ZDF-Wettermoderator Özden Terli brachte es gleich am Anfang des Workshops auf den Punkt: "Die Grünen können die Klimakrise nicht allein lösen." Zwar ist ihr Klimaprogramm das ehrgeizigste unter den im Bundestag vertretenen Parteien – allerdings brauchen Veränderungen einen gesellschaftlichen Konsens. Und eine Regierung mit Visionen.
Vertreterinnern und Vertreter der Jugendorganisationen von CDU, FDP, SPD und Grünen hatten die Organisatoren zu diesem Workshop auf dem K3-Kongress vergangene Woche in Karlsruhe eingeladen. Sie konnten (und sollten) zeigen, dass sich ambitionierte Klimapolitik und die Programme ihrer Parteien gar nicht widersprechen. Im Gegenteil: Alles, was man mit den Maßnahmen erreichen will, entspricht im Grunde auch den Werten der großen demokratischen Parteien. (Die AfD war nicht geladen – aber da sie in ihrem Programm jeglichen Klimaschutz ablehnt, wäre mit ihr ohnehin nicht viel zu diskutieren gewesen.)
Mit welchen Grundwerten der Parteien lässt sich Klimaschutz begründen?
Noch ein zweites Statement von Terli zielte ins Zentrum des Themas: Er finde es "verstörend, aber auch spannend", wie häufig er auf "heftige Gegenreaktionen" stößt, sobald er über den Klimawandel redet. Dabei, betonte er, rede er ja eigentlich "nur über Fakten, die von der Wissenschaft erarbeitet sind". Psychologen sind über die Emotionalität beim Klimathema wenig verwundert: Viele Menschen fühlen sich durch die Klimakrise in ihren Werten, ihrem Selbstbild, ihrem gesamten Lebensmodell angegriffen oder bedroht. Deshalb gab Workshopleiter (und klimafakten.de-Vertreter) Carel Mohn den Teilnehmern eine Aufgabe: "Wir wollen herausfinden, welche Werte uns wichtig sind - und wie diese zu den politischen Programmen der Parteien und zum Klimaschutz passen."
Gesagt, getan. Mithilfe des "Shalom Schwartz-Werte-Modells", das nach einem amerikanisch-israelischen Sozialpsychologen benannt ist und die grundlegende Werte von Menschen wie auf einer Landkarte überschaubar macht, sollten die Gäste für sich persönlich die fünf wichtigsten Werte auswählen - über diese und die Implikationen wurde sodann in Arbeitsgruppen diskutiert.
In jahrzehntelanger Arbeit und kulturübergreifenden Untersuchungen hat die sozialpsychologische Forschung eine Reihe universeller Grundwerte von Menschen identifiziert, hier eine Kartierung nach Shalom Schwartz; Grafik: CommonCauseHandbuch/diegemeinsamesache.org
Hannah Uhlenbruck von der Jungen Union Karlsruhe zum Beispiel entschied sich für die Werte Freiheit, Gleichheit, soziale Gerechtigkeit, Sicherheit und Wohlstand. Schnell wurde in ihrer Arbeitsgruppe über den Begriff Freiheit diskutiert: "Die Grünen schränken die Freiheit ein, indem sie nur Verbote wollen", meinte die 22-Jährige Studentin. "Man muss aber andere Wege gehen, um die Menschen mit einzubinden." Andererseits auch ihr klar: "Freiheit hört auf, wo ich andere einschränke." Über die Grenzen wird in der CDU-Gruppe lange diskutiert. Bei den Werten "Sicherheit" und "Wohlstand" wird Uhlenbruck schon konkreter: "Ich möchte die Sicherheit haben, dass ich hier auch noch in 30 Jahre in Ruhe leben kann." Und dazu brauche es eben Klimaschutz, ist die junge Konservative sicher. Aber um den auch umzusetzen, brauche es Wohlstand: "Wenn jemand arm ist, interessiert er sich nicht für die Umwelt."
"Verbote sollen die Menschen nicht einschränken - sondern sie schützen"
Henrik Wiegand von der Grünen Jugend setzt da etwas anders an. Seine Kreuze hat er vor allem bei den Werten gemacht, die im Shalom-Schwartz-Modell im Bereich "Universalismus" stehen. Reibungspunkte mit dem Klimaschutz sieht auch er bei den Werten wie Selbstbestimmtheit, Freiheit und Unabhängigkeit. Aber er erläutert: "Uns geht es aber darum, dass die Einschränkungen eben nicht gegen, sondern für die Menschen gemacht werden", so Wiegand. Beispiel Fahrverbote. "Die sind vor allem positiv, denn dadurch gibt es eine neue Freiheit durch weniger Unfälle und Verschmutzung." Und er hat eine Kritik an seiner Partei: Der fehle es noch an Wagemut und Pioniergeist.
Bei den Liberalen gab es in dem Workshop am meisten Diskussionsbedarf. "Wir haben gemerkt, dass viele Begriffe wie Freiheit einfach unterschiedlich ausgelegt werden", sagt Anton Rewitzer von den Jungen Liberalen. "Für mich ist klar, dass Selbstbestimmung einer der wichtigsten Werte ist." Aber wie verträgt sich das mit Klimaschutz? "Freiheit, Selbstbestimmung und Einschränkung sind kein Gegensatz", meint Rewitzer. "Verantwortung und Freiheit gehen zusammen." Das klingt schon richtig wie Politiksprech bei dem 23-Jährigen, der dieses Jahr für die Kommunalwahlen in Karlsruhe kandidierte. Aber Rewitzer kennt sich auch aus: Die beste Verbindung zwischen seinen Werten und dem Klimaschutz sei, Kohlendioxid einen Preis zu geben: "Wir müssen runter vom CO2, und deshalb muss sich das in unseren Konsumentscheidungen widerspiegeln." Er ist für einen Zertifikatehandel. Ob er sich manchmal über die Äußerungen seines Parteichefs Christian Lindner ärgert? Manchmal sei er nicht einer Meinung mit ihm, meinte der junge Liberale. Aber in der Partei gebe es eben auch Uneinigkeit über die Gewichtung des Klimathemas.
Ergebnisse einer Umfrage unter österreichischen Jungpolitikern
Bei den Jusos schließlich geht es vor allem um die Verzichtsdebatte und die "Eliteneinstellung" und wie schwierig es sei, "die einfachen Menschen" mitzunehmen. Mit mehr Gerechtigkeit und Solidarität – beispielswiese einer Klimadividende, sollen Werte wie soziale Gerechtigkeit und Klimaschutz zusammengebracht werden. "Die SPD-Basis ist ohnehin ganz anderer Meinung als ihre Führung", gab Jonas Müller von den Jusos Karlsruhe zu bedenken. Am Ende des anderthalbstündigen Workshops waren viele über eines verwundert: Dass die Regierungsparteien CDU und SPD aber auch die FDP nicht mehr auf ihren Nachwuchs hören. Die scheinen schon viel besser verstanden zu haben, dass eine ambitionierte Klimapolitik der Garant ist dafür, dass die Menschen ihre Werte auch künftig unbeschwert leben können.
Gruppenarbeit auf einem Workshop der K3-Konferenz in Karlsruhe; Foto: Nick Reimer
Eine spannende Ergänzung zum Thema brachte ein zweiter K3-Workshop, organisiert unter anderem von Sybille Chiari von der Universität für Bodenkultur Wien. Sie und ihr Team haben parteiübergreifend österreichische Jungpolitiker interviewt, im Alter zwischen 18 und 35 Jahren. Die Forscher wollten wissen, welche Werte die jungen Menschen bei ihrem Tun antreiben. In einem zweiten Schritt wurde abgefragt, was die Jungaktiven gegen die Klimaerhitzung zu tun gedenken. Die Ergebnisse bestätigten den Eindruck des ersten Workshops: Alle Jungpolitikerinnen und -politiker wollen nach möglichen Lösungsansätzen für die Klimakrise suchen - aber begründen dies sehr verschieden: Während auf der konservativen Seite eher Werte wie Leistung und Tradition Impulsgeber sind, stoßen auf der eher linken Seite Werte wie Humanismus oder Gerechtigkeit das Handeln an.
"Wir können dieses Wissen für unsere Klimakommunikation nutzen", betonte Chiari. Will man Konservative motivieren, dann solle man ihnen eher nicht mit Werten kommen wie globale Gerechtigkeit - sondern ihre Heimatverbundenheit ansprechen und darauf hinweisen, welche Folgen der Klimawandel für ihre Heimat haben wird. Die Wissenschaftlerin nennt das "wertebasierte Kommunikation". Nebenergebnis ihrer Untersuchung: Klimaskepsis gibt es unter den jungen Befragten kaum noch, "nicht einmal bei den rechten Parteien, das scheint nicht mehr salonfähig". Andererseits ist die Distanz zur Klimawissenschaft gewachsen, "nur noch 29 Prozent halten sie für sehr vertrauenswürdig".
Susanne Götze/Nick Reimer