Wir Menschen handeln oft nicht so rational, wie wir es gern täten – selbst dann nicht, wenn wir überzeugt sind, wir folgten gerade nur unserem Verstand. Gefühle sind mächtige, meist unterschätzte Antriebskräfte. Wie sie eine Rolle spielen (und nutzbar gemacht werden können) in der Klimakrise, beschreiben drei aktuelle Bücher: Klimagefühle, Klima im Kopf und Warum machen wir es nicht einfach?

Während die ersten beiden Titel sich auf die Frage konzentrieren, wie man gut (und möglichst auch produktiv) mit der durch die Erdüberhitzung ausgelösten Angst, Wut und Trauer umgehen kann, setzt das dritte  an einem anderen Punkt an: Es fragt, wie man die Mechanismen der menschlichen Psychologie nutzen kann, um andere Menschen zu umweltfreundlichem Handeln zu bewegen – und wie man beispielsweise sogar Personen erreicht, in deren Wertesystem das eigene Fortkommen, Erfolg und Dominanz eine größere Rolle spielen als der Umwelt- und Naturschutz oder die Sorge um das Wohlergehen anderer Menschen.

Wir können die Erde nur retten, wenn es uns dabei gut geht: Das ist die Kernbotschaft des Buchs Klimagefühle von Lea Dohm und Mareike Schulze, den beiden Initiatorinnen der deutschen Psychologists / Psychotherapists for Future (Psy4F). Doch wie soll das gehen, Wohlbefinden im Angesicht der Klimakrise, wo doch die Erderwärmung gerade bei engagierten Menschen Gefühle wie Angst, Wut, Trauer, Hilflosigkeit, Schuld und Scham hervorruft? In ihrem Buch geben die beiden Psychotherapeutinnen hilfreiche Tipps zum Umgang mit diesen schwierigen Empfindungen.

Zunächst erzählt Mareike Schulze vom Schock, der sie befiel, als ihr Anfang 2019 das Ausmaß der Klimakrise so richtig bewusst wurde. Lea Dohm beschreibt ihr Gefühl als eines, wie es wohl „Menschen empfinden, wenn sie herausfinden, dass ihr*e Partner*in sie seit Jahren betrügt“. Es ist eine existenzielle Verunsicherung. Die beiden Autorinnen reagierten darauf, indem sie Gleichgesinnte suchten und dann gemeinsam die Psy4F ins Leben riefen.

Ihr Buch wird bereichert durch kurze Erfahrungsberichte vieler weiterer Menschen, die sich ebenfalls fürs Klima engagieren, manche schon ein ganzes (Berufs-)Leben lang, und die in Einschüben immer wieder davon erzählen, wie sie sich selbst angesichts der Klimakrise fühlen und was daraus für ihr Handeln folgt. Die Aktivistin Carola Rackete beispielsweise erinnert sich, wie ihr auf einer Schiffsexpedition zum Nordpol, in Gesprächen mit Forschenden, „die sich wirklich in dem Thema auskennen“, klar wurde, „dass irgendwas wirklich im Argen liegt“. Heute sagt sie: „Meine Zeit ohne politischen Fokus zu verbringen, scheint mir nicht mehr sinnvoll.“

Auf die eigenen Gefühle zu hören (auch die unangenehmen),
kann sehr hilfreich sein beim Aktivwerden gegen die Klimakrise

Der Klimaforscher Stefan Rahmstorf beschreibt, wie er während der Elbeflut im August 2002 in Dresden war und sich fühlte, als sei er in einen dystopischen Film geraten. Überlebende der verheerenden Flut des Jahres 2021 im Ahrtal schildern, wie sie die Nacht erlebten, in der das Wasser in ihrem Haus stieg und stieg. Und Nicola Burmeister, eine Umweltberaterin aus Simbabwe, berichtet, wie die Klimakrise dort heute schon Existenzen zerstört: „Niemand bleibt in Afrika vom Klimawandel unberührt – nicht einmal die Reichen und Gesunden –, und das erzeugt eine kollektive Klimaangst.“

Dohm und Schulze beschreiben Strategien, die auch ihnen selbst gegen Angst, Wut, Trauer und Sorge helfen. In kompakten Exkursen gehen sie vertieft auf besondere Aspekte ein, wie zum Beispiel die mediale Abbildung der Klimakrise und was sich an ihr ändern müsste. Sie liefern Tipps für Aktivist*innen, die beispielsweise helfen, sich vor Burn-Out zu schützen. Und sie geben inspirierenden Menschen wie Virginie Pochon aus Haiti Raum, die davon erzählt, wie sie selbst es schafft, sich trotz widrigster Umstände in ihrem Engagement nicht unterkriegen zu lassen.

Damit untermauern die beiden Autorinnen immer wieder eine zentrale These des Buchs: Wenn wir lernen, wieder besser auf unsere Gefühle zu hören, auch auf die unangenehmen Empfindungen, dann kann das sehr hilfreich sein beim Aktivwerden gegen die Klimakrise – und uns der Abschied vom herrschenden Leistungsdruck, von Wachstums- und Konsumzwang gelingen. Wenn wir uns in unserem Engagement nicht überfordern, wenn wir zugleich unsere Gefühle zulassen, statt sie zu verdrängen, wenn wir mit ihnen arbeiten statt gegen sie, dann können wir Mut und Kraft aus ihnen schöpfen – eine Kraft, die gerade klimabewusste und -engagierte Menschen dringend brauchen.

„Wir möchten diesen Abschied von unserer gesellschaftlichen latenten Depressivität und der ständigen Suche nach Ersatzbefriedigungen – hin zu einer Neuorientierung an Gerechtigkeit, Bedürfnissen und Werten. ... Wir brauchen kein Mehr-und-mehr – was wir brauchen, sind qualitative Veränderungen. Dazu gehört aber erst einmal etwas anderes, ein Gefühlswandel sozusagen: Wir brauchen den Mut, unsere Gefühle und Bedürfnisse wieder wahr- und ernst zu nehmen, um wieder beziehungsfähiger zu werden – mit uns selbst und anderen, aber auch mit unserer Umwelt.“

Eine wichtige Erkenntnis, die sich aus all dem ergibt: Aktiv zu werden hilft gegen Angst, Trauer und Wut. Das gemeinsame Engagement gegen die Erderwärmung kann Freude, Verbundenheit und sogar Hoffnung bringen. Zwar ist es eine begrenzte Hoffnung, einfach weil im Moment politisch noch viel zu wenig passiert, um die Klimakrise wirklich aufzuhalten. Aber immerhin: Hoffnung.

Katharina van Bronswijk, Psychotherapeutin und Sprecherin der Psychologists for Future, schreibt in Klima im Kopf ebenfalls über Klimagefühle und mögliche Strategien, gut und konstruktiv mit ihnen umzugehen. Ihr Buch setzt etwas früher an, nämlich bei der Frage, warum es der Menschheit trotz allen gesicherten Wissens über die Klimakrise so schwerfällt, gegen die Bedrohung aktiv zu werden: weil wir verdrängen, einer verzerrten Wahrnehmung unterliegen, weil unser Denkvermögen begrenzt ist und unsere Sicht der Welt durch Ideologien geprägt sind und so weiter.

Der lockere Plauderton von Klima im Kopf scheint sich eher an jüngere Leser*innen zu richten, und dazu passt, dass die Fridays-for-Future-Aktivistin Carla Reemtsma hier das Vorwort beigesteuert hat (bei Dohms und Schulzes Buch kommt es vom Klimawissenschaftler Mojib Latif). Van Bronswijk kommt etwas schneller auf den Punkt als Dohm und Schulze, und abgesehen von Reemtsmas Vorwort gibt es bei ihr keine weiterführenden Erfahrungsberichte anderer Aktivist*innen oder Betroffener der Klimakrise.

„Lasst euch nicht davon einschüchtern, dass die Aufgaben riesig und das System festgefahren erscheinen. ... Die richtige Zeit zum Handeln ist jetzt.“

Letztlich ist die Botschaft ihres Buchs aber ähnlich wie jene von Klimagefühle: Wenn wir auf unsere Gefühle hören, die Bedürfnisse dahinter erkennen und gut mit ihnen umgehen, können wir daraus eine Kraft schöpfen, die uns hilft, gegen die Klimakrise anzugehen. Denn, so van Bronswijk: „Gefühle sind unsere heimliche Superpower!“ Wie Schulze und Dohm kritisiert auch sie den herrschenden Leistungs- und Konsumdruck – die Systemkritik scheint in ihrem Buch allerdings zuweilen etwas stärker durch:

„Genauso ungesund wie für unsere Psyche ist dieses gesellschaftliche Hamsterrad leider für die Erde: All die Autos, neuesten Smartphones, Klamotten und Instagram-gerechten Urlaubsreisen, die wir brauchen, um uns gesellschaftliche Anerkennung zu erkämpfen, entstehen ja nicht aus dem Nichts. (…) Indem wir das System erhalten, treiben wir uns gegenseitig dazu, unsere Lebensgrundlagen zu zerstören.“

Das Problem, das sich daraus ergibt: Wir alle sind in gesellschaftliche Zwänge eingebunden und können uns nicht beliebig daraus lösen. Auch deshalb sind die Möglichkeiten, die Klimakrise schnell zu lösen, begrenzt – zumal diese Krise und das mit ihr verbundene Artensterben bereits weit fortgeschritten sind. Warum soll man sich dann überhaupt engagieren?

Van Bronswijks Antwort ist einleuchtend: Überlegt, wer Ihr sein wollt in dieser Welt. Welche Werte Euch wichtig sind. Und dann richtet Euer Handeln danach aus. „Dass es auch gegen so manches unangenehme Klimagefühl hilft, gesellschaftlich aktiv zu werden, ist da eine willkommene Unterstützung.“ Sie schließt:

„Lasst euch nicht davon einschüchtern, dass die Aufgaben riesig und das System festgefahren erscheinen. Soziale Kipppunkte werden in Gang gesetzt, wenn wir uns… zusammentun. Das schaffen wir. Sucht euch also Gleichgesinnte, bildet Banden! Die richtige Zeit zum Handeln ist jetzt.“

Isabella Uhl-Hädicke geht es in ihrem Buch Warum machen wir es nicht einfach? ausschließlich um die Frage, welche psychologischen Faktoren uns am Handeln gegen die Klimakrise hindern – wo doch das nötige Wissen vorhanden ist und man sich den Fakten praktisch nicht mehr entziehen kann. Die Autorin forscht und lehrt als Umweltpsychologin an der Universität Salzburg. Schwerpunkte ihrer Arbeit sind die Kommunikation des Klimawandels und die Frage, wie umweltfreundliches Verhalten gefördert werden kann – und genau darum geht es in ihrem Buch.

Uhl-Hädicke beantwortet die titelgebende Frage kurzweilig, leicht zu lesen – und dennoch immer nah an der Wissenschaft. Ganz nebenbei erklärt sie  auch noch, wie Klimaforschung funktioniert und warum Wissenschaftler*innen in ihrem Erkenntnisprozess zwar ständig über offene Fragen debattieren – aber dass dies keineswegs bedeutet, dass man immer wieder alle gewonnenen Erkenntnisse grundlos und grundsätzlich anzweifeln kann.

Dabei ergeben sich immer wieder interessante Erkenntnisse. Zum Beispiel jene, dass eine existenzielle Bedrohung wie die Klimakrise psychologische Abwehrmechanismen in mehrfacher Hinsicht auslöst. Für sich genommen scheint diese Einsicht fast banal. Aber was Uhl-Hädicke daraus ableitet, ist nutzbringend für alle, die sich gegen die Klimakrise engagieren. Schockstarre kann zum Beispiel eine solche (höchst menschliche) Abwehrreaktion sein. Eine andere:

„Nachdem Personen sich mit einer existenziellen Bedrohung beschäftigt haben, tendieren sie dazu, ihre Weltanschauungen, Werte, Eigengruppen sowie in der Gesellschaft vorhandenen Regeln im Sinne von ,das gehört sich so‘ stärker zu verteidigen. Dies zeigt sich beispielsweise durch eine verzerrt positive Wahrnehmung von Gruppen, denen man selbst angehört, gepaart mit einem gleichzeitig verstärkten Abwerten von Fremdgruppen – bis hin zu einer Gipfelung im Nationalismus; oder darin, dass man Personen, die von der gesellschaftlichen Norm abweichen, negativer beurteilt; das geht sogar so weit, dass man Personen, die eine andere Weltanschauung als die eigene haben, stärker bestrafen würde.“

Selbst Richter*innen, deren Beruf es bekanntlich ist, möglichst objektiv zu urteilen, unterliegen diesem Mechanismus: In einer experimentellen Studie kam heraus, dass sie ein höheres Strafmaß festlegten, wenn sie zuvor über ihre eigene Sterblichkeit nachgedacht hatten, also mit einer existenziellen Bedrohung konfrontiert waren.

Uhl-Hädickes Folgerung: Die Strategie, Menschen durch Fakten wachrütteln und zum Handeln gegen die Klimakrise motivieren zu wollen, funktioniert nur bei Personen, denen die Umwelt ohnehin wichtig ist. Bei Personen, die sich dadurch bedroht fühlen, führt sie hingegen zu Abwehrreaktionen wie beispielsweise Ethnozentrismus, also dem Überhöhen der eigenen Ethnie.

Wer lässt sich etwa durch finanzielle Anreize motivieren, wer nicht?
Und bei wem bringt eine symbolische Anerkennung mehr als Geld?

Besonders spannend wird das Buch, wenn es mögliche psychologische Reaktionen auf die Klimakrise mit unterschiedlichen Werten und Weltsichten in Verbindung bringt, die Menschen haben können – und mit gesellschaftlichen Normen, die individuelles Verhalten ja ebenfalls beeinflussen. Wer lässt sich beispielsweise durch finanzielle Anreize motivieren, wer nicht? In welchen Fällen bringt eine symbolische Anerkennung durch andere mehr als die Belohnung mit Geld? Wann ist es sinnvoll, umweltfreundliches Verhalten einfach nur zu erleichtern (beispielsweise durch mehr Radwege oder eine höhere Taktung bei Bus und Bahn)? Wie bringt man jemandem umweltfreundliches Handeln nahe, in dessen Wertegerüst Aufstieg, Erfolg und Einfluss eine zentrale Rolle spielen, und für den materielle Statussymbole wie schnelle Autos, Fernreisen oder ein großes Haus essenziell sind?

Uhl-Hädicke gibt Antworten und zeigt die Schwierigkeiten auf. Das ist interessant und praktisch anwendbar für alle Klimapolitiker*innen, Aktivist*innen und Kommunikator*innen – für jede:n also, der oder die sich für eine klimaneutrale Gesellschaft engagiert.

Alle drei Bücher richten sich hauptsächlich an klimabewegte Menschen. Alle drei sind mit Gewinn zu lesen und greifen Aspekte auf, die von den inzwischen Dutzenden anderen Klimabüchern auf dem Markt nicht angesprochen werden. Aber während Schulze, Dohm und van Bronswijk sich auf den konstruktiven Umgang mit den eigenen Klima-Gefühlen konzentrieren und gewissermaßen einen starken „Self Care“-Aspekt haben, zeigt Uhl-Hädicke, wie wichtig und nützlich es ist, im engagierten Dialog offen zu bleiben für die Klima-Gefühle der Anderen und wie man dadurch Klimakommunikation zielgruppengerecht und damit vermutlich effektiver ausrichten kann.

- Lea Dohm, Mareike Schulze: Klimagefühle. Wie wir an der Umweltkrise wachsen, statt zu verzweifeln.
Knaur, München 2022. 372 Seiten,
16,99
- Katharina van Bronswijk: Klima im Kopf. Angst, Wut, Hoffnung: Was die ökologische Krise mit uns macht.
Oekom, München 2022. 208 Seiten,
€ 22,00
- Isabella Uhl-Hädicke: Warum machen wir es nicht einfach? Die Psychologie der Klimakrise.
Molden, Wien-Graz 2022. 176 Seiten,
25,00
- Unser Handbuch für wirksame Klimakommunikation ("Über Klima sprechen") von Christopher Schrader
ist hier online verfügbar und außerdem im Juli bei Oekom erschienen