Bei einer Impfung wird die Abwehrfähigkeit eines Menschen gegenüber ansteckenden Krankheiten dadurch erhöht, Krankheitserreger vorsorglich in kleinen Dosen verabreicht zu bekommen - das Immunsystem wird dadurch auf eine reale Infektion quasi trainiert. Die Wirkung medizinischer Schutzimpfungen ist wissenschaftlich belegt - aber offenbar funktioniert das Prinzip nicht nur gegen grassierende Viren, sondern auch gegen Falschinformationen. Das berichtet ein Team um den britischen Psychologen Sander van der Linden in einem Aufsatz in der Fachzeitschrift Global Challenges. "Öffentliche Einstellungen zum Klimawandel können durch 'Impfen' wirksam gegen Falschinformationen geschützt werden", lautet ihr Fazit.
Van der Linden forscht an der britischen Universität Cambridge, seine Mitautoren waren Edward Maybach von der George Mason University im US-Bundesstaat Virginia sowie Anthony Leiserowitz und Seth Rosenthal vom Programm für Klimawandelkommunikation an der Yale University im US-Bundesstaat Connecticut. Ein ähnliches Team hatte in früheren Untersuchungen bereits herausgefunden, dass es das wirksamste Mittel gegen Falschinformationen zum Klimawandel ist, wenn Menschen um die weitgehende Einigkeit unter Experten wissen: Dass rund 97 Prozent der Fachwissenschaftler vom menschengemachten Klimawandel überzeugt sind, sei sogar eine Art "Türöffner"-Information, nach der man dann auch andere Klimafakten erfolgreich vermitteln könne.
Attacken auf den Forscherkonsens zum Klimawandel sind besonders effektiv
In der aktuellen Studie untersuchten die Forscher, wie sich die Wirkung von Falschinformationen zum Klimawandel entschärfen lässt. Diese werden, wie andere Arbeiten zeigen, häufig aus politischen und wirtschaftlichen Gründen gezielt kreiert und verbreiten sich oft rasant in Teilen der Bevölkerung. In einer ersten Teilstudie ermittelte das Forscherteam durch eine Befragung von tausend repräsentativ ausgewählten US-Bürgern, welches die "wirksamste" Desinformation zur Klimaforschung ist, also welche bei den Probanden am meisten Verwirrung stiftete.
Ergebnis: die sogenannte "Oregon-Petition", derzufolge angeblich mehr als 30.000 Wissenschaftler den Erkenntnissen zum Klimawandel widersprechen. Wurde jemandem von dieser Petition erzählt, sank schlagartig das Vertrauen in Erkenntnisse der Klimaforschung. (Bei genauer Betrachtung zeigt sich die Irrelevanz der Petition, beispielsweise kamen praktisch alle Unterzeichner aus sachfremden Disziplinen, waren zum Thema Klimawandel also gar nicht kompetent.) In einer zweiten Teilstudie (mit mehr als 2100 Probanden) wurde dann getestet, ob und wie sich die destruktive Wirkung dieser Petition entschärfen lässt.
Seit einigen Jahren kursiert unter Forschern die Idee, dass man die Öffentlichkeit quasi vorwarnen solle - also präventiv über Strategien informiert, mit denen Verwirrung rund um den Klimawandel gestiftet wird. Ob ein solches "Impfen" mit Informationen tatsächlich funktioniert, war allerdings noch nicht praktisch untersucht worden. Das Team um van der Linden hat diese Erkenntnislücke nunmehr geschlossen. Dazu teilte es seine Probanden in vier verschiedene Gruppen ein, von denen eine nur die Information zum 97-Prozent-Konsens bekam, eine zweite zusätzlich die Information zur "Oregon-Petition". Eine dritte wurde zuvor darüber informiert, dass Lobbygruppen mit geschickten Mitteln den Konsens bestreiten, eine vierte schließlich wurde konkret über diese spezielle Petition und deren Mängel aufgeklärt .
Präventive Aufklärung über die Strategien von Desinformations-Kampagnen
Die Resultate zeigten deutlich, dass das "Impfen" funktionierte. Probanden, die prophylaktisch über Desinformationsstrategien informiert wurden, ließen sich tatsächlich viel weniger verwirren als Probanden, die keine Vorwarnung empfangen hatten. Bemerkenswert war zudem, dass auf diese Weise Personen aller politischer Richtungen erreicht wurden, also auch Konservative, die laut anderen Studien besonders häufig an den Erkenntnissen der Klimaforschung zweifeln bzw. für verwirrende Botschaften besonders empfänglich sind. Das "Impfen" sei daher "ein vielversprechender Ansatz", um die Wirkung verwirrender Informationen zum Klimawandel zu begrenzen.
Für die Praxis formulierten die Autoren denn auch einen klaren Rat: "Wann immer möglich, sollte die Informationen über den Forscherkonsens zum Klimawandel begleitet werden von einer Warnung, dass politisch oder ökonomisch motivierte Akteure die Befunde der Wissenschaft zu unterminieren suchen. Zusätzlich sollte der Öffentlichkeit in Grundzügen erklärt werden, wie solche Desinformations-Kampagnen funktionieren, um diese präventiv zu widerlegen."
Toralf Staud