipfel 2015, sei das Interesse für die diesjährige Klimakonferenz deutlich schwächer, meint Climate Outreach - und kann dem sogar etwas Positives abgewinnen. Diesen Moment geringer öffentlichen Wahrnehmung und relativ weniger Bilder sollten Klimaschützer nutzen: "Marrakesch ist der perfekte Zeitpunkt darüber nachzudenken, was wir künftig anders machen können."
Toralf Staud