Es ist eine häufig gestellte Frage, die dringend nach Antworten verlangt: Wie lässt sich der Klimawandel erklären? Wie soll eine Erzählung über den Klimawandel angelegt sein, damit sie verstanden wird und zu Handlungen anregt? Die Frage entsteht, weil die konventionelle Klimakommunikation offenkundig an Grenzen stößt: Denn Jahrzehnte voller Nachrichten und Berichte zu Ursachen und Folgen des Klimawandels, basierend auf soliden wissenschaftlichen Studien, haben bisher nicht ausgereicht, um einen politisch handlungswirksamen "sense of urgency" zu vermitteln, sprich: in der Öffentlichkeit so viel Zustimmung zu den von Experten geforderten Maßnahmen auszulösen, dass die Politik sie auch tatsächlich beschließt.
Nicht zuletzt beim K3-Kongress in Karlsruhe Ende September lautete deshalb die Empfehlung von Kommunikationsexperten: Klimawandel und Klimapolitik sollten nicht nur in Form von Tatsachenberichten und Sachkontroversen dargestellt, sondern auch durch fiktionale Darstellungsformen medial vermittelt werden - also durch Erzählung(en); immer wieder fällt in diesem Zusammenhang der Begriff "Narrativ".
Fiktionale Erzählungen erleichtern es, sich mit Personen zu identifizieren
Fiktionale Narration sei, wie die Kommunikationswissenschaftlerin Freya Sukalla von der Universität Leipzig in einem K3-Workshop erläuterte, eine Möglichkeit, die mit der Klimakommunikation verbundenen Probleme zu lösen. Diese lägen in der Komplexität und Abstraktheit des Themas, in der Distanz der Mediennutzer zum Klimawandel sowie in der Unsicherheit der Öffentlichkeit, ob denn Maßnahmen gegen den Klimawandel überhaupt wirksam seien - zumal dieser häufig nicht als existenzielle Bedrohung wahrgenommen werde.
Fiktionaler Formate, also Erzählungen, können die Einstellungen und Meinungen der – erfundenen – Personen transportieren. Dies erlaube dem Publikum zudem, sich mit Personen zu identifizieren und so deren Perspektiven kognitiv und emotional zu übernehmen. In der Klimakommunikation könnten also Narrationen die abstrakten Sachverhalte illustrieren, sie könnten durch Anschaulichkeit die Bedeutung der Sache vermitteln, die jeweiligen Figuren als Rollenmodelle wirken lassen und letztlich auch Emotionalität auslösen.
Spielfilme können den Antrieb für moralisches Handeln stärken
Was aber ist eine Geschichte, eine Narration? Die Antwort der Wissenschaftlerin: eine darstellende Vermittlung von zeitlich und kausal verknüpften Ereignissen, in deren Mittelpunkt handelnde Figuren mitsamt ihren Werten, Gedanken und Gefühlen stehen, wobei sie mit Konflikten und Herausforderungen konfrontiert werden.
Der Kinofilm "Hell" von Tim Fehlbaum versetzt das Publikum in ein Deutschland, das durch eine extreme Erderhitzung fast unbewohnbar geworden ist; Plakat: Paramount/hell-derfilm.de
Ob und wie medial vermittelte Narrative wirken, untersuchte Freya Sukalla gemeinsam mit Helena Bilandzic anhand der Publikumsreaktionen auf den Film "Hell" (2011) des jungen Schweizer Regisseurs Tim Fehlbaum. In dieser Dystopie hat eine extreme Erderhitzung Deutschland zur Wüste gemacht, in der die Protagonisten zu überleben versuchen. Im Rahmen des Experiments wurde untersucht, ob Filme beim Publikum eine Wirkung haben und welche. Dazu wurden die Probanden in unterschiedliche Gruppen aufgeteilt, manche erhielten vorab ein Deutungsrahmen (Framing), die anderen nicht, einige wurden abgelenkt, andere nicht.
Was zeigte sich? Die Ablenkung verminderte - wenig überraschend - die Aufmerksamkeit für die erzählte Geschichte, es sank die Fähigkeit und Bereitschaft der Zuseher, sich in die Lage der Figuren zu versetzen. Im Ergebnis wurde bei diesen Probanden weniger an Emotionen ausgelöst und auch weniger an diffusen Schuldgefühlen, etwa für Klimawandel mitverantwortlich zu sein. Umgekehrt zeigte sich bei den Zuschauerinnen und Zuschauern ohne Ablenkung, dass sie sich stärker in die Handlung und die Person hineinversetzten, was wiederum den Antrieb für moralisches Handeln stärken kann.
Die Heldenreise – ein bewährtes Muster für packende Erzählungen
Ein klassisches Muster für Narrationen, das sich schon in unzähligen Texten und Drehbüchern bewährt hat, ist die sogenannte Heldenreise: Ein Held, also der Protagonist, steht vor einer Aufgabe, deren Lösung wegen eines Antagonisten und sonstiger Widerstände kaum möglich erscheint. Doch der Protagonist erhält einen Mentor an seiner Seite. Der Held stellt sich der Herausforderung und erlebt in – für das Publikum wesentlichen – Schlüsselmomenten die Berufung, zu handeln. Der Held oder die Heldin überwindet Hürden und Widerstände und kann die Aufgabe schließlich meistern.
Fast eine Bauanleitung für fesselnde Erzählungen stellte der Wiener Kommunikationsberater und -coach Stefan Stockinger vor. Man solle sie am besten in drei Akte gliedern, erklärte er: "Aufbruch, Abenteuerland, Rückkehr". Diese Akte seien wiederum in jeweils sieben bis zwölf Szenen zu unterteilen. Das Wesentliche sei, dass der Protagonist durch Überwindung und Lösung von Konflikten zu einer größeren Veränderung beitrage.
Möglichkeiten und Grenzen von Narrativen
Kommunikationsforscherin Sukalla warnte allerdings auch davor, das Mittel der Narration zu überschätzen. Zwar lasse sich in fiktionalen Formaten auch Wissen vermitteln, sagte sie, aber "ich würde es nicht dafür einsetzen". Besser eingesetzt seien Erzählungen, wenn man für bestimmte Themen sensibilisieren möchte. Sie seien geeignet, Gelegenheiten für eine Anschlusskommunikation eröffnen, Veränderungen an Einstellungen und an Verhalten mitauszulösen - und vor allem, an Zielgruppen heranzukommen, die "sonst nur schwer erreichbar sind". Auf der anderen Seite dürfe man jedoch nicht die Probleme unterschätzen: eine allzugroße Aufdringlichkeit, die Möglichkeit von Verzerrung bis hin zu Desinformation.
Literaturhinweis
Freya Sukalla: Narrative Persusion und Einstellungsdissonanz. Springer 2018
Claus Reitan