Das Wasser steigt, kommt näher. Die Besucher weichen zurück. Das Wasser steigt weiter, höher und höher. Immer enger drängen sich die Besucher auf einem kleinen Stückchen Wiese. Irgendwann stoppt das Wasser. Zum Glück ist dies nicht die reale Welt mit seinen stetig anschwellenden Meeresspiegeln – sondern nur ein Raum im Klimahaus Bremerhaven. An dieser Station, der letzten von insgesamt neun, wird die Hallig Langeneß im nordfriesischen Wattenmeer dargestellt. Alle Häuser dort stehen auf sogenannten Warften, also Erdhügeln, die Mensch und Tier vor den regelmäßigen Sturmfluten schützen. Der Klimawandel führt dazu, dass die immer höher ausfallen werden.

Wenn die Besucher auf der Hallig Langeneß angekommen sind, haben sie bereits eine imaginäre Reise um die Welt hinter sich. Auf fünf Kontinente führt die Ausstellung im Klimahaus; und dort wiederum an insgesamt neun Orte, die verbindet, dass sie – wie Bremerhaven – auf dem achten Längengrad Ost liegen. Temperatur und Luftfeuchte, Gerüche und Geräusche in den einzelnen Räumen vermitteln authentische Eindrücke von den verschiedenen Orten und Klimazonen.

Vom Start in Bremerhaven wandern die Besucher zunächst auf Schienen nach Isenthal in die Schweizer Alpen. Hier am Gletscher Blüemlisalpfirn herrscht Hochgebirgsklima, der Weg führt über zerklüftete Felsen, es riecht nach Bergwiese und Heu, Kuhglocken läuten. Über Sardinien im Mittelmeer, wo die Besucher sich durch überdimensionierte Grashalme und Insekten fühlen, als seien sie selbst auf Käfergröße geschrumpft, geht es in den Niger. Im entsprechenden Raum des Klimahauses ist es trocken und 35 °C heiß, der Boden ist mit Sand bedeckt, in der Mitte steht eine Akazie, auf die alle zwölf Sekunden ein Tropfen Wasser fällt – dies entspricht der realen, durchschnittlichen  Niederschlagsmenge in dieser Wüste. Der nächste Raum versetzt die Besucher in den Regenwald Kameruns, es herrschen drückende Hitze und 80 Prozent Luftfeuchte, man muss sich unter Ästen und Blättern ducken, es riecht und klingt wie im Dschungel, in einer Flusslandschaft tummeln sich echte Fische aus den Tropen und Krokodilbabies. Durch die Antarktis – minus 6 °C und echtes Eis auf Boden und Wänden – geht es in den pazifischen Inselstaat Samoa mit Sandstrand, Palmen und Holzhütten und einem wuselnden Korallenriff. Letzte Station vor der Hallig Langeneß ist die Insel St. Lawrence vor Alaska, wo die Ureinwohner, die Yupik, noch legal Wale jagen dürfen.

Die Reise führt den Besucher auf fünf Kontinente, unter anderem in die Schweizer Alpen, wo die Erderwärmung Berghänge ins Rutschen geraten lässt - Quelle: Klimahaus GmbH

In der Realität müsste man für diese Reise 40.000 Kilometer zurücklegen, im Klimahaus lediglich rund 1.000 Meter. An allen Stationen werden Dokumentarfilm-Sequenzen gezeigt, in denen die Bewohner der jeweiligen Orte aus ihrem Alltag berichten und davon, wie das Klima und dessen Wandel ihr Leben beeinflussen. Auf Langeneß könnten die Warften bald nicht mehr hoch genug über den Meeresspiegel aufragen, um die regelmäßigen Sturmfluten zu überstehen. In Alaska sind wegen der Erderwärmung die Lebensräume von Zugvögeln, Eisbären und Robben in Gefahr. Auf Samoa bleichen infolge der Ozeanversauerung die Korallenriffe aus, und mit einer verfallenen Kirche wird im Klimahaus symbolisiert, dass dort bereits Menschen wegen der steigenden Fluten ihre Dörfer verlassen mussten. In den Schweizer Alpen sind die Bergbauernhöfe von herabstürzendem Geröll bedroht – das Schwinden von Gletschern und Permafrost lässt dort viele Hänge ins Rutschen geraten. Auch im entsprechenden Raum im Klimahaus löst sich plötzlich ein Steinschlag – zum Glück sind es nur Tischtennisbälle, die dort auf die Besucher prasseln.

Seit der Eröffnung 2009 kamen bereits vier Millionen Menschen

Neben dieser Weltreise bietet das Museum auf seinen 11.500 Quadratmetern Ausstellungsfläche weitere Bereiche, in denen Klimawissen ebenso anschaulich wie spielerisch vermittelt wird. Der Bereich „Perspektiven“ erklärt Klimaschwankungen, sowohl die natürlichen der vergangenen Jahrmillionen als auch den gegenwärtigen, maßgeblich vom Menschen verursachten. Und er führt vor Augen, welche Bedingungen hierzulande im Jahr 2050 zu erwarten sind. Die Besucher können selbst Wetter- und Klimasimulationen erstellen. Hier wird die Arbeit von Klimaforschern anschaulich erklärt und zugleich verständlich, warum eine exakte Einschätzung des künftigen Klimas schwierig ist und wenig mit mangelndem Wissen zu tun hat.

Der Bereich „Elemente“ bietet spielerische Experimenten zu Feuer, Wasser, Erde und Luft:  Wie heiß muss Luft sein, damit ein Ballon aufsteigt? Welche Form müssen Rotoren von Windrädern haben, damit sie am meisten Strom erzeugen? Im Bereich „Chancen“ schließlich vermitteln einzelne Spielkammern, wie sich durch persönliches Verhalten – beim Einkaufen, beim Wohnen, beim Reisen – die eigene Klimabilanz beeinflussen lässt. Das Klimahaus selbst geht dabei mit gutem Beispiel voran. Es wurde klimaschonend konstruiert mit Photovoltaik-Modulen, Wärmetauschern und 500 Pfählen tief in der Erde, die dabei helfen, das Gebäude trotz seiner Fassade aus futuristisch geschwungenem Glas mit wenig Energieeinsatz zu klimatisieren.

Das Klimahaus Bremerhaven hat eine passende Postadresse: Am Längengrad 8 - Foto: Klimahaus GmbH

Seit der Eröffnung im Juni 2009 besuchten bereits rund vier Millionen Menschen das Klimahaus. Rund 70 Millionen Euro ließen sich die Stadt Bremerhaven und das Land Bremen den Bau kosten, wissenschaftliche Partner sind unter anderem der Deutsche Wetterdienst und das Alfred-Wegener-Institut für Polar- und Meeresforschung, das nur einen Steinwurf entfernt sein Domizil hat.

Konzipiert und verwirklicht wurde die Erlebniswelt von der Bremer Firma Petri&Tiemann - die es als kommerzielle Einrichtung auch betreibt. „Die Öffentlichkeit wird täglich mit einer Flut an Informationen zum Klimawandel, Klimaschutz etc. konfrontiert“, erklärt Carlo Petri, einer der Initiatoren. „Häufig beschränken sich die Berichte auf kurze Stichworte, sind oberflächlich oder so kompliziert, dass sie der Laie kaum versteht. Es fehlen die Grundlagen und das Verständnis für die Zusammenhänge. Wir wollen mit leicht verständlichen, spannend präsentierten und wissenschaftlich fundierten Angeboten mehr Orientierung schaffen. Und dabei den Besuchern ein faszinierendes Freizeiterlebnis ermöglichen, das sie nicht so schnell vergessen werden.“

Ein Anspruch, der im Klimahaus Bremerhaven tatsächlich eingelöst wird.

 

Weitere Informationen, Öffnungszeiten und Preise unter
http://www.klimahaus-bremerhaven.de/

tst