Maren Kling hat Jazz-Gesang und Contemporary Vocals in Dublin und London studiert und macht heute Musik die zwischen Jazz, Pop, Chanson und experimenteller elektronischer Musik wandert. Dazu ist sie als Schauspielerin und Sprecherin aktiv, leitet einen Berliner Chor und ist Ensemble-Mitglied von vollehalle, einem Bühnenformat, das sich vorwiegend mit der Klimakrise, einhergehenden gesellschaftlichen Konflikten und ihren Lösungen befasst. Mit der Politökonomin Maja Göpel brachte sie 2021 beim Reeperbahnfestival in Hamburg einen musikalischen Dialog auf die Bühne.
Lieber Furor,
als ich Dich zum ersten Mal traf
und mich angetrunken in Deine Arme warf,
hast Du mich erstmal nicht wirklich beachtet
und ich hab Dich von der Seite angeschmachtet.
Du warst der heißeste Feger im Saal,
interessant zu merken war - ich hatte fast keine Wahl,
ich fand Dich irgendwie schön und gefährlich,
aber hatte auch Angst, da bin ich ganz ehrlich.
Den anderen Leuten warst Du auch nicht geheuer,
für manche hattest Du zu viel Feuer,
ich fand das reizvoll, hab‘s fast nicht gespürt,
aber dann hast Du kurz meine Schulter berührt.
Beim nächsten Wiedersehen - schon wieder konnt‘ ich Dir kaum widerstehen
hast Du mich nicht sofort erkannt
und obwohl ich das ganz schön unhöflich fand,
nahm ich die nächste Gelegenheit wahr
und küsste Dich. Ohne Kommentar.
Oh, Du warst so wild und Du mochtest mich sehr,
Du gabst mich gar nicht wieder her
und plötzlich, eh‘ ich mich versah,
waren wir dann direkt schon ein Paar!
Wenn Du da bist, bin ich meist ganz besonders schlau.
Warum das so ist, weiß ich auch nicht genau.
Manchmal macht es mich an, um Deine Gunst zu buhlen
und schnell fang ich an, mich im Sarkasmus zu suhlen.
Wenn’s um’s Klima geht? Ja, dann bist Du zur Stelle!
Überrennst mich schon fast, ich grad noch so an der Schwelle
zwischen Resignation, Hoffnung, Melancholie.
Und dann Du: meine stärkste Strategie.
Du nimmst mich grob an der Hand und dann ziehen wir los,
ganz egal welche Richtung, fest steht bloß,
dass der Zeigefinger ganz weit oben steht
und dass uns niemand was kann und das Wort uns verdreht.
Es ist spannend zu sehen, wie Du Feuer fängst
und wie Du mir und der Welt in den Ohren hängst.
Du bewegst eine Masse und treibst sie voran
und ich kenne sonst niemanden, der das so kann
wie Du!
Lieber Furor, Du weißt, ich bin Dir verfallen,
auch wenn alle Szenarien aufeinanderprallen:
Du bist da. Du bist klar. Du bist selbstbewusst,
aber manchmal wirst Du auch zum Selbst-Verlust.
Und dann…schon im nächsten Moment bist du mir peinlich,
normalerweise bin ich da nicht so kleinlich,
aber irgendwie merke ich wie sie dich sehen
und ich merke, ich kann nicht so ganz zu dir stehen.
Nein, versteh mich nicht falsch, du bist hier ja richtig.
Du bringst Leute in Rage und ich finde es wichtig,
all dem Scheiß dieser Welt auch mit dir zu begegnen,
doch den Weg in die Zukunft will ich anders ebnen.
Und ich frage mich wirklich, ob ich dich noch brauch
und ich glaub ein paar andere fragen sich das auch.
Bist du denn der Weg, der die Zukunft gestaltet?
oder bist du die Axt, die die Menschen spaltet.
Maren Kling
Foto: Frederick Vidal