Viele Klimaforscher begründen ihre Zurückhaltung in der Öffentlichkeit mit ihrem wissenschaftlichen Ethos: Man müsse nüchtern bleiben und sich auf die Forschung konzentrieren, die Folgerungen daraus mögen andere ziehen. Nach Ansicht von Paul Hogget und Rosemary Randall, Mitgründer der Climate Psychology Alliance (CPA), steckt aber noch etwas anderes dahinter: Das Schweigen sei eine (unbewusste) Schutzreaktion der Psyche gegen die Gefühle, die sich einstellen würden, wenn man sich stärker mit den Forschungsergebnissen befassen würde. Es handele sich um ein "sozial konstruiertes Schweigen".
In einem Essay im Online-Magazin OpenDemocracy schreiben die beiden britischen Psychotherapeuten, solche Mechanismen zur "sozialen Angstabwehr" seien nicht ungewöhnlich und führen eine interessante Parallele ins Feld: das einstige Berufsverständnis von Krankenschwestern. Forscher in den 1950er Jahren hätten bei ihnen eine Kultur der sprichwörtlichen "stiff upper lip" beschrieben, also eine antrainierte Distanz und Gefühlskälte, mit der die Effizienz der Pflege gesteigert, aber auch die Psyche der Krankenschwester im Angesichts des alltäglichen Elends geschützt werden sollte.
Langfristig sei diese Verdrängungsstrategie allerdings problematisch, warnen die Autoren: "Es besteht die Gefahr, dass diese Abwehr letztlich zusammenbricht und die Angst wiederkehrt - was die Individuen nicht nur wehrlos zurücklässt gegenüber der Angst, sondern auch mit der zusätzlichen Bürde und der Scham, persönlich versagt zu haben, weil man die steife Oberlippe nicht durchgehalten hat. Stress und Burn-Out können folgen."
tst