Der Klimawandel ist kein leichtes Gesprächsthema und oft losgelöst von unserem Alltag. Über die Gefahren und Folgen zu sprechen, fällt vielen Menschen nicht leicht – schon gar nicht in der Öffentlichkeit. Umso wichtiger sind Orte, an denen Menschen sich frei informieren und austauschen können – und ein Ort, an den in Deutschland pro Jahr mehr als hundert Millionen Besucher pilgern, sind Museen. Jeder und jede hat dort Zutritt, sie vermitteln wissenschaftliches Wissen an Jung und alt und sind eine Art freie Universität für alle.

"Museen werden oft als Akteur der Klimakommunikation übersehen", schreibt der norwegische Museumskurator Morien Rees in einem kürzlich veröffentlichen Band zur Klimakommunikation. Damit sich dies ändert und Museen noch stärker Lernorte der Zukunft werden, hat er das "Museum and Climate Change Network" mitgegründet. Es soll Museen weltweit motivieren, Ausstellungen zum Klimawandel in ihr Programm aufzunehmen und mit Diskussionen und Vorträgen die Ausstellungshallen zu "Orten des Dialoges" zu machen. "Museen sollten ihrem lokalem Publikum einen Raum zum Austausch bieten", glaubt Rees. Er arbeitet am nord-norwegischen Varanger-Museum und ist überzeugt, dass Einrichtungen wie seine eine wichtige Vermittlungsstelle zwischen Politik, Wissenschaft und Besuchern sein können. Weltweit gebe es 55.000 Museen in über 200 Ländern - ein immenses Potential, um "die globale Gemeinschaft zu stützen und die UN-Klimaziele ins Zentrum ihrer Arbeit zu rücken", so Rees gegenüber klimafakten.de.  

 

"Die gesellschaftliche Verantwortung von Naturkundemuseen ist groß, denn sie verpflichten sich der Wahrheit. Damit einher geht die Verantwortung einer fundierten, breiten und überlegten Information – zum Beispiel über den Klimawandel"

 

Besonders gefordert sind dabei die Naturkundemuseen, die auch in Deutschland längst viel mehr sind als Ansammlungen verstaubter Fossilien und Vitrinen. Immer mehr Betreiber mischen sich auch in aktuell-politische Wissenschaftsdiskussionen ein, wie eine Rundreise zeigt: Dabei spielt der Klimawandel als Bedrohung für die Arten und Ökosysteme, die in den Museen ausgestellt sind, eine wachsende Rolle.

Auch aufgrund von Desinformationskampagnen und erstarkter Rechtspopulisten sehen sich die Museen als Horte des Wissens in einer besonderen Verantwortung, wissenschaftliche Fakten wie die menschengemachte Erderwärmung zu vermitteln und für sie zu sensibilisieren. Die Museumswelt reagiert auf diese Entwicklungen – und politisiert sich gegen die Fake-News-Welt. "Die gesellschaftliche Verantwortung von Naturkundemuseen ist groß, denn sie verpflichten sich der Wahrheit – nach bestem Wissen und Gewissen und basierend auf dem aktuellen Forschungsstand", so Silke Stoll vom Deutschen Museumsbund. "Damit einher geht die Verantwortung einer fundierten, breiten und überlegten Information – sowohl über aktuelle gesellschaftsrelevante Themen, wie den Klimawandel oder das Insektensterben, als auch über Inhalte, die nicht aktuell in aller Munde sind."

Auf seiner Rundreise hat klimafakten.de Museumsdirektoren und -Pädagogen in Paris, Bremerhaven, Frankfurt und München gefragt, wie der menschengemachte Klimawandel in die Erzählung über die Erde eingeht – und wie dies die Museumswelt verändert.

 

Paris: "Verlieren wir das Verständnis für verifizierte Fakten, ist unsere Demokratie in Gefahr"

Nicht nur Kunst, sondern auch die Evolutionsforschung gehört seit jeher zum Repertoire der Pariser Museumswelt.  Sie residiert in einem ganz besonderen Ambiente auf der "Rive Gauche", im 5. Arrondissement. Von der Seine aus läuft man rund zehn Minuten durch den Jardin des Plantes – einem im 17. Jahrhundert von Kaiser Louis XIII angelegten königlichen Pflanzengarten –, bis man vor dem Musée national d‘histoire naturelle steht. Zentrum des imposanten Baus aus dem 19. Jahrhundert ist die "Grand Galerie": Eine rund 30 Meter hohe Halle, an deren Rändern sich mehrstöckige holz- und messingverzierte Ebenen befinden. Neben bleichen Gebeinen von Dinosauriern stehen ausgestopfte Elefanten, Tiger und Giraffen dicht nebeneinander – insgesamt 9500 Exemplare sind ausgestellt, vom kleinsten Insekt bis hin zu einem riesigen Walskelett – und in der wissenschaftlichen Sammlung des Museums befinden sich sogar 75 Millionen präparierte Tiere und Pflanzen.

Auf dem Weg durchs Museum vollzieht der Besucher die Stufen der Evolution nach und bestaunt Tierarten zu Land wie zu Wasser – noch lebende wie bedrohte oder bereits ausgestorbene. Zu jeder ausgestellten Spezies gehört auch die Information, in welcher Klimazone sie zu Hause ist und wer ihre natürlichen Feinde sind. Das Glasdach der "Grand Galerie" wechselt während des Rundgangs die Farben, aus den Ecken des Museums dröhnt mal das Donnern eines Gewitters, das Glucksen eines tropischen Regengusses oder das Zwitschern der Vögel eines warmen Sommertages – das Wetter ist Teil der Ausstellung.

In der vierten und obersten Galerie der Halle fragt eine Schautafel nach der "Versöhnung von Mensch und Natur?". Es folgen Texte und Bilder über Monokulturen und Artensterben: "Verschmutzung von Luft, Wasser, Erde; Straßen und Zersiedlung; Einwanderung fremder Arten – das alles gefährdet unsere Biodiversität". Nach einen Plädoyer für mehr Naturschutz stehen die Besucher vor einigen Bildschirmen mit Klimadiagrammen. Eine Gruppe von Grundschülern tippt aufgeregt mit den Händen auf eine leuchtende Weltkarte. Die Lehrerin erklärt: "Das ist unser Planet wie er heute ist. Und hier seht ihr, was sich verändert, wenn die Welt immer wärmer wird."

Apokalyptische Blicke auf die Hotspots der Erderhitzung

Die Weltkarte zeigt Hotspots der globalen Erwärmung, welche Regionen unfruchtbar werden, versanden und im Jahr 2100 gar unbewohnbar sein werden, wenn der Klimawandel nicht gebremst wird. Mit einem beweglichen Viereck kann man die Weltkarte abfahren und sehen, was auf einer um drei bis acht Grad wärmeren Erde von Regenwäldern, Grünflächen oder dem Eisschild noch übrig wäre – ein apokalyptischer Blick in die Zukunft.

"Die Sensibilisierung der Gesellschaft für die Natur und ihre Verwundbarkeit ist für uns mittlerweile alltäglich geworden", sagt Museumsdirektor Bruno David. "Wir versuchen nicht nur ein Museum zu sein, sondern wollen ein breites Publikum erreichen und uns einmischen." Seit ein paar Jahren schon sei der Klimawandel Teil der Dauerausstellung des Museums. Die Aktualisierung von Fakten und neuen Ereignissen, ist für David Bruno selbstverständlich. Das Museum sei mehr als ein Blick in die Vergangenheit – es verstehe sich als Aufklärer über das Verhältnis zwischen Mensch, Gesellschaft und dem Rest des Planeten.

In den Nebengebäuden des Pariser Naturkundemuseums und dem angrenzenden Musée de l´Homme (zu deutsch: Museum des Menschen) begutachten Forscher nicht nur jahrtausendealte Knochen und Fossilien. Hier werden auch Ausstellungen geplant und Symposien abgehalten – das Museum arbeitet Hand in Hand mit dem französischen Forschungsverbund CNRS. Die "Grand Galerie", der zentrale Saal des Naturkundemuseums, ist nur eine Art Schaufenster in die Welt – die wirkliche Arbeit findet dahinter statt.

Mit einem "Museumsmanifest" gegen den Aufstieg von Desinformation

Wie sehr die Wissenschaftler um das Natur- und Menschheitserbe bangen, zeigt das vom Museum 2017 veröffentlichte "Manifeste du Muséum" (Museumsmanifest) – ein aufwändig designter Band mit dem Titel "Quel futur sans Nature?" (Welche Zukunft ohne Natur?). Das von Direktor David Bruno initiierte „Komitee der Naturwissenschaften“ leitet den Band mit der Wahl von Donald Trump zum US-Präsidenten 2016 ein – für die Forscher eine ernste Gefahr für die Wissenschaft: "Wir leben in einer Ära der ‚Post-Wahrheit‘", so die Autoren. "Die Schwächung des wissenschaftlichen Diskurses in der öffentlichen Meinung geht mit dem Aufkommen eines allgemeinen Skeptizismus einher." Die Naturwissenschaft – für die Forscher die "Disziplin der Beobachtung, des Respekts vor den Fakten und der Ablehnung jedes Dogmatismus‘" – verwurzle den Menschen mit seiner Umwelt und trage dazu bei, dass der Mensch mit und nicht gegen die Natur denke.

"Unter dem Vorzeichen von Demokratie und Gleichheit denken viele, dass die Meinungsfreiheit sich auch auf Kompetenz und wissenschaftliche Fakten bezieht: Das ist aber falsch!", erklärt der Initiator des Manifests Bruno David. "Wir müssen wieder zwischen Meinung und Glauben einerseits sowie wissenschaftlichen Fakten andererseits unterscheiden." In Naturkundemuseen würden reale Objekte ausgestellt, und Besucher könnten Naturgesetze an konkreten Beispielen erleben – das würde indirekt das Verhältnis zu den sogenannten alternativen Fakten zumindest stören.

In dem Museumsmanifest fordern David und seine Kollegen in "Zeiten eines beschleunigten Klimawandels und einem rasanten Verlust von Biodiversität" eine geistige "Re-Integration" des Menschen in die Natur – nur so könne das Denken von der menschlichen Überlegenheit eingedämmt und der Respekt vor der Natur wiederhergestellt werden. Die Forscher wollen deshalb Schulbildung und Forschung enger verknüpfen, aber auch die Unabhängigkeit der Forscher besser schützen. Und mit ihrem Manifest wollen sie die mediale Aufmerksamkeit auf das Thema lenken. Auch Festivals und Events über bedrohte und ausgestorbene Arten würden dazu beitragen, ein großes Publikum anzulocken: "Wir wollen vor allem auch Menschen erreichen, die sonst keinen Kontakt zur Wissenschaft pflegen", so Bruno David. Der Umgang mit der Wissenschaft ist für den 64-jährigen Paläontologen auch eine politische Frage: "Wenn wir das Verständnis für verifizierte Fakten verlieren, ist auch unsere Demokratie in Gefahr."

 

Bremerhaven: "Wenn es aktuelle Ereignisse gibt, beziehen wir auch Position"

Das Klimahaus Bremerhaven versteht sich nicht als Museum, sondern als Wissens- und Erlebniswelt. Tatsächlich können die Besucherinnen und Besucher hier die unterschiedlichen Klimazonen entlang des 8. Längengrades fühlen, sehen und sogar riechen. In begehbaren Wüsten-, Eis- und Unterwasserräumen zeigt das Haus, wie die klimatischen Bedingungen die Kultur des Menschen beeinflussen. "In den Erlebnisräumen zeigen wir keine Diagramme oder Grafiken – hier geht es um die Botschaft: Wir haben eine wundervolle Erde, und wir müssen sie erhalten – mit diesem Gefühl sollen unsere Besucher die Ausstellung verlassen", erklärt Jens Tanneberg, Leiter Wissenschaft und Bildung, des Klimahauses. "Ich denke, dass wir hier so eine kleine Arche Noah geschaffen haben."

Der Klimawandel taucht als Topos der großen Ausstellung nur sporadisch auf, etwa in der Unterwasserwelt, wenn der bereits verstorbene Klimaaktivist und Politiker Foua Toloa von den Tokelau-Inseln im Südpazifik die Geschichte der absterbenden Korallenriffe erzählt. Toloa berichtet davon, wie es sich anfühlt, wenn die eigene Heimat langsam stirbt – ein starker Kontrast inmitten der bunten Unterwasserwelt des Museums. 

Im Klimahaus Bremerhaven können Besucherinnen und Besucher verschiedene Klimazonen durchstreifen - hier Kinder in der "Antarktis"; Foto: Müller/Klimahaus Bremerhaven

Der Einfluss des Menschen aufs Klima wird auch durch die Geschichten von Einwohnern des Kongo erzählt, die von ihrer Vertreibung durch die Pflanzung von neuen Palmölplantagen berichten. Jens Tanneberg meint: "Jede Klimazone hat auch eine bestimmte Kultur." Die Besucher könnten die Bedingungen "erspüren", unter denen die verschiedenen Lebensweisen existieren. Gleichzeitig zeigt die Ausstellung, dass viele Kulturen massiv bedroht sind. "Vielfalt ist etwas Schützenswertes, in Natur und Kultur gleichermaßen. Wenn Menschen aus ihrer Heimat vertrieben werden, dann gehen Sprachen und Kulturen verloren."

Auf der CO2-Rutsche den Anstieg der weltweiten Temperaturen erleben

Zusammen mit dem Alfred-Wegener-Institut für Polar- und Meeresforschung (AWI) hat das Klimahaus zudem eine beeindruckende Ausstellung über die Arbeit von Klimawissenschaftlern zu bieten: Hier wird erklärt, wie man aus Eis und Baumringen die klimatischen Verhältnisse der Vergangenheit bestimmt und wie Alfred Wegener zu seiner letzten Reise ins ewige Eis aufbrach. Aber der Besucher kann ebenso ins "Kohlezeitalter reisen", auf der CO2-Rutsche den Anstieg der weltweiten Temperaturen erleben oder mehr über die Folgen der sogenannten Kippelemente im Klimasystem für die einzelnen Erdteile erfahren.

Im zehnten Jahr ihres Bestehens scheuen sich die Ausstellungsmacher von der Nordseeküstenicht vor explizit politischen Statements. "Wenn es aktuelle Ereignisse gibt, wie beispielsweise den Kampf um den Hambacher Forst, dann beziehen wir auch Position", so Tanneberg. "Wir sagen deutlich: Wir müssen raus aus der Kohle. Außerdem geht es in der Klimapolitik viel zu langsam voran." Die Besucher sollten das Klimahaus jedenfalls mit dem Gefühl verlassen, dass ihr Planet zu schön sei, um durch die Gier nach billigen Rohstoffen zerstört zu werden – vor allem, wenn es Alternativen gibt. "Wir wollen zeigen: Ändert sich das Klima, verändern sich auch die Lebenswelten, und das betrifft uns alle", so Tanneberg.

 

München: "Die Ambivalenz von Technik als Lösungsquelle zeigen"

Die Ausstellung "Willkommen im Anthropozän" des Deutschen Museum München gilt mittlerweile als echter Klassiker. 2014 konzipiert ist sie bis heute ein Meilenstein der Klimawandel-Aufklärung in Museen. Damals wagte sich das Münchner Haus an das komplexe Thema vom Einfluss des Menschen auf Erdgeschichte und Ökosystem. Helmuth Trischler, Technikhistoriker und Museumsleiter Forschung, erinnert sich noch genau, wie der Soziologe Ulrich Beck und Anthropozän-Forscher Reinhold Leinfelder den Vorschlag zu der Schau unterbreiteten: "Ich war sofort begeistert. Aber es war auch klar: Diese Ausstellung wird eine Herausforderung." Das ambitionierte Ziel der Ideengeber: Mit einer Ausstellung die globale Bedeutung des menschlichen Einfluss auf den Planeten für die Zuschauer "sichtbar" machen. "Es ging uns dabei auch um die Rolle von naturwissenschaftlichem Wissen", so Trischler. "Wir wollten auch die Ambivalenz von Technik als Lösungsquelle zeigen."

"Willkommen im Anthropozän" von 2014 gilt längst als Klassiker unter den Ausstellungen zum Themenbereich Umwelt und Klima; Foto: Deutsches Museum

Als geradezu revolutionär galt die damalige Herangehensweise der Ausstellungsmacher: Es ging ihnen nicht nur ums Erklären, sondern vor allem um Lösungen – und darum, dass der Ausgang der Geschichte offen ist: "Wir wollten keine Doom-and-Gloom-Geschichte einer untergehenden Welt erzählen und keine Zeigefinger erheben", so Trischler. Im Gegenteil: Zusammen mit dem Publikum sollten vor allem mögliche Lösungen für Umweltprobleme gedacht und Wissen vermittelt werden – in der Ausstellung selbst und in zahlreichen Workshops und Events. "Es ging uns um das Konzept von ‚Slow-Hope‘ – also diesem Pflänzchen Hoffnung einen Platz einzuräumen", sagt Trischler.

Dafür engagierte das Museum nicht nur Forscher, sondern auch Künstler – und in zahlreichen Mitmach-Ausstellungstücken wurde auch das Publikum mit einbezogen. Die rund 10.000 eingesammelten Publikumsantworten auf die Frage zur Zukunft der Menschheit habe das Museum Sozialwissenschaftlern zur Verfügung gestellt. Außerdem entstand aus der Ausstellung ein Comic- und Gedichtband. Sowohl die Herangehensweise als auch der Topos "Anthropozän" waren 2014 fast revolutionär. Doch die Schau wurde ein großer Erfolg, und Trischler und seine Kollegen legten mit einer ähnlichen Ausstellung gleich nach: "EnergieWenden" hieß sie. "Die wurde dann sogar noch partizipativer", so Trischler. 

Teile der Anthropozän-Ausstellung sind nach deren Ende in die Dauerausstellung des Münchener Museum eingeflossen. Gerade arbeitet das Museum an deren Überarbeitung: Multimedial soll die neue Dauerausstellung werden – und der Klimawandel soll einen noch größerer Schwerpunkt werden.

 

Frankfurt/Main: "Nicht das Gefühl vermitteln, dass es schon zu spät ist fürs Klima"

Das Senckenberg-Museum in Frankfurt ist – ebenso wie die Häuser in Paris, Berlin und München – Forschungsinstitut und Naturkundemuseum in einem. Wie in München erneuert die Museumsleitung derzeit die Dauerausstellung – und das mit einem ganz besonderen Konzept: multimedialer, partizipativer, moderner – und ganzheitlich. Derzeit diskutieren die Kuratoren zum Komplex "Mensch – Erde – Kosmos – Zukunft", erzählt Museumspädagogin Eva Roßmanith. Sie begleitet die Planung für die neue Dauerausstellung, ein Mammutprojekt, das Jahre dauert. "Eine Dauerausstellung wird für die nächsten 30 bis 40 Jahre konzipiert: Da muss man Geschichte und zeitgenössische Entwicklungen geschickt unter einen Hut bringen."

Argusfasan im Senckenberg Naturmuseum in Frankfurt/Main, welches Forschungsinstitut und Ausstellungshaus in einem ist; Foto: Senckenberg-Gesellschaft

Im Gegensatz zur alten Ausstellung, spielt dieses Mal auch der Klimawandel eine Rolle: Neben Erdgeschichte und Evolution soll es einen extra Bereich für "Lebensräume" geben. Dort soll es unter dem Titel "Mensch im System" auch um die Frage gehen, welchen Einfluss der Mensch auf die Ökosysteme hat. "Aber wir müssen aufpassen, dass wir den Besuchern nicht das Gefühl vermitteln, dass es schon zu spät ist für Klima- und Umweltschutz", glaubt Museumspädagogin Roßmanith. Das erzeuge Frustration und lähme die Lust, zu handeln.  

"Es ist besser, erst zu zeigen, wie faszinierend unser Planet ist und dann auf den menschlichen Einfluss zu verweisen, der diese Schönheit gefährdet." Letztlich dürften die Besucher aber auch mit diesem Wissen nicht „alleingelassen“ werden. "Wir müssen in Ausstellungen vom Wissen zum Handeln kommen", so die Pädagogin. Offen seien noch Fragen, wie die neue Ausstellung am besten aktuell gehalten werden kann – denn gerade in der Klimaforschung  gebe es ständig neue Erkenntnisse.

 

Berlin: "Unsere Dinosaurier erzählen eine Geschichte. Sie waren verwundbar - genau wie wir"

Der T-Rex "Tristan Otto" ist der Star des Berliner Naturkundemuseums. Es ist eines der besterhaltenen Dinosaurier-Skelette der Welt und hat in den vergangenen zwei Jahren bereits Millionen Besucher angelockt. Zuletzt diente er als Hintergrundkulisse für eine Pressekonferenz der #FridaysForFuture-Bewegung. Dass sich gerade viele junge Leute für die Fossilien aus der Urzeit begeistern, ist für Johannes Vogel, seit 2012 Direktor des Naturkundemuseums in Berlin, ein Geschenk: "Wir erreichen mit Leichtigkeit eine Zielgruppe, um die andere schwer kämpfen müssen", so Vogel. "Und unsere Dinosaurier erzählen eine Geschichte: Diese Giganten, diese größten Proteinmassen, die je auf der Welt gelebt haben, sind durch Klimaveränderungen ausgestorben – sie waren verwundbar. Genau wie wir." Vogel hält aber nichts von Zeigefinger-Bildung – auch nicht beim Klimaschutz.

Das Thema der aktuellen Sonderausstellung "Artefakte" hat der Museumsdirektor deshalb mit Bedacht gewählt: Sie erzählt anhand der ästhetischen Fotografien des Künstlers Henry Fair von Umweltzerstörung, Verwüstung und irreversiblen Eingriffen des Menschen in die Natur. Das Konzept: mit dem Mittel der Schönheit die Zerstörung erzählen – und so die Besucher sensibilisieren. Aus der Vogelperspektive eines Helikopters fotografierte Henry Fair Ölraffinerien, Erzminen oder die Teersandproduktion im kanadischen Fort Murray. "Diese Farben und Verläufe sind wunderschön, oder?", fragt der Fotograf Henry Fair, "aber es ist die Zerstörung der Natur." Dem Museumsteam habe die Artefakte-Ausstellung besonders gefallen, weil sie eine klare Aussage hat, erklärt Direktor Vogel. "Die Botschaft ist: Geh‘ wählen, übernimm‘ Verantwortung, tu‘ etwas!"

Johannes Vogel, Chef des Berliner Naturkundemuseums, unterstützt aktiv die Schülerinnen und Schüler von #FridaysForFuture - auch vor den Toren seines Museums; Foto: Götz/Museum für Naturkunde

Für diese sehr politische Haltung bekam der 55-Jährige Botaniker bereits viel Anerkennung – und die Besucherzahlen des Museums bestätigen die Linie seines Hauses. Vogel will raus aus der passiven, verstaubten Aufklärungsarbeit. Bürger, Forscher und Künstler müssten zusammen an dem Projekt Zukunft arbeiten. Das schaffe man aber nur, wenn man mit den Besuchern rede und nicht über ihre Köpfe hinweg. "Wissenschaft ist zuhören", so Vogel, "Kommunikation ist Dialog, und Museen sind der richtige Platz dafür."

Ausstellungshöhepunkte wie der T-Rex Tristan seien quasi das "Lockangebot" für die Menschen, um sie für einen Dialog zu gewinnen. Das versucht das Berliner Museum über eine lange Liste von Veranstaltungen, die in den Räumen des Museums stattfinden. Es ist laut Vogel die ideale Schnittstelle zwischen Wissenschaft und Gesellschaft – denn diese beiden Sphären kämen sonst viel zu selten in Kontakt. Das Museum als Institution sei zwar immer noch ein "Wunder der Aufklärung" – doch auch ein Ort des Dialogs. "Wir müssen aufstehen gegen die Fake-News-Gesellschaft", sagt Vogel und klingt damit fast exakt wie sein Pariser Kollege Bruno David.

Freier Eintritt für die Schülerinnen und Schüler von #FridaysForFuture

Doch nicht nur mit seinen Besuchern will der Direktor des Berliner Naturkundemuseums ins Gespräch kommen. Zu dem von ihm initiierten "Global summit of research museums" kamen im November vergangenen Jahres Ausstellungskuratoren und Museumsmitarbeiter aus der ganzen Welt. Das Ziel: Der Aufbau eines globalen Wissens- und Sammlungsnetzwerk von Forschungsmuseen, um eine "nachhaltige Entwicklung der Menschheit und unseres Planeten zu unterstützen", wie es in der Abschlusserklärung heißt. "Der Gipfel war ein Weckruf dafür, dass Museen endlich zu Akteuren in der Gesellschaft werden", so Vogel.

Was das konkret bedeutet, konnte man zum Beispiel am letzten Freitag im März besichtigen. Als da im Rahmen der #FridaysForFuture-Proteste rund 20.000 Kinder und Jugendliche vor dem Brandenburger Tor mehr Klimaschutz forderten – mittendrin die schwedische Aktivistin Greta Thunberg –, trat ganz am Ende der Kundgebung Johannes Vogel auf die Bühne. Er lud alle Schülerinnen und Schüler ein, mit herüberzukommen in sein Museum. Er hatte Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler zusammengetrommelt, die dort bereitstanden, um den jungen Leuten alle Fragen rund um Klimawandel und Artenschwund, um Energie- und Agrarwende zu beantworten. Das Sahnehäubchen: Bei Vorlage eines Schülerausweises gab es an diesem Tag freien Eintritt.

Susanne Götze