Die Schülerinnen und Schüler, die Freitag für Freitag für mehr Klimaschutz demonstrieren, haben bereits einiges bewirkt: Politik und Medien diskutieren plötzlich lebhaft über den rebellischen Nachwuchs – und über den Klimawandel. Doch auch auf ihre Familien haben die Kinder Einfluss: Gespräche am heimischen Abendbrotstisch können zu einem Umdenken führen, gerade bei eher konservativen Elternteilen. Das berichtet ein Team von Sozialwissenschaftlern der North Carolina State University in der aktuellen Ausgabe des Fachjournals Nature Climate Change. Besonders erfolgreich seien dabei Töchter bei "klimaschutzskeptischen" Vätern, so die Untersuchung.
Zum Beispiel am Abendbrotstisch können Kinder ihre Eltern stark beeinflussen; Foto: Carel Mohn
In der Studie testeten das Team um Danielle F. Lawson den Effekt eines speziellen Unterrichtsmoduls zum Klimawandel. Dafür kombinierten sie bewährtes Lehrmaterial mit interaktiven Elementen, etwa einem Interview, das die Kinder mit ihren Eltern führen sollten. Die Forscherinnen und Forscher bezogen rund 350 Sechst-, Siebt- und Achtklässler in ihre Untersuchung ein, geteilt in Probanden-Gruppen: Elf Schulklassen absolvierten den speziellen Unterricht, während zwölf andere Klassen mit ihren Lehrern normalen Stoff zum Klima durchnahmen. Vor und nach dem Unterricht wurden Kinder und Eltern mittels Fragebogen befragt.
Töchter hatten einen größeren Einfluss als Söhne
Die Kinder, die den modifizierten Unterricht durchliefen, zeigten erheblich mehr Sorge um das Klima und redeten auch intensiver mit ihren Eltern als die Vergleichsgruppe. Und es zeigte sich, dass der Einfluss auf die elterlichen Einstellungen zum Klimawandel besonders groß ist bei Töchtern und bei konservativen Elternteilen, die Klimaschutz bis dato eher kritisch gegenüberstanden. Der Erfolg der Töchter sei wohl auf ein stärkeres Interesse und eine größere Kommunikationsbereitschaft zurückzuführen, so die Studienautoren. Die Mädchen hätten sich schon während des Unterrichts besorgter gezeigt als ihre männlichen Mitschüler.
Die Grafik zeigt den Effekt, den Söhne bzw. Töchter in der Studie auf das Klimabewusstsein ihrer Eltern hatten - oben in Schulklassen mit gewöhnlichem Klima-Unterricht, unten in Schulklassen mit dem weiterentwickelten Curriculum. Bei ersteren zeigten sich generell kleinere Effekte, bei Jungen sogar (links oben) eher negativ, bei Mädchen (rechts oben) eher positiv. Schülerinnen und Schüler mit dem weiterentwickelten Unterrichtsmodul beeinflussten ihre Eltern deutlich stärker - am stärksten die Mädchen (unten rechts); Abbildung: Lawson et al. 2019
Bereits frühere Studien hätten gezeigt, dass Kinder und Eltern sich beim allgemeinen Umweltbewusstsein beeinflussen, erklärt Hannah Wallis, Umweltpsychologin an der Universität Magdeburg. "Es klingt deshalb sehr plausibel, dass es auch beim Klimaschutz eine Einflussnahme innerhalb der Familie gibt." Bei "konkretem Umweltverhalten", etwa Mülltrennung, dem Konsum von Biolebensmitteln oder beim Stromsparen, zeigten die Studien eher, dass Eltern ihre Kinder beeinflussen. Die US-Studie zeige damit etwas Neues: Dass auch Kinder ihre Eltern überzeugen können. "Allerdings wahrscheinlich besonders dann, wenn es um das in der Studie untersuchte Problembewusstsein bezogen auf den menschengemachten Klimawandel geht und weniger in Bezug auf konkrete Verhaltensänderungen", meint Wallis.
Mit wohlinformierten Kindern "schwer erreichbare Gruppen" ansprechen
Das US-Team meint, Kinder seien generell eine bisher unterschätzte Gruppe in der Klimakommunikation. Ihnen die Gefahren und Folgen der Erderwärmung nahezubringen sei weitaus effektiver, weil sie über eine geringere ideologische Prägung als Ältere verfügten. Bei Erwachsenen jedoch, das zeigen zahlreiche Studien, seien erst einmal Vorurteile und soziale Barrieren zu überwinden. Kinder könnten daher eine wichtige Rolle dabei spielen, wenn es um Motivation für mehr Klimaschutz oder aktives Handeln geht. "Die Studie bestätigt, was wir intuitiv schon lange wussten: Kinder können einen deutlichen Einfluss auf die Einstellungen und das Verhalten ihrer Eltern haben", glaubt auch Kai Niebert. Der Nachhaltigkeitsforscher unterrichtet Didaktik der Naturwissenschaften und der Nachhaltigkeit an der Universität Zürich.
Umweltpsychologen wie Hannah Wallis sehen im Ergebnis der Studie sogar die Chance, durch besser informierte Kinder an "schwer erreichbare Gruppen" heranzukommen. Bei Menschen, die die Realität des menschengemachten Klimawandels bestreiten, oder auch bei besonders konservativen Elternteilen seien die Kinder vielleicht die einzige Chance, alte Denkmuster aufzubrechen, vermutet Wallis. Hierzulande ist diese Frage jedoch noch unerforscht. "Wir arbeiten gerade an Studien, um die Wirkung der Fridays-for-Future-Protestbewegung zu untersuchen", so Wallis.
Susanne Götze