Grundhof, eine kleine Gemeinde in Schleswig-Holstein nahe der dänischen Grenze. Im Bürgerhaus versammeln sich an einem Dienstagabend im September rund 25 Personen zu einer neuartigen Veranstaltung: einer öffentlichen Energieberatungsparty. Zu der Veranstaltung eingeladen hat die Gemeindevertreterin Maja Petersen gemeinsam mit der Verbraucherzentrale Schleswig-Holstein (VZSH) und dem Klimaschutzmanagement der Region Flensburg.
Das Bürgerhaus befindet sich am Rande der 800-Einwohner-Gemeinde, Wand an Wand mit der Freiwilligen Feuerwehr des Ortes. Ein Raum im Erdgeschoss, große Fenster, Neonlicht, Küchenzeile. Normalerweise finden hier Tanzkurse, Yogastunden oder Gemeinderatssitzungen statt. Heute sind die Tische zu drei Gruppen zusammengestellt, kalte Getränke stehen bereit. An einer Seite des Raumes ist ein üppiges Buffet mit selbstgemachtem Kuchen, belegten Broten, Blätterteiggebäck, Obst und Gemüsesticks gedeckt. Mit einem "Moin" und zweimaligem Klopfen auf die Tischplatte begrüßen Neuankömmlinge die bereits Anwesenden. Die meisten kommen aus dem Ort, ein paar aus umliegenden Gemeinden wie Munkbrarup oder Langballig, einige auch aus Flensburg und Dithmarschen: überwiegend Ehepaare mittleren bis höheren Alters, aber auch zwei Jugendliche. Und auch Bürgermeister Bernd Wunder ist unter den Anwesenden.
Themenpartys - man kennt das Konzept von Plastikdosen und Kosmetik ...
Normalerweise finden diese Energiesparpartys der VZSH in Privathaushalten statt. Die Idee ist es, Privatpersonen rund um das Thema Energiesparen im privaten Umfeld zu informieren und sensibilisieren. Statt trockener Beratungsgespräche soll in vertrauter Atmosphäre ein lockerer Einstieg in das Thema geboten und gleichzeitig konkrete Handlungsoptionen aufgezeigt werden. Man kennt das Konzept von Plastikdosen und Kosmetika – jetzt also Energiesparen. Hauptsache man kommt mit den Nachbarn ins Gespräch.
Gemeindevertreterin Maja Petersen eröffnet diese allererste öffentliche Energieberatungsparty. "Warum sind wir heute hier?", fragt sie und gibt selbst die Antwort: Weil der Klimaschutz in der Region aktiv vorangetrieben werden solle. Schon in der Vergangenheit hat sich die Gemeinde für Klimaschutz eingesetzt, im Bereich Mobilität zum Beispiel für sogenannte "Mitfahrbänke": Auf solche extra gekennzeichneten Bänke am Straßenrand können sich Menschen setzen, die gern von Privatfahrzeugen mitgenommen werden möchten – eine Ergänzung zum spärlichen kommunalen Busverkehr. Mit aufklappbaren Richtungsschildern neben der Bank kann das Ziel gut sichtbar für vorbeifahrende PKW-Fahrer ausgewiesen werden.
Zur Energiesparparty gehört ein Rundgang durchs Haus, und es finden sich schnell Verbesserungsmöglichkeiten: Der Gefrierschrank (rechts) sollte nicht gerade in dem Raum stehen, den der Heizkessel (vorn links) mit seiner Abwärme aufheizt; Foto: Janne Görlach
Als nächstes spricht Peter Sönnichsen. Der studierte Bauingenieur arbeitet seit mehr als zehn Jahren als Energieberater für die Verbraucherzentrale. Er beginnt die Veranstaltung mit einem "Gebäudecheck", – heute hat er sich das Bürgerhaus vorgenommen. Bereits im Vorfeld sah er die Strom- und Heizkostenabrechnungen durch, erfasste außerdem ein paar Eckdaten zum Gebäude und seiner Bauweise. Wer einen Gebäudecheck wie diesen von der Verbraucherzentrale für seinen privaten Haushalt wünscht, zahlt etwa 20 Euro. Nach einem standardisierten Fragekatalog geht der Fachmann also die Energiewerte des Gebäudes durch. "5200 Kilowattstunden pro Jahr, das entspricht ungefähr der Größenordnung eines mittelmäßig ausgestatteten Wohnhauses bei vier bis fünf Bewohnern", fasst Sönnichsen die Energiebilanz des Bürgerhauses zusammen. Die Baubestimmungen aus dem Baujahr des Gebäudes im Jahr 2000, etwa bezogen auf die Wärmeschutzverordnung, bewertet er als eingehalten.
Nach dem Basischeck geht er die stromintensiven Quellen des Hauses durch: Warmwasseraufbereitung, Haushaltsgeräte, Beleuchtung. Das Publikum fragt neugierig nach. Es geht ins Detail, bis dahin, ob man nicht einzelne Teile der A+++ Waschmaschine umbauen könne, um noch einige Watt einzusparen. Es werden die Vor- und Nachteile verschiedener Warmwasseraufbereitungssysteme abgewogen: Welche Option wäre vor Ort am sinnvollsten? Ist ein Durchlauferhitzer bei den Bürgerhausansprüchen effizienter als ein Boiler? Dann nehmen sich die Partygäste den Energiebedarf im Bürgerhaus vor: "Der Boiler ist so eingestellt, dass man sich die Finger verbrennt. Das ist Verschwendung." Ein anderer bekräftigt den Einwurf: "Eigentlich brauchen wir gar kein Warmwasser. Bei Bedarf tut es doch auch der Wasserkocher."
Schnell wird mitdiskutiert, nachgefragt, gefachsimpelt
Eine Stunde lang weist Energieberater Sönnichsen auf häufige Fehlerquellen ("Schon die richtige Anordnung der Haushaltsgeräte kann einen Unterschied machen. Steht der Kühlschrank neben der Heizung?"), spricht über die richtigen Schwerpunkte beim Energiesparen ("Wenn ich nur einmal im Jahr Pizza backe, brauche ich keinen neuen Ofen!") und geht geduldig auf Zwischenfragen ein ("Wird für die Herstellung neuer Geräte nicht mehr Energie benötigt, als wenn ich meine alten Geräte behalte?"). Dann geht die ganze Gruppe durchs Haus: Im kleinen Heizungsraum im ersten Stock lobt Sönnichsen die Heizungsanlage mit ihren regelbaren Pumpen sowie zeitlich, je nach Nutzung des Hauses eingestellter Wärmemenge. Wie gerufen kommt dagegen das Negativbeispiel: Ausgerechnet in diesem Raum, der durch Abwärme der Anlage aufgeheizt ist, steht eine Gefriertruhe. "Die hat hier nichts zu suchen!" Im nächsten Raum werden Fenster, Innenwände und Raumdecken begutachtet; auch hier wird lebendig mitdiskutiert, nachgefragt, gefachsimpelt, mit der eigenen Wohnung verglichen.
Zurück im Erdgeschoss wartet das Buffet – und es geht in die Schlussphase der Energieberatungsparty . Bei Weißwein, Zwiebelkuchen, Pils und Schnittchen werden Fragen ausgetauscht, zum Beispiel über die Effizienz von Sonnenkollektoren. "Als unsere zwei Töchter noch zuhause wohnten, kam es schon mal zu Engpässen beim Warmwasser", berichtet ein Ehepaar . "Deswegen plädiere ich für einen Münzautomaten in der Dusche", ruft jemand scherzhaft dazwischen.
Auch verschiedene Dämmtechniken werden analysiert. Wie gut eignet sich eigentlich Efeu als Wärmedämmung? Berücksichtigt die Verbraucherzentrale bei ihrer Beratung auch Umweltaspekte von Dämmsystemen? Und wie steht der Fachmann zum Einsatz von Fungiziden an gedämmten Häuserfassaden? Viele der Anwesenden scheinen sich nicht das erste Mal mit solchen Fragen auseinanderzusetzen. Interessanterweise bringt vor allem das Publikum Umweltaspekte zur Sprache. Immer wieder veranschaulicht Energieberater Sönnichsen die Wirksamkeit konkreter Sparmaßnahmen: "Jedes Grad, um das die Raumtemperatur runtergedreht wird, bedeutet Einsparungen von sechs Prozent Heizkosten."
Andere Bundesländer wollen das Format übernehmen
Am Ende des Abends ist Sönnichsen heiser, aber zufrieden. Auch nach dem offiziellen Abschluss unterhalten sich die Anwesenden weiter. Ob man so eine Energiesparparty auch mal bei sich zuhause veranstalten würde? "Dann kommt der Nachbar nach vier Wochen zu mir und meckert, dass die Fenster immer noch nicht umgebaut sind", frotzelt ein Teilnehmer.
Auch wegen solcher Einwände hatte die Verbraucherzentrale die Energieberatungsparty in Grundhof erstmals in ein öffentliches Gebäude verlegt. Bei zehn Veranstaltungen im Laufe des Jahres haben 100 Leute teilgenommen. Wie erfolgreich dieses Format ist, lässt sich nicht mit Sicherheit sagen. Angesichts der Evaluationsergebnisse von bundesweiten Beratungsangeboten der Verbraucherzentralen geht Sascha Beetz, Regionalmanager für Energie der VZSH, jedoch vom Erfolg der Beratungsangebote aus. Mindestens 458.000 Tonnen CO2 sind, laut diesem Bericht der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft PricewaterhouseCoopers, durch die Energiesparberatungen der Verbraucherzentralen allein in einem Jahr eingespart worden. Vor allem das mit den Partys gefällt Kollegen aus anderen Bundesländern, Niedersachsen will nachziehen.
Janne Görlach