Viele US-Amerikaner befürworten es, dass erneuerbare Energien stärker genutzt werden. Die Gründe dafür können vielfältig sein, etwa die Vermeidung von Umweltschäden, wirtschaftliche Vorteile wie Kosteneinsparungen oder auch die Schaffung von Arbeitsplätzen - doch in unterschiedlichen politischen Lagern werden jeweils andere Argumente bevorzugt. Das arbeitet eine Studie heraus, die in der aktuellen Ausgabe der Zeitschrift Energy Policy erschienen ist. Während Demokraten erneuerbare Energien sehr stark mit Blick auf den Klimaschutz unterstützen, sind Republikaner vor allem wirtschaftliche Gründe wichtig, schreibt das Team, das aus US-amerikanischen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern des Yale Program on Climate Change Communication sowie des Center for Climate Change Communication an der George Mason University bestand.
Die Ergebnisse basieren auf einer landesweit repräsentativen Umfrage unter 822 registrierten US-Wählerinnen und Wählern. Sie sollten aus 16 möglichen Beweggründen für den Einsatz erneuerbarer Energien den ihnen am wichtigsten scheinenden Grund auswählen. Insgesamt war das Zustimmungsniveau für die Energiewende merklich höher als unter Republikanern - aber auch bei letzteren gab es eine ganze Reihe von Gründen, die mehr als die Hälfte der Befragten als "sehr wichtig" oder sogar "extrem wichtig" bezeichneten.
"Weniger Treibhausgas-Emissionen" oder "Weniger Energieverbrauch"?
Für Anhänger der Demokraten war einer der wichtigsten Gründe das "Reduzieren der Erderwärmung" - der jedoch unter Republikanern einer der am wenigsten wichtigen Gründe war. Hingegen gehörte bei ihnen zum Beispiel die "Senkung der Energiekosten" zu den meistgenannten Gründen (unter Demokraten rangierte er nur im Mittelfeld); ähnlich wichtig waren für die befragten Konservativen die Gründe, "Energie aus Quellen zu beziehen, die nie versiegen" sowie "Amerikas Energieunabhängigkeit zu erhöhen". Für beide politische Gruppen wichtige Gründe (jedoch mit deutlichen Unteschieden beim absoluten Zustimmungsniveau) waren, dass Erneuerbare Energien die Luft- und Wasserverschmutzung reduzieren sowie "ein besseres Leben für unsere Kinder und Enkel ermöglichen".
Die Forscher betonen, dass aus diesen Befunden nicht der Schluss gezogen werden sollte, Republikaner würden sich bei der Betrachtung erneuerbarer Energien nur für die Wirtschaft interessieren oder Demokraten nur für die Erderhitzung. Vielmehr seien die Ergebnisse so zu deuten, dass wirtschaftliche Erwägungen unter Republikanern eine relativ größere Rolle spielen als bei Demokraten, während die Sorge um die globale Erwärmung bei den Demokraten eine relativ größere Rolle spielt als bei den Republikanern.
US-Kommunikationswissenschaftler untersuchten 16 Gründe für Erneuerbare Energien und wie wichtig sie jeweils für Anhängerinnen und Anhänger der Demokraten und der Republikaner sind. Die abgefragten Gründen sind in dieser Grafik danach geordnet, bei welchen die Differenzen zwischen den Gruppen am größten sind. Lesbeispiel erste Zeile: "Reduzieren der Erderwärmung" ist für 40 Prozent der Konservativen sehr oder extrem wichtig, jedoch für 86 Prozent der Linksliberalen - hier ist die Kluft zwischen beiden Gruppen mit 46 Prozentpunkten am allergrößten; Grafik: Gustafson et al. 2020
Spannend ist auch ein Blick darauf, bei welchen Gründen für die Energiewende die Meinungen wie weit auseinanderliegen (siehe Grafik). An der Spitze dieses Ranking liegt die Sorge um die Erderwärmung, hier liegen beide Gruppen bei der Einschätzung der Wichtigkeit des Themas um 46 Prozentpunkte auseinander. Deutlich geringer ist die Kluft bei der Sorge um Luft- und Wasserreinhaltung (33 bzw. 29 Prozentpunkte). Fast gleich bedeutsam ist für Republikaner (48 Prozent) wie für Demokraten (51 Prozent), dass Erneuerbare Energien "Gottes Schöpfung bewahren".
Diese Ergebnisse seien insbesondere für Kommunikatoren, politische Entscheidungsträger und Aktivisten wichtig, betonen die Wissenschaftler. Denn indem verschiedene Vorteile der Energiewende entsprechend den Überzeugungen bestimmter Zielgruppen betont werden, könne die öffentliche Unterstützung für die Förderung Erneuerbarer Energien erhöht und gleichzeitig die Verbrauchernachfrage gesteigert werden.
Interessenslagen besser verstehen
Ähnlich detaillierte Studien seien ihm für Deutschland nicht bekannt, sagt Ingo Wolf, Psychologe und Autor des Nachhaltigkeitsbarometers des Instituts für Transformative Nachhaltigkeitsforschung (IASS) in Potsdam. Er betont, dass die politische Polarisierung im Themenfeld Klimawandel und Energiewende in den USA deutlich stärker ausgeprägt sei als in Europa – gleichwohl zeigten sich auch hierzulande in Studien politisch-ideologische Einflüsse bei den unterschiedlichen Positionen im Energie- und Mobilitätsbereich. Wolf: "Wir finden auch im Nachhaltigkeitsbarometer, dass die politisch-ideologische Prädispositionen einen sehr starken Effekt auf die Bewertung umweltpolitischer Zielsetzungen oder Maßnahmen haben - noch sehr viel stärker als soziodemographische Merkmale wie Einkommen, Geschlecht oder Alter."
Beispielsweise gibt es beim Atomausstieg zwar auch Unterschiede zwischen Männern (50 Prozent Zustimmung) und Frauen (65 Prozent Zustimmung), doch die prägnantesten Unterschiede zeigen sich zwischen Unterstützern verschiedener Parteien: So finden sich in der Anhängerschaft der Bündnisgrünen die meisten Befürworterinnen und Befürworter (81 Prozent), gefolgt von jener der SPD (69 Prozent) und der Linken (63 Prozent). Hingegen sind die CDU/CSU- (46 Prozent), FDP- (37 Prozent) und AfD-Anhänger (19 Prozent) in deutlich geringerem Umfang für das Abschalten aller Atomkraftwerke.
In Deutschland hatte das kürzlich vorgelegte dritte Soziale Nachhaltigkeitsbarometer der Energiewende des IASS gezeigt, dass eine starke Mehrheit der Bevölkerung in Deutschland die zentralen politischen Ziele der Energiewende unterstützt. Gleichzeitig nahm jedoch die Kritik an der Umsetzung im Vergleich zum zweiten Barometer 2018 zu. So bezeichnen inzwischen deutlich mehr Menschen als vor zwei Jahren die Energiewende als teuer (78 Prozent, + 3 Prozent), chaotisch (66 Prozent, + 6 Prozent), ungerecht (56 Prozent, + 5 Prozent) sowie elitär (51 Prozent, + 4 Prozent).
Deutschland: AfD-Anhänger fordern mehr Mitsprache bei der Energiewende
"Dass die Diskrepanz zwischen der allgemeinen Zustimmung zu den Zielen der Energiewende einerseits und der Bewertung der Umsetzung andererseits so deutlich ist und über die Jahre sogar noch zunimmt, ist höchst überraschend", kommentiert IASS-Direktor Ortwin Renn. Vergleichbares sei bei Befragungen sehr selten zu erleben. "Wir können uns dies nur so erklären, dass die Menschen zu den politischen Akteuren zunehmend geringeres Vertrauen haben", so Renn. Auffällig sei, dass nur jeder Fünfte die Möglichkeit erkenne, bei der Energiewende Einfluss zu nehmen und mitzureden.
Die IASS-Autoren ziehen aus ihrer Studie den Schluss, die Politik solle bei der Energiewende mehr Partizipation ermöglichen. So könne das notwenige Vertrauen in eine faire und an den Bedürfnissen der Bevölkerung ausgerichtete Energiewende wieder gestärkt und das gesamte politische Spektrum angesprochen werden, glaubt Wolf: "Wir haben beispielsweise in der letztjährigen Umfrage zeigen können, dass im Bereich Windkraft-Ausbau das Bedürfnis nach Partizipation unter Anhängern der AfD am größten ist."
Wolf: "Es ist wichtig, dass wir uns im Zuge dieser Beteiligungsprozesse nicht nur auf bestimmte Positionen der Teilnehmerinnen und Teilnehmer fokussieren, sondern auch die zugrundeliegenden Interessenslagen besser verstehen und in der Entwicklung von Lösungen berücksichtigen." Dies könne möglicherweise Räume schaffen für offene und sachbezogene Diskussionen – und potenziell festgefahrene Kommunikationsmuster aufbrechen.
Christiane Schulzki-Haddouti