Als im Juni ein Tornado durch Hamburg fegte, ging ein Raunen durch die sozialen Medien. Eine Windhose in Norddeutschland ist nicht nur ein außergewöhnliches  Ereignis, sondern lässt die prognostizierte Häufung von Extremwettern durch den Klimawandel schon heute spürbar und real werden. Denn normalerweise scheinen ja die Folgen des Klimawandels weit weg zu sein: Dürren in Afrika, Zyklone im Pazifik, Korallenbleiche vor Australien - solche Nachrichten machen die Erderwärmung für viele Menschen zu einem abstrakten Problem, deren Wirkungen irgendwo anders auf der Welt oder erst in ferner Zukunft spürbar werden. Forscher der University of New England im australischen New South Wales fanden heraus, dass diese psychologische Distanz der Menschen zur globalen Erwärmung ihre Handlungsbereitschaft stark beeinflusst. Ihre Ergebnisse publizerten sie kürzlich im Fachjournal Risk Analysis.

Simple aber nützliche Erkenntnis: Sind Probleme zu abstrakt, steigt die Passivität

Psychologische Distanz zu einem Problem entsteht, wenn es zeitlich, räumlich oder auch kulturell zu weit vom Empfänger entfernt ist oder zu sein scheint. Geht man beispielsweise davon aus, dass der Klimawandel ein Phänomen sei, das nur sehr langsam stattfindet und Deutschland erst in ein paar Jahrzehnten oder Jahrhunderten treffen wird, erzeugt das einen gewissen geistigen Abstand – die psychologische Distanz.

Welche Auswirkungen genau dieses Phänomen hat, dazu hat die Forschungsgruppe für Umweltpsychologie um Professor Don Hine rund 330 australische Bürger befragt und sie in zwei Gruppen eingeteilt, denen das Thema Klimawandel jeweils unterschiedlich vermittelt wurde. "Wenn wir die Leute mit Botschaften konfrontierten, die die psychologische Distanz erhöhten, dann waren sie unbeteiligter und zeigten sich weniger motiviert selbst aktiv zu werden",  erklärten die Forscher ihre Ergebnisse in einem Beitrag für die britische Tageszeitung The Guardian. Reduzierten sie hingegen mittels veränderter Darstellung des Klimawandels die psychologische Distanz zum Thema, waren die Befragten eher bereit, ihren Alltag zu ändern oder sich öffentlich für den Klimaschutz zu engagieren – sei es über Spenden oder die Mitgliedschaft in Umweltgruppen.

In anderen Worten: Je nachdem, wie zum Klimawandel kommuniziert wird, hat das einen Einfluss auf die gefühlte Distanz zum Thema - und damit auch direkt auf die Bereitschaft, selbst aktiv zu werden. Die psychologische Distanz wird dabei von geographischen, kulturellen, zeitlichen und sozialen Faktoren bestimmt.

Mit Kommunikation gezielte Nähe oder Distanz schaffen

Ein aktueller Fall für die Erhöhung der psychologischen Distanz ist der Streit um den Unesco-Bericht über die Folgen des Klimawandels für Welterbestätten: Der im Mai veröffentlichte Bericht befasst sich mit Klimaschäden an Kultur- und Naturdenkmälern. Mit der Begründung, sie wolle Schäden von der Tourismusindustrie abwenden, verlangte die australische Regierung, alle Bezüge zur Bedrohung des Great Barrier Reef vor Australien aus dem Bericht zu tilgen.

"Das ist ein gutes Beispiel dafür, wie man geographische und kulturelle Distanzen erhöht", kommentieren die Forscher. "Die Botschaft ist: Der Klimawandel fördert vielleicht das Korallensterben, aber zum Glück nicht bei uns in Australien." Sind die Folgen nicht sichtbar oder verschleiert, fördere das auch die zeitliche Distanz, indem das australische Korallensterben als künftiges und damit nicht dringliches Problem gedacht wird, so Don Hine und Aaron Driver im Guardian.

Obwohl die psychologische Distanz eine der größten Ursachen für Untätigkeit und Passivität bei vielen Menschen ist, wagen die Studienautoren einen positiven Ausblick: Immerhin wisse man nun, dass die Berichterstattung über Umweltzerstörung und Klimaveränderung wirksam sein kann. Lesen Menschen Artikel oder sehen sie Fotos und Filme von den gravierenden Folgen, wie beispielsweise der Korallenbleiche vor der australischen Küste, dann steigt auch ihre Betroffenheit und damit die Überzeugung, aktiv zu werden. In der konkreten Art und Weise, wie der Klimawandel kommuniziert wird, so die Psychologen der University of New England, liegt damit auch die Chance zur Veränderung. 

sg