Cornelia Betsch ist Psychologin und Professorin für Gesundheitskommunikation an der Universität Erfurt. Sie forscht unter anderem zu sozialen Aspekten bei Gesundheitsentscheidungen, insbesondere im Kontext des Impfens und der Impfgegnerschaft. Während der Corona-Pandemie initiierte sie das Forschungsprojekt COSMO, später den PACE-Survey (siehe Kasten unten) und wurde 2021 mit dem Deutschen Psychologiepreis ausgezeichnet. Mirjam Jenny ist Entscheidungsforscherin und Wissenschaftskommunikatorin und wissenschaftliche Geschäftsführerin des Instute for Planetary Health Behaviour. Zuvor leitete sie die Projektgruppe Wissenschaftskommunikation im Robert Koch-Institut und berät verschiedene Regierungs- und zivilgesellschaftliche Organisationen. Ihre Forschung wurde u.a. mit der Otto Hahn Medaille der Max-Planck-Gesellschaft ausgezeichnet.

 

Die Bewältigung der Klimakrise erfordert entschlossene globale, lokale und individuelle Maßnahmen, die auf wissenschaftlichem und gesellschaftlichem Konsens beruhen. Ganze Industrie- und Wirtschaftssysteme müssen sich schnell ändern. Ein irreführender Fokus vor allem auf individuelle Lösungen für die Klimakrise hat die notwendigen Systemveränderungen zu lange verhindert. Fachleute in Wissenschaft und Politik werden sich zunehmend dessen bewusst, dass es nicht ausreicht, individuelle Verhaltensänderungen anzustreben. Ebenso unzureichend ist es, in der Kommunikation zu Klimathemen vor allem auf die Vermittlung von Wissen zu setzen.

Um die nötigen systemischen Veränderungen in Wirtschaft und Gesellschaft hin zu Klimaverträglichkeit schnell in Gang zu setzen, sollten politische Klimaschutzstrategien auf jene Branchen zielen, die besonders stark zu den CO2-Emissionen beitragen. Dies gilt insbesondere für die fossile Energiewirtschaft, die Automobil-, Lebensmittel-, Bau- und chemische Industrie. Politiker sind in der Verantwortung, weitreichende politische Entscheidungen zu treffen und umzusetzen, die es Gesellschaften ermöglichen, den Klimawandel zu bremsen und sich an unvermeidliche Folgen anzupassen.

Systemtransformationen werden indes auch einen Wandel auf individueller Ebene erfordern – denn betroffen ist auch die Art und Weise, wie wir leben und konsumieren. In demokratischen Gesellschaften bedarf ein solcher Wandel aktiver öffentlicher Zustimmung und Unterstützung. Darum müssen Wissenschaftler:innen und die an politischen Entscheidungen Beteiligten die Einstellungen und Sorgen der Öffentlichkeit wesentlich besser kennen und verstehen, als dies heute der Fall ist.

Veränderungen auf Systemebene brauchen die Verhaltensforschung

Es ist offensichtlich, dass Erkenntnisse über das menschliche Verhalten hilfreich sind, wenn es darum geht, individuelle Verhaltensänderungen zu fördern. Es ist jedoch möglicherweise weniger offensichtlich, wie die Verhaltensforschung auch Veränderungen auf der Systemebene unterstützen kann. Doch Kommunikationsstrategien, die Erkenntnisse aus den Verhaltenswissenschaften mit einbeziehen, könnten Regierungen beispielsweise dabei unterstützen, die öffentliche Zustimmung für Maßnahmen auf Systemebene (z.B. Besteuerung von Treibhausgasemissionen) zu erhöhen.

Veränderungen auf Systemebene – das bedeutet, die Rahmenbedingungen zu verändern, innerhalb derer Einzelpersonen und Organisationen tätig sind. Diese Rahmenbedingungen können das Verhalten von Menschen beeinflussen, indem sie durch Regeln, Vorschriften, Steuern, Subventionen und andere politische, gesellschaftliche, wirtschaftliche und rechtliche Maßnahmen regulieren, bestrafen, anstoßen oder Anreize für ein bestimmtes Verhalten schaffen. Dagegen können schlecht geplant und schlecht verstandene systemische Veränderungen zu einer starken Ablehnung der Maßnahmen führen – oder zum Verlust der Beliebtheit von Regierungen.

Klimaschutz trifft auf eine vielfältige Gesellschaft – verhaltenswissenschaftliche Forschung hilft auch dabei, Klimapolitik so zu gestalten, dass betroffene Bevölkerungsgruppen nicht übersehen werden; Foto: Carel Mohn

Ein Musterbeispiel für eine solche systemische Veränderung ist die CO2-Besteuerung. Eine solche Besteuerung (oder anderweitige Bepreisung) schafft einen klaren finanziellen Anreiz, ein als schädlich erkanntes Verhalten zu vermeiden. Statt bei jeder einzelnen Konsumentscheidung auf komplexe individuelle Abwägungen und die jeweilige Einsicht in die Schädlichkeit von CO2 zu setzen, zielt eine Besteuerung durch ein klares Preissignal just darauf ab, solche individuellen Abwägungsprozesse überflüssig zu machen.

Eine CO2-Besteuerung nimmt Konsument:innen nicht nur die Last komplexer Einzelfallentscheidungen, sie generiert auch öffentliche Einnahmen. Diese können dann beispielsweise genutzt werden, um Güter wie den öffentlichen Personenverkehr, Erholungs- oder Gesundheitseinrichtungen zu finanzieren, die allen zugutekommen. Alternativ können die Einnahmen aus der CO2-Bepreisung an die Bürger:innen in Form eines Klimageldes ausbezahlt werden. Wenn so die staatlichen Einnahmen rückvergütet und dabei gleichmäßig an alle verteilt werden, profitieren diejenigen am meisten, die wenig CO2-Emissionen verursachen und daher wenig CO2-Steuern zahlen. Sie erhalten gewissermaßen Geld ausbezahlt, das sie nie ausgegeben haben. Dadurch wird Geld von Vielverbrauchern hin zu Wenigverbrauchern umverteilt. Da Menschen mit weniger Geld typischerweise weniger CO2-Emissionen verursachen, wird zusätzlich Geld von reicheren hin zu ärmeren Menschen umverteilt.

All diese mit einer CO2-Besteuerung verbundenen Effekte erfreuen sich großer gesellschaftlicher Zustimmung und zielen gleichzeitig auf systemische Veränderungen ab. Zugleich schränkt die Besteuerung nicht die Freiheit von Bürger:innen ein, was ein häufiger Einwand gegen staatliche Klimaschutzmaßnahmen ist – denn CO2-intensive Handlungen sind weiterhin erlaubt, sie werden nur eben teurer und damit unattraktiver.

Dennoch gibt es eine Reihe von Beispielen, bei denen die prinzipielle Zustimmung der Öffentlichkeit in konkrete Ablehnung umgeschlagen ist. So lehnte bei entsprechenden Volksabstimmungen beispielsweise die Mehrheit der Stimmberechtigten in der Schweiz und im US-Bundesstaat Washington CO2-Steuern ab. Die Anhebung von Treibstoffsteuern (bei gleichzeitigen Steuersenkungen für Reiche und ohne wahrgenommene soziale Ausgewogenheit) löste mit den sogenannten Gelbwesten-Protesten 2018 sogar eine anhaltende Protestwelle in ganz Frankreich aus.

 

"Das Wissen über Faktoren und Mechanismen, die Verhaltensänderungen von Menschen unterstützen können, sollte in Strategieplanung und Maßnahmengestaltung der Politik einfließen"

 

Die Beispiele zeigen: Die öffentliche Meinung kann einen systemischen Wandel durchaus be- und verhindern. Um öffentliche Unterstützung für Klimaschutzmaßnahmen zu schaffen, muss die Öffentlichkeit nicht nur verstehen, dass die Emissionen auf Null gebracht werden können. Sie muss auch verstehen, welche Strategien dafür geeignet sind, welche weiteren Vor- und Nachteile sich aus diesen Strategien ergeben und wie sich Gesellschaften an den Klimawandel anpassen können. Eine Einbeziehung der Perspektive der Bürger:innen in die Politikgestaltung kann auch dazu beitragen, dass sich die Menschen einbezogen fühlen, gleichbehandelt und nicht diskriminiert werden.

An dieser Stelle sind also verhaltenswissenschaftliche Ansätze notwendig, um die Klimapolitik mit evidenz-basierten Hinweisen zu unterstützen, wie Menschen auf Politikmaßnahmen reagieren, wie Begleitkommunikation Maßnahmen effektiver machen kann, wie man Wissenslücken schließen und Fehlinformationen entgegenwirken kann. Das Wissen über die Faktoren und Mechanismen, die Verhaltensänderungen unterstützen können, sollte bereits in die Strategieplanung und Maßnahmengestaltung fließen. Studien etwa aus der Psychologie oder anderen Verhaltens- und Sozialwissenschaften sowie verhaltenswissenschaftliche Monitorings können hierbei eine entscheidende Rolle spielen.

Hierzu ein weiteres Beispiel, diesmal aus der Schweiz: Dort werden schon seit Jahren Teile der CO2-Steuereinnahmen als Klimageld umverteilt. Um es auszuzahlen, wird der Betrag einfach von den (Pflicht-)Krankenversicherungsprämien abgezogen. Bei diesem Vorgehen jedoch wussten überhaupt nur zwölf Prozent der Bevölkerung, dass sie Klimageld erhalten. Eine Meinungsumfrage nutzte dann ein großangelegtes Experiment, bei dem die Hälfte der Teilnehmer Informationen darüber erhielt, wie das Klimageld funktioniert und wieviel Geld sie durch diese Maßnahme sparen. Die andere Hälfte bekam keine Informationen. Die Ergebnisse zeigten, dass eine derartige Information über das Klimageld die Akzeptanz einer CO2-Steuer erhöhen könnte. Damit Menschen wissen, dass sie ein "Klimageld" erhalten, muss es also auf eine Weise an sie zurückgeleitet werden, die ihre Aufmerksamkeit erregt.

Es fehlen verhaltenswissenschaftliche Datenzentren

Die Gründung von verhaltenswissenschaftlichen Datenzentren hat durch die COVID-19-Pandemie einen Schub erfahren. In manchen Ländern (beispielsweise in den Niederlanden oder Finnland) wurden Strukturen aufgebaut, um verwertbare Verhaltensdaten aus verschiedenen Quellen zu sammeln, um hiermit dann die politische Entscheidungsfindung und Kommunikation im Zusammenhang mit COVID-19 zu informieren. In Deutschland lieferte das „COVID-19 Snapshot Monitoring“ (COSMO) regelmäßig aktuelle Erkenntnisse über das Wissen, die Risikowahrnehmung, das Schutzverhalten und das Vertrauen der Menschen. Dies ist nur ein Baustein und sollte durch Dialogformate, Social (Media) Listening-Methoden und andere Studien6 ergänzt werden. Idealerweise werden die Datenzentren in nationalen Forschungsinstituten oder Agenturen an der Schnittstelle zwischen Wissenschaft und Politik eingerichtet.

Datenzentren führen die Öffentlichkeit, Wissenschaft und Politik zusammen: Im Dialog mit politischen Entscheidungsträgern werden auf der Basis aktueller politischer Herausforderungen und Fragen zur politischen Entscheidungsfindung und Kommunikation Wissenslücken identifiziert. So kann beispielsweise untersucht werden, warum unterschiedliche Bevölkerungsgruppen eine Maßnahme unterschiedlich stark unterstützen. Daraus lassen sich Empfehlungen für unterstützende Begleitkommunikation über die wissenschaftlichen Hintergründe von Maßnahmen ableiten (z.B. zu den Mechanismen des Klimawandels).

An den verschiedenen Studientypen, Panels und Dialogformaten beteiligen sich die breite Öffentlichkeit, spezifische Zielgruppen und relevante Berufsgruppen. Dies erlaubt es sowohl der Politik als auch der Wissenschaft, Strategien und Maßnahmen mit Rücksicht auf verschiedene Beteiligte und Betroffene zu entwickeln. Die Monitorings beleuchten Aspekte und Einflussfaktoren individuellen und kollektiven Handelns, um das Verständnis der wissenschaftlichen Grundlagen der Politik zu fördern und die Gestaltung von politischen Rahmenbedingungen zu verbessern.

 

"Durch die Covid-19-Pandemie erhielt die Gründung verhaltenswissenschaftler Datenzentren einen Schub. Die WHO etwa empfahl ein regelmäßiges Monitoring der Risikowahrnehmung, des Wissens, der Einstellungen, oder auch kursierender Falschinformationen"

 

Die aus dieser Forschung gewonnenen Erkenntnisse über menschliches Verhalten – beispielweise, dass viele Menschen unterschätzen, wie stark die Bevölkerung verschiedenen Klimaschutzmaßnahmen zustimmt, und dass die Kommunikation solcher Normen Klimaschutz wiederum erhöhen kann – können in die Politikgestaltung, die Umsetzung von Maßnahmen und begleitende Kommunikationskampagnen einfließen. Auf diese Weise verbinden Datenzentren politische Entscheidungsträger und die Öffentlichkeit durch Erkenntnisse darüber, was menschliches Verhalten beeinflusst und verändert.

Eine Aufgabe verhaltenswissenschaftlicher Datenzentren ist es, regelmäßig große Längsschnittpanels oder serielle Querschnittsstudien durchzuführen, um die Akzeptanz politischer Maßnahmen, die Einflussfaktoren und deren potenzielle Veränderungen im Zeitverlauf zu bewerten. Beispielsweise empfahl die Weltgesundheitsorganisation (WHO) während der COVID-19-Pandemie ein regelmäßiges Monitoring der Risikowahrnehmung, des Wissens, der Einstellungen, selbstberichteter Verhaltensweisen, des Vertrauens, der psychischen Belastungen und der kursierenden Falschinformationen. Das Ziel war, gesundheitspolitische Maßnahmen zu etablieren, die von der Bevölkerung tatsächlich verstanden, akzeptiert und effektiv umgesetzt werden können. Wenn etwa das Wissen über Übertragungswege gering ist oder wenn man der Sicherheit der Impfstoffe nicht vertraute, konnte man sich weniger gut schützen. Wenn politische Entscheidungen getroffen werden sollen (zum Beispiel in Bezug auf eine Maskenpflicht oder Schnelltests), können auch zusätzlich experimentelle Studien oder Conjoint-Analysen in Umfragen integriert werden, um die sozialen und verhaltensbezogenen Folgen solcher Maßnahmen zu untersuchen.

Um Klimaschutz zu verbessern, ist es entscheidend, auch rund um das Thema Klimawandel solche situationsspezifischen, großangelegten Daten zu sammeln. Die Datenzentren sollten verschiedene Facetten der Handlungsbereitschaft der Bevölkerung analysieren – das heißt, die öffentliche Unterstützung oder Ablehnung von Emissionsminderungs- und Klima-Anpassungsmaßnahmen, die individuelle Bereitschaft zu klimafreundlichem Handeln und die Bereitschaft zur Teilnahme an politischen Prozessen (z. B. wie bei der Planetary Health Action Survey, kurz: PACE; siehe Kasten).

Die Einrichtung verhaltenswissenschaftlicher Datenzentren zu Klimaschutz soll dazu beitragen, bei der Gestaltung von Klimapolitik die Einstellungen, das Vorwissen und die möglichen Reaktionen der Öffentlichkeit optimal zu berücksichtigen. Damit solche Einrichtungen ihr volles Potenzial entfalten können, sind fünf Punkte wichtig:

  • Es ist absolut entscheidend, dass Datenobservatorien theoriebasiert und theorietestend arbeiten. Das heißt konkret: Eine psychologische Theorie würde hierbei einen vermuteten Wirkungszusammenhang beschreiben, etwa: ‚Wenn sich durch eine Kommunikation die Risikowahrnehmung verändert, kann damit die Verhaltensintention erhöht werden.‘ Nur wenn mögliche Wirkungen theoretisch klar benannt werden, lässt sich anschließend auch überprüfen, ob die beschriebenen Effekte tatsächlich eintreffen. Und nur auf dieser Grundlage lassen sich dann Empfehlungen ableiten, was in der praktischen Kommunikation künftig beachtet werden sollte. Auf diese Weise werden verallgemeinerbare Forschungserkenntnisse geschaffen und Politikberatung kann sowohl auf Evidenz als auch auf Theorie aufbauen.
  • Zweitens sollten die Datenzentren regelmäßig Daten sammeln, um Veränderungen im Laufe der Zeit zu erkennen. Dies ermöglicht es Forschung und Politik, relevante Themen und Spannungen zu identifizieren  – beispielsweise mit Blick auf Barrieren und Anreize bei der Gaseinsparung in der Energiekrise in Europa.
  • Drittens sollten Datenzentren das Verhältnis zwischen Politik und Gesellschaft abbilden, beispielsweise wie sich das Vertrauen in staatliche Stellen im Laufe der Zeit entwickelt oder wie Narrative aus Kampagnen in öffentlichen Diskussionen aufgegriffen werden.
  • Viertens sollten die Studien Forschungsstände aller relevanten Bereiche einbeziehen, darunter nicht nur Verhaltenswissenschaften wie Psychologie oder Ökonomie, sondern auch Klimawissenschaften. Es ist also interdisziplinäre Expertise notwendig.
  • Fünftens sollten die Forschungsfragen aktuelle politische und öffentliche (Medien-) Diskussionen aufgreifen.

Das Beachten dieser Merkmale unterscheidet Datenzentren von vielen repräsentativen demoskopischen Umfragen, die im Auftrag von Medienunternehmen, Regierungsstellen oder anderen Akteuren ad hoc entstehen.

Wobei Datenzentren konkret helfen könnten

Ist ein breites Datenerhebungssystem erst einmal eingerichtet, kann ein Forschungsteam schnell auf dynamische Veränderungen der Lage reagieren – zum Beispiel könnte bei erwarteten Hitzewellen die Erhebung einen besonderen Schwerpunkt auf Hitze legen und Wissenslücken und relevante Zielgruppen für Hitzeschutzmaßnahmen ermitteln. Dies würde eine situationsbezogene öffentliche „Hitze-Kommunikation“ ermöglichen, die aktuell und optimal auf die Lebens- und Alltagssituation derjenigen abgestimmt ist, die besonders hilfebedürftig sind oder die eine besonders große Verantwortung für den Schutz vulnerabler Bevölkerungsgruppen tragen.

Zu verschiedenen Zeitpunkten erhobene Daten können auch genutzt werden, um mögliche Veränderungen im Wissen, in der Selbstwirksamkeit oder im Vertrauen zu erkennen. Ein möglicher Anwendungsfall wäre zum Beispiel, die nach dem Ende der russischen Gaslieferungen von der deutschen Bundesregierung gestartete Energiesparkampagne „80 Millionen gemeinsam für Energiewechsel“ auf ihre Wirksamkeit hin zu überprüfen.

In reichweitenstarken TV-Talkshows wird seit einiger Zeit intensiv über Maßnahmen zum Klimaschutz debattiert – inwieweit die Gäste dabei ein repräsentatives Bild der Gesellschaft und ihrer Ansichten zeichnen, bleibt offen; Screenshot: Carel Mohn

Wenn es darum geht, in der Bevölkerung verbreitete Einstellungen und Verhaltensmuster zu erforschen, bieten Forschungsdesigns, die eine Panelstruktur verwenden, erhebliche Vorteile. Das Entscheidende bei solchen Panelbefragungen ist, dass zu verschiedenen Zeitpunkten immer wieder die gleichen Personen befragt werden. Auf diese Weise können Veränderungen innerhalb bestimmter Personengruppen beobachtet werden. Außerdem können bei großangelegten Panelbefragungen auch einzelne Untergruppen von Probanden gezielt ausgewählt werden – beispielsweise um herauszufinden, wie sich lokale Folgen (etwa Überschwemmungen oder das Vorkommen der krankheitsübertragenden Tigermücke) oder andere klimawandelbedingte Ereignisse auswirken. Auf der anderen Seite erfordern Panels erhebliche finanzielle, organisatorische und administrative Ressourcen.

Das Monitoring von Social Media und anderen Mediendaten sowie qualitative Forschungsansätze sind zusätzlich wertvoll, um Meinungsbreite und gesellschaftlichen Konsens zu untersuchen. Idealerweise vereinen Datenobservatorien Daten aus unterschiedlichen Quellen und machen sie für Politikberatung und Gesundheits- und Klimakommunikation nutzbar.

In ihrem Bericht über Verhaltenserkenntnisse und Politikgestaltung kommt die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) zu dem Schluss, dass das Nutzen verhaltens- und sozialwissenschaftlicher Erkenntnisse die Wirksamkeit politischer Maßnahmen in vielen Bereichen tatsächlich verbessern kann. Dies gilt insbesondere auch für den Klimaschutz. Man könnte dagegenhalten, dass wir aus der Forschung doch bereits heute genug darüber wissen, wie Klimaschutzpolitik gestaltet und kommuniziert werden sollte. Doch staatlich finanzierte verhaltenswissenschaftliche Datenzentren würden den routinemäßigen Einsatz von Tools ermöglichen, die zeigen, wie unterschiedliche Bevölkerungsgruppen im Hier und Heute auf geplante Klimaschutzmaßnahmen reagieren würden, an welchen Stellen ein Informations- oder Erklärungsbedarf besteht und welche Folgen für bisher „übersehene“ Bevölkerungsgruppen mit bedacht werden sollten

Wie lassen sich politische Abhängigkeiten vermeiden?

Verhaltenswissenschaftliche Datenzentren bringen einige Herausforderungen mit sich. Zum einen sind repräsentative Panelbefragungen kostspielig. Zum anderen sollte sich die Forschung an den Bedürfnissen der politischen Entscheidungsfindung orientieren, gleichzeitig aber politisch unabhängig sein. Dies ist für das Vertrauen der Öffentlichkeit in die Daten entscheidend. Forschende, die in Datenzentren arbeiten, müssen ihre Studien gemäß international vereinbarter wissenschaftlicher Praktiken durchführen können. Sie müssen ergebnisunabhängig Daten und Erkenntnisse veröffentlichen und teilen dürfen. Und sie müssen die wissenschaftliche Freiheit haben, alle wissenschaftlichen Fragen zu den Themen zu stellen und zu beantworten, die in den Zuständigkeitsbereich des Zentrums fallen.

Die Verhaltensforschung beschäftigt sich seit Jahrzehnten mit dem Thema individueller Verhaltensänderungen. Ihre Erkenntnisse gilt es für mehr Klimaschutz nutzbar zu machen. Eine Politik, die sich auf verhaltenswissenschaftliche Erkenntnisse stützt, sollte sich hierbei auf replizierte und in Metaanalysen zusammengefasste Erkenntnisse stützen. Eine weitere Aufgabe der Datenzentren ist es daher, sämtliche als gesichert geltenden Erkenntnisse bereitzustellen und für die Klimapolitik und andere Klimaschutzakteure verständlich und anwendbar aufzubereiten. Generell gilt: Klimapolitische Entscheidungen sollten unter Berücksichtigung der „besten derzeit verfügbaren Evidenz“ getroffen werden, wobei die Qualität der Evidenz zu berücksichtigen und stetig zu verbessern ist.

Trotz der Kosten für derartige verhaltenswissenschaftliche Datenzentren überwiegt aus unserer Sicht der Nutzen, den solche Datenzentren für die Verbesserung der Klima- und Gesundheitspolitik haben können deutlich die Kosten – vorausgesetzt, die oben benannten Herausforderungen werden gelöst. Zusätzlich zu den Strukturen, die eine Datenerhebung ermöglichen, sollte der Austausch zwischen Wissenschaft, Politik und Verwaltung gefördert werden, um endlich die tatsächliche Nutzung und Umsetzung der bestehenden Evidenz zu ermöglichen.

Der Artikel ist eine umfassend überarbeitete und ergänzte Fassung eines in Nature Human Behaviour veröffentlichten Artikels der beiden Autorinnen (Nature Human Behaviour, Jg. 6 (November 2022), S. 1444–1447)
Autorinnenfotos: Institute for Planetary Health Behaviour/Uni Erfurt