Diese Reaktion kennt vermutlich jeder: Man will die (schlimmen) Nachrichten zum Klima nicht mehr hören. Mal ist es nur ein stiller Stoßseufzer, mal eine kurze und ja durchaus sinnvolle Auszeit, um den Kopf freizubekommen, sich zu erholen, neue Kraft zu tanken. Eine zunehmende Zahl von Menschen jedoch entscheidet sich dauerhaft für eine sogenannte Nachrichtenvermeidung (engl.: "news avoidance") – nicht nur, aber auch in Sachen Klimakrise. Der Digital News Report 2022 des britschen Reuters Institute sieht für viele Länder überall auf der Welt einen zunehmenden Trend zu dieser speziellen Form von Eskapismus. Untersuchungen der Universität Erfurt im Rahmen des "Planetary Health Action Survey" (PACE) ergaben für Deutschland, dass 26 Prozent der Befragten "häufig bis sehr häufig" Nachrichten zum Klimawandel bewusst vermeiden; weitere 17 Prozent gaben an, es zumindest "gelegentlich" zu tun.

Für Medien ist es ein gravierendes Problem, wenn sich Menschen ihren Produkten verweigern. Aber auch für die gesamte Gesellschaft und ihre politischen Debatten sind die Folgen zunehmender Nachrichtenverweigerung weitreichend - und das gilt insbesondere für die gesellschaftliche Handlungsfähigkeit beim Klimaschutz. Wie sich die Berichterstattung zur Klimakrise verbessern und damit dem Trend zur Nachrichtenvermeidung entgegentreten ließe, das erläutern in einem neuen Leitfaden drei Psychologinnen, die bei den Psychologists for Future aktiv sind. Er ist heute in Kooperation mit klimafakten.de und unserem englischsprachigen Schwesterprojekt Clean Energy Wire (CLEW) erschienen.

"Es liegt nahe, dass die Vermeidungsstrategien mit der Art und Weise der Berichterstattung über das Thema zusammenhängen", diagnostizieren Jessica Meininger, Rima Ashour und Lea Dohm. Die psychologische Forschung habe nämlich gezeigt, "dass stark angstauslösende Botschaften ohne Vermittlung von anwendbaren Lösungsideen eher zu defensiven Reaktionen wie Vermeidung, Passivität und Reaktanz (= Trotzreaktion) führen können". Und genau dies ist in der Berichterstattung zum Klima oft zu beobachten: Es werden – wie im Journalismus generell üblich – einzelne Informationen geliefert (die jeweils neueste Nachricht); anwendbare Lösungsideen zur Klimakrise liefern Medien zwar auch immer mal, aber die sind dann buchstäbliche eine andere Geschichte, also stehen in der Zeitung auf einer anderen Seite, kommen im Fernsehen in einer anderen Sendung, zu einem späteren Zeitpunkt (und manchmal auch gar nicht) und so weiter.

Die knapp 30-seitige Handreichung schildert detailliert zahlreiche Erkenntnisse der Psychologie und leitet daraus drei ganz konkrete Empfehlungen für die journalistische Praxis ab. Die wichtigsten sind in einem kompakten Flyer zusammengefasst (siehe unten) und lauten:

1. Die Klimakrise in den Medien beständig
und als hochrelevant thematisieren

Bei der Berichterstattung solle es nicht (mehr) nur um naturwissenschaftliche Grundlagen des Klimawandels gehen; die jahrzehntelange Forschung hierzu hat ausreichend Erkenntnisse gebracht, damit Politik und Gesellschaft Schlussfolgerungen daraus ziehen. Wichtig ist vielmehr die Darstellung systemischer Zusammenhänge (etwa die Folgen für lebensnahe Bereiche wie Gesundheit, Wirtschaft oder auch Reisen). Dabei sollten die Klimabezüge aktiv in die "normale" Berichterstattung eingebunden werden – statt nur in eigenen Ressorts (etwa Wissenschaft) oder auf separaten Klima-Schwerpunktseiten zugänglich zu sein.

„Bei der Klimakrise handelt es sich um ein Phänomen, das komplex, schwer zu durchschauen und für die meisten nicht unmittelbar spürbar ist“, erklären die Autorinnen. „Sie ist damit etwas, wofür unsere Gehirne evolutionär nicht gut ausgestattet sind, und zu dem sich leicht ‚psychologische Distanz‘ einstellt, die dem tatsächlichen Risiko nicht entspricht. Folglich ist es notwendig, die Verständlichkeit und Greifbarkeit explizit zu fördern.“ Hier verknüpfen sich die Erkenntnisse der Psychologie mit jenen der Medienwissenschaften: Eine der wichtigsten Aufgaben von Journalismus, heißt es dort, ist die sogenannte Komplexitätsreduktion: Also die oft unübersichtliche und komplizierte Realität (egal ob in Politik, Wirtschaft, Wissenschaft oder Sport) so für Leserinnen und Leser zu recherchieren und zu erklären, dass sie diese verstehen und angemessen darauf reagieren können.

„Es gibt in Deutschland große Übereinstimmung in der Besorgnis um den Klimawandel“, heißt es in der Handreichung weiter. „Worüber Uneinigkeit herrscht, sind die konkreten Handlungsschritte zu dessen Bewältigung. Es gehört zu den Grundpfeilern einer Demokratie, dass dieser Prozess kontrovers diskutiert wird. Die anschauliche Einordnung von politischen, unternehmerischen oder gesellschaftlichen Maßnahmen in das gemeinsame Ziel des Kampfes gegen die Klimakrise könnte den Menschen helfen, Gruppenentscheidungen mitzutragen.“

2. Gefühle des Publikums aufgreifen,
um eine konstruktive Verarbeitung zu erleichtern

Diese Empfehlung mag für Journalistinnen und Journalisten ungewohnt sein, betonen sie als ihr Selbstverständnis doch gern Neutralität und Distanz. Dies greifen die Autorinnen auf, wenn sie kühl konstatieren: "Die neutrale Haltung der Wirklichkeit gegenüber ist, sie anzuerkennen." Und zur Wirklichkeit gehören nun einmal die Klimakrise genauso wie die wissenschaftlichen Befunde der Psychologie. "Es hilft nicht, Gefühle zu vermeiden", lautet dort eine Grundeinsicht. Im Gegenteil, schreiben die Autorinnen, Gefühle sind eine natürliche und gesunde Reaktionen des Menschen, sie helfen ihm bei der Orientierung in seiner Umwelt, sie geben Impulse zur Entscheidungsfindung (übrigens oft schneller und wirksamer, als es als rationales Überlegen vermag).

Dabei sind Gefühle wie Angst oder Sorge, Wut oder Trauer, Scham oder Mitgefühl nur allzu verständlich angesichts eines der voranschreitenden Erderhitzung, angesichts der drohenden, drastischen Konsequenzen und angesichts der mangelhaften Reaktion von Politik und Gesellschaft. "Die spontan auftretenden und gesunden emotionalen Reaktionen auf Berichte zur Klimakrise sollten nicht verhindert, vermieden oder ignoriert werden, auch wenn sie belastend sind", so die Autorinnen. Sie schildern in diesem Abschnitt des Leitfadens, wie die menschliche Psyche mit solchen Gefühlen umgeht – dies kann sowohl abwehrend und vermeidend passieren, aber eben auch konstruktiv und selbstmotivierend. Genau dies sollten Journalist:innen wissen und bei ihrer Berichterstattung im Hinterkopf haben.

Fakten zur Klimakrise, die (berechtigterweise) Ängste auslösen, sollen und dürfen in den Medien natürlich nicht verschwiegen werden, betonen die Autorinnen. "Es ist wichtig, dass die vorhandene reale Bedrohung klar benannt wird. Durch das Aufzeigen ganz konkreter Handlungsmöglichkeiten wird die günstige Verarbeitung dieser Gefühle gefördert und einer ungünstigen Verarbeitung entgegengewirkt."

3. Erfolgreiche und -versprechende Lösungsmöglichkeiten darstellen –
auf individueller wie gesellschaftlicher Ebene

Wie dies im Medienalltag aussehen kann, erklärt der dritte Teil des Leitfadens (untermauert wiederum mit zahlreichen wissenschaftlichen Belegen). Wenn in der Berichterstattung zum Beispiel gezeigt wird, was andere Menschen allein oder gemeinschaftlich für Klimaschutz tun, dann wirkt dies Ohnmachtsgefühlen beim Publikum entgegen – psychologisch gesagt: dann stärkt es das Gefühl von Selbstwirksamkeit, das für eine konstruktive Bearbeitung negativer Emotionen entscheidend ist.

Konkret heißt das: Problem und Lösung sollten nebeneinander stehen, etwa bei der Bebilderung oder auch in Überschriften. Auch sollte mehr über positive Nebenwirkungen von Klimaschutzmaßnahmen (etwa für die Gesundheit) geschrieben werden, so die Autorinnen. Und die breite Zustimmung zu Klimaschutz in der Gesellschaft sollte immer wieder thematisiert werden. Bisher nämlich, das zeigen zahlreiche Untersuchungen, haben die meisten Menschen ein falsches Bild ihrer Mitbürger: Sie überschätzen die Zahl von Klimaschutzgegnern und zögern deshalb, sich selbst klar und deutlich für mehr Klimaschutz auszusprechen.

All diese Empfehlungen, betont der Leitfaden, würden nicht die journalistische Autonomie einschränken oder das Publikum bevormunden (wiewohl ein solcher Vorwurf von Kritikern sicherlich erhoben werden wird). Ausrücklich heißt es: "Das Aufzeigen von Handlungsmöglichkeiten in den Medien sollte keine direkten Aufforderungen enthalten, sondern ein freiwilliges Angebot sein, das das dem menschlichen Bedürfnis nach Autonomie und Selbstbestimmung entgegenkommt. Medien sollten bei der Berichterstattung schlicht das tun, was guter Journalismus auch bei anderen Themen tut: die Realität darstellen, wie sie ist, beispielsweise eben die große Zustimmung zu mehr Klimaschutz); überlegen, wie das Publikum auf einen Beitrag reagieren wird und dies beim Schreiben berücksichtigen; nicht zuletzt psychische Mechanismen in den Köpfen der Leserschaft bedenken und vorsorglich berücksichtigen.

Redaktioneller Vorschlag: "Klima-Kasten"

Letzteres ist seit einigen Jahren in der Berichterstattung über Suizidfälle breiter Standard: Weil die Forschung gezeigt hat, dass Artikel oder Beiträge zum Thema manche Menschen zu Nachahmungstaten veranlassen, findet sich unter vielen Medienberichten ein expliziter Hinweis, was suizidgefährdete Personen tun sollten und wo sie Hilfe finden (wie etwa hier auf der Website des Deutschlandfunks). Hinweise von Fachorganisationen oder auch staatlichen Stellen zu einer verantwortungsvollen Berichterstattung über Suizide sind im Journalismus weithin akzeptiert.

Analog dazu schlagen die Autorinnen eine Art "Klima-Kasten" vor. Berichte zum Thema, schreiben sie, könnten standardmäßig mit einem hervorgehobenen Vermerk versehen werden: "Der Inhalt dieses Berichts steht mit der menschengemachten Klimakrise in Zusammenhang. Die Auseinandersetzung damit kann belastende Gefühle wie Sorge, Angst, Wut auslösen ..." – ergänzt durch den Hinweis, dass man etwas gegen den Klimawandel tun kann, und Links zu Anlaufstellen. 

red

Die Broschüre können Sie hier herunterladen:

- deutsche Version (PDF-Langfassung, PDF-Kurzfassung, jpg-Kompaktgrafik)
- englische Version (PDF-Langfassung, PDF-Kurzfassung, jpg-Kompaktgrafik)

Website mit Quellenangaben und weiteren Informationen: www.medienleitfaden-klima.de