Bei der Suche nach Antworten auf die Frage, warum manche Menschen die Ergebnisse der Klimaforschung leugnen, stießen angelsächsische Sozialforscher in den vergangenen Jahren immer wieder auf einen interessanten Zusammenhang: Wenn jemand sich als konservativ bezeichnet, Parteien rechts der Mitte wählt, die freie Marktwirtschaft hochhält und staatliche Interventionen ins Wirtschaftsleben kritisch sieht – dann steigt die Wahrscheinlichkeit deutlich, dass diese Person den Klimawandel für unwichtig oder gar inexistent hält. Jedenfalls habe die politische und ideologische Grundhaltung eines Menschen einen größeren Einfluss als alle anderen soziodemografischen Faktoren wie Bildung, Einkommen, Geschlecht oder Alter.
Allerdings ist zu vermuten, dass auch das politische System, die politische Kultur und die Wirtschaftsstruktur in diesem Zusammenhang eine gewisse Rolle spielen. Eine Untersuchung, die diese Woche im Fachmagazin Nature Climate Change erschienen ist, geht deshalb (endlich) einer wichtigen Frage nach: Ist der starke Zusammenhang zwischen politischem Konservatismus und Klimawandel-Leugnertum vielleicht eine US-amerikanische Besonderheit? Und erklärbar dadurch, dass besonders in jenem Land seit inzwischen mehreren Jahrzehnten absichtsvolle Kampagnen zur Diskreditierung der Klimaforschung laufen?
Außer in den USA zeigt sich nur in drei Ländern eine Ideologisierung
Die Untersuchung stammt von einem Team um den Psychologen Matthew Hornsey von der University of Queensland im australischen Brisbane, das vor zwei Jahren bereits eine große Meta-Analyse zum Thema vorgelegt hatte. Für ihre Studie sammelten sie Daten zu gut 5.300 Personen aus 25 Staaten - die Fallzahl war also mit jeweils 200 Menschen pro Land ziemlich klein (weil ein Teil der Befragten sich durch Kontrollfragen als offensichtlich unaufmerksam entpuppte, mussten sogar noch Daten von rund einem Fünftel ausgesondert werden; in die Analyse flossen deshalb lediglich Antworten von 4.032 Personen ein). Die Probanden wurden einerseits danach gefragt, ob sie den gegenwärtigen Klimawandel als größtenteils menschengemacht akzeptieren. Zum anderen wurden Fragen zu politischen Werten und Weltanschauungen gestellt: ob sich der/die Befragte als links oder rechts einstuft, als konservativ oder (links)liberal, ob er/sie Verschwörungstheorien anhängt, wie wichtig ihm/ihr individuelle Freiheitsrechte sind und so weiter.
Das Ergebnis war eindeutig: Der Zusammenhang zwischen (konservativer/rechter) Ideologie und dem Bestreiten des menschengemachten Klimawandels ist in der USA viel größer als in allen anderen 24 untersuchten Ländern, und er zeigte sich in allen abgefragten ideologischen Dimensionen. Deutlich schwächer ausgeprägt, aber teilweise vorhanden, ist die Korrelation von Ideologie und Klimawandel-Leugnen auch in fünf weiteren untersuchten angelsächsischen Ländern (Australien, Großbritannien, Kanada, Irland, Neuseeland). Doch daneben fand sich ein Zusammenhang außer in Brasilien in keinem der anderen analysierten Länder (darunter zum Beispiel China, Deutschland, Frankreich, Indien, Indonesien, Japan, Mexiko, Schweden, Südkorea).
Die Ergebnisdiagramme für zwei der fünf untersuchten Ideologie-Dimensionen: Wer sich selbst als rechts einordnet (siehe linke Grafik) oder als konservativ (rechte Grafik), leugnet mit deutlich größerer Wahrscheinlichkeit den menschengemachten Klimawandel - zumindest in den USA (oberster Balken in beiden Grafiken). In fünf weiteren englischsprachigen Ländern (mittlere Balken) ist der Effekt schwächer, aber teilweise immer noch signifikant. Im Durchschnitt aller 24 untersuchten Länder neben den USA (unterste Balken) verschwindet der Zusammenhang weitgehend. Der Punkt jeweils auf den Balken zeigt den wahrscheinlichsten Wert für die Korrelation, die Balken jenen Bereich, in dem der Wert mit 95-prozentiger Sicherheit liegt. Je weiter entfernt ein Punkt bzw. ein Balken von der vertikalen, gestrichelten Linie liegt, desto größer der Zusammenhang zwischen rechter bzw. konservativer Selbstverortung und Leugnung des menschengemachten Klimawandels; Quelle: Hornsey et al. 2018, Fig. 1 a+b
Bei der Datenauswertung fiel den Wissenschaftlern etwas auf: "Die Nationen mit der stärksten Korrelation (USA, Australien, Kanada, Brasilien) sind tendenziell jene, deren Volkswirtschaften relativ stark von fossilen Energiebranchen abhängig sind." Tatsächlich zeigte sich dieses Muster im gesamten Untersuchungsfeld: Höhere Pro-Kopf-Emissionen an Treibhausgasen gingen einher mit einem stärkeren Zusammenhang zwischen Weltanschauung und Klimawandel-Leugnertum.
"Je größer die Verlustängste, desto attraktiver wird Desinformation"
Eine Kausalbeziehung sei damit nicht belegt, betonen die Forscher, "aber es könnte sein, dass die Pro-Kopf-Emissionen ein Indikator sind für starke Eigeninteressen in Bezug auf den Klimawandel" - sowohl im kollektiv/institutionellen Sinne (also hohe Investitionen der fossilen Energiebranche im jeweiligen Land) als auch individuell (wie stark Menschen das Gefühl haben, sie verlören etwas bei einer Umstellung auf einen klimafreundlichen Lebensstil).
Die Autoren deuten hier einen Mechanismus an, der in der Psychologie als "motivated reasoning" bekannt ist: dass persönliche Gefühle, Interessen oder Werte dem Denkprozess von Menschen eine Schlagseite geben. "Je größer das Eigeninteresse ist, Veränderungen abzulehnen, desto stärker ist der Anreiz, sich an ideologisch motivierten Desinformationskampagnen über die Realität des menschengemachten Klimawandels zu beteiligen oder diesen Glauben zu schenken."
In Deutschland keine Korrelation von Konservatismus und Klimaleugnertum
Auch wenn Aussagen über einzelne Länder wegen der geringen Probandenzahl heikel sind, zeigt sich für Deutschland ein Bild, das auch schon frühere Studien ergaben: Die Polarisierung und Ideologisierung ist hierzulande vergleichsweise gering - Rechte bestreiten in Deutschland nicht signifikant häufiger den menschengemachten Klimawandel als Linke, Konservative nicht häufiger als (Links-)Liberale. Lediglich bei einer der abgefragten Dimensionen von Weltanschauung scheint es auch hierzulande einen Zusammenhang zu geben: Wer Verschwörungstheorien anhängt (etwa über das Attentat auf John F. Kennedy, den Tod von Lady Diana oder die islamistischen Terroranschläge des 11. September), der zweifelt auch häufiger am menschengemachten Klimawandel.
Aus seinen Ergebnissen zieht das Forscherteam ein durchaus ermutigendes Fazit: "Jene, die eingebunden sind in die US-amerikanische Politik (und US-zentrierte Datensätze), können leicht zu dem pessimistischen Schluss gelangen, die Klimadebatte sei tief versunken in Verschwörungsdenken und/oder politisch polarisierten Kulturkämpfen. Doch unsere Daten zeichnen ein breiteres Bild: dass eine konservative Weltsicht Menschen nicht darauf festlegt, sich der Klimaforschung zu verweigern."
Toralf Staud