Wenn die Klimakrise ein weltweites Problem ist und der notwendige Umbau von Wirtschaft und Gesellschaft eine globale Aufgabe, dann sollte auch die Forschung zur nötigen Kommunikation international sein. Und nicht nur – wie so oft – aus Westeuropa oder den USA stammen. Unter diesem Motto haben etwa 250 Forschende bei einer neuen Untersuchung ihren Probanden in 63 Ländern die gleichen Fragen vorgelegt. Sie testeten, welche psychologischen Interventionen welchen Einfluss darauf haben, wie die Menschen auf die Erderhitzung reagieren.
Organisiert wurde die Vergleichsstudie von den Psychologinnen Madalina Vlasceanu von der New York University und Kimberly Doell von der Universität Wien. Von Norwegen bis Südafrika, von den Philippinen über Kenia bis Ecuador haben fast 60.000 Personen mitgemacht, allerdings waren nur wenige der nationalen Gruppen einigermaßen repräsentativ ausgewählt. Aus Deutschland, der Schweiz und Österreich stammten etwa 3000 der Probanden.
Fast 60.000 Menschen aus 63 Staaten weltweit beteiligten sich an der Untersuchungen; je dunkler die Farbe auf der Karte, desto höher die Zahl der Probanden von dort; Quelle: Vlasceanu et al. 2024
Die Idee war, Klarheit zu schaffen: Bisher kursieren sehr viele Hinweise, wie man Menschen in Sachen Klima erreicht, von der Realität des Klimawandels überzeugt sowie ihre Unterstützung politischer Maßnahmen oder persönlicher Verhaltensänderung anregt. Aber was in welchem Fall geeignet ist – oder was gar besser funktioniert als etwas anderes –, dazu fehlte bisher ein Überblick: Ist es zum Beispiel eine gute Idee, das Publikum in drastischen Worten vor kommenden Klima-Gefahren zu warnen? Erreicht man mehr, wenn man die Einigkeit der Wissenschaft über die Basisfakten zum Klimawandel betont? Oder wenn man Menschen erklärt, dass sie mit ihrem Wunsch nach mehr Klimaschutz zu einer (oft leisen) Mehrheit gehören, also ungeahnte und ungenutzte politische Macht besitzen? Manche Metastudie suchte bereits nach dem besten Ansatz, ohne zu berücksichtigen, dass eine bestimmte Kommunikations-Methode auch zur jeweiligen Situation passen muss.
„Alles in allem ist die Öffentlichkeit bereit und räumt dem Klimaschutz hohe Priorität ein“
Kimberly Doell, Universität Wien
Insgesamt elf sogenannte Interventionen hat das internationale Forschungsteam um Vlasceanu und Doell ihren Probanden überall auf der Welt vorgelegt. Herausgekommen ist einerseits eine wissenschaftliche Studie, die die Ergebnisse des globalen Vergleichs darstellt. Und andererseits eine Webseite, die es erlaubt, die Resultate nach Ländern, demografischen Kriterien und/oder politischer Einstellung der Befragten gefiltert auszuwerten. „Die Ergebnisse machen deutlich, dass wirksame Öffentlichkeitsarbeit von der Überzeugung der Menschen über den Klimawandel abhängt“, sagt Madalina Vlasceanu. „Und sie zeigen, dass Politiker und Aktivisten ihre Kommunikation auf die Merkmale ihrer Zielgruppe abstimmen müssen.“
Im Werkzeugkasten: Schwarzmalerei, soziale Normen oder Perspektivwechsel
Gestartet hatte das Forschungsteam aus New York und Wien die globale Studie mit einem Aufruf. Wer sich beteiligen wollte, konnte entweder Vorschläge für zu testende Interventionen einreichen, nationale Umfragen mit jeweils mindestens 500 Beteiligten vorbereiten oder Forschungsmittel für andere, weniger gut ausgestattete Teams bereitstellen. Aus den eingehenden Empfehlungen destillierten Vlasceanu und Doell dann die elf getesteten Ansätze.
- Darunter waren einige viel diskutierte Klassiker: über den Konsens der Wissenschaft informieren, der schweigenden Mehrheit ihre Macht zeigen, auf erfolgreiche Beispiele von kollektiven Maßnahmen zum Umwelt- oder Klimaschutz hinweisen (etwa auf erfolgreiche Massenproteste oder globale Verträge wie das Montreal-Protokoll von 1987 zur Bekämpfung des Ozonlochs) oder die psychologische Distanz zu den Klimawandelfolgen reduzieren, die eben nicht in der Zukunft und weit entfernt passieren, sondern bereits jetzt und hier;
- mehrere andere Interventionen setzten darauf, den Menschen die Klimawandelfolgen genauer zu erklären. Einmal mit Alarmismus und drastischen Warnungen, oft als „doom and gloom“ (Schwarzmalerei; wörtlich übersetzt: Unheil und Finsternis) beschrieben, wie es zum Beispiel der Bestseller „Die unbewohnbare Erde“ von David Wallace-Wells versuchte. Und dann mit zwei Varianten, in denen klimagerechtes Handeln als nationale Stärke oder als patriotische Reaktion auf die Bedrohungen dargestellt wurde;
- zwei Ansätze machten Klimaschutz zu einer sozialen Angelegenheit. „Immer mehr Menschen“, hieß es bei einer Intervention, würden ihn ernstnehmen und voranbringen – eine sogenannte dynamische soziale Norm, die Menschen zum Mitmachen animieren soll. In anderen Fall erfuhren die Probanden, dass sie mit Landsleuten zusammenarbeiten könnten;
- in zwei Fällen schließlich wurden die Teilnehmer:innen gebeten, eine andere zeitliche Perspektive einzunehmen. Sie sollten entweder einen Brief an ein Kind schreiben, das diesen in 25 Jahren zu lesen bekommt. Oder sich vorstellen, sie selbst würden einen Brief aus der Zukunft an ihr heutiges Ich schicken. In beiden Fällen sollte das Thema sein, was sie selbst gemacht haben – oder hätten machen sollen –, um die Lebensbedingungen zu schützen.
Die Befragten überall auf der Welt wurden zufällig einer dieser elf Interventionen zugeteilt oder einer Vergleichsgruppe, die einfach nur eine Passage aus einem Roman von Charles Dickens zu lesen bekam. Dann mussten alle Probanden einige Fragen beantworten: ob sie die Erkenntnisse der Wissenschaft zur menschengemachten Erderhitzung akzeptieren (also „an den Klimawandel glauben“), ob sie politische Maßnahmen wie eine CO2-Abgabe unterstützen und ob sie bereit wären, auf einer Social Media-Plattform vom eigenen Account eine Botschaft zur Reduktion des Konsums von Fleisch und Molkereiprodukten zu posten.
Zum Abschluss konnten alle Befragten noch eine als freiwillig deklarierte Denksportaufgabe absolvieren: Wenn sie auf bis zu acht Seiten voller zweistelliger Zahlen alle markierten, bei denen die Zehnerstelle gerade und die Einerstelle ungerade war (also zum Beispiel 21 oder 67), sollte dafür pro abgearbeiteter Seite ein Baum gepflanzt werden. Tatsächlich kamen so 333.000 Setzlinge zusammen. Etwa 15 Minuten dauerte der gesamte Test im Durchschnitt.
"Jetzt müssen Politik und Kommunikator:innen zusammenarbeiten"
Die Gesamtheit der Antworten überraschte die Forscher:innen dann zunächst. „Es gab auf globalem Maßstab eine überwältigende Mehrheit für Klimaschutz“, sagt Kimberly Doell. Das Niveau der Zustimmung zu den Ergebnissen der Wissenschaft und den Maßnahmen der Politik war im Durchschnitt sehr hoch: 87 bzw. 72 Prozent. „Alles in allem ist die Öffentlichkeit bereit und räumt dem Klimaschutz hohe Priorität ein“, ergänzt Doell. „Jetzt müssen Politik und Kommunikator:innen zusammenarbeiten, um die Reduktion der Emissionen voranzubringen.“
Für die Studie zogen die hohe Zustimmungsraten aber auch ein methodisches Problem nach sich: Sie ließen wenig Luft nach oben für deutliche Steigerungen und damit für Effekte der getesteten Interventionen. Daher lieferte der globale Vergleich verhältnismäßig ernüchternde Ergebnisse. Der „Glauben an den Klimawandel“ ließ sich vor allem dadurch steigern, dass die psychologische Distanz reduziert und auf kollektive Maßnahmen hingewiesen wurde. Auch die beiden Interventionen mit dem Perspektivwechsel waren hier erfolgreich. Aber egal, was die Forschenden den Probanden vorlegten – in allen Fällen ging es mit der Zustimmung um höchstens gut zwei Prozentpunkte nach oben. Ähnlich war es bei der Unterstützung der Klimapolitik: Hier waren die gleichen vier, eben genannten Interventionen wirksam – zwar in anderer Reihenfolge, aber in der gleichen (eher geringen) Größenordnung.
Die Bereitschaft hingegen, einen Social-Media-Post über Fleischkonsum und Milchprodukte abzuschicken, nahm im Vergleich zur Kontrollgruppe durch jede der elf Interventionen zu; den größten Effekt hatten drastische Warnungen mit zwölf Prozentpunkten Zunahme. Dies widerspricht eigentlich vielen anderen Erkenntnissen. Und tatsächlich lässt sich dieser Befund eben nicht als Beleg interpretieren, dass Angstmachen unter allen Umständen eine gute Kommunikationsstrategie sei. Denn beim „Glauben an den Klimawandel“ und der Politik-Unterstützung hatte dieser Ansatz keinen erkennbaren Effekt. Vielmehr konnten die Probanden vermutlich die negativen Gefühle, die die „Doom and Gloom“-Intervention ausgelöst hatte, mit einer eher unbedeutenden Handlung abbauen: der prinzipiellen Bereitschaft zum Versenden der Botschaft.
Ein Klassiker der Klimakommunikation: "Consensus Messaging", also das Informieren über den wissenschaftlichen Konsens zum Klimawandel (hier auf dem FridaysForFuture-Sommerkongress 2019 in Dortmund); Foto: Carel Mohn
Auf das Pflanzen von Bäumen schließlich hatte keine der Interventionen einen positiven Einfluss. Hier reduzierte sich sogar die Bereitschaft, an der Aufmerksamkeits-Aufgabe weiter teilzunehmen, wenn negative Emotionen geweckt oder die psychologische Distanz reduziert wurde. Allerdings war das Niveau der Beteiligung dennoch hoch: Im Mittel bearbeiteten die Probanden mehr als fünf der Seiten; die Hälfte machte erst Schluss, als sie alle acht fertig hatte.
„In den Daten steckt so viel Information“, lobt Anne van Valkengoed von der Universität Groningen, die an der Studie nicht beteiligt war, die Arbeit. „Und es ist wirklich gut, dass die Forschungsgruppe ihre Befragung in so vielen Ländern gleichlautend und mit methodischer Strenge gemacht hat.“ Oft erschwerten ja leicht unterschiedliche Definitionen und Messungen den Vergleich.
Allerdings hätte sich die Psychologin aus den Niederlanden auch gewünscht, dass das große Forschungsteam genauer auf die „psychologischen Zahnräder blickt, die man mit den Interventionen dreht“. Außerdem fehlt ihr ein klarerer Fokus auf die Frage, welche Intervention man warum bei wem in welcher Situation bevorzugen sollte. Sie selbst hatte dazu 2022 mit zwei Kolleg:innen eine entsprechende Studie vorgelegt.
Wer soll angesprochen werden? Links oder rechts, alt oder jung?
Auf die Frage, welcher Ansatz wann geeignet ist, findet man Antworten eher auf der Webseite zu der Studie. Hier lassen sich die nicht ganz endgültig bearbeiteten Daten nach Herkunft und Eigenschaften der Befragten filtern. So zeigt sich zum Beispiel, dass in den deutschsprachigen Ländern die Akzeptanz wissenschaftlicher Erkenntnisse und politischer Maßnahmen im internationalen Vergleich etwas unterdurchschnittlich ausgeprägt sind. Erstere lässt sich allenfalls marginal über das Reduzieren der psychologischen Distanz steigern, letztere nur durch den Verweis auf frühere kollektive Maßnahmen.
Andere Interventionen, die im globalen Vergleich etwas bringen, sind im D-A-CH-Raum unwirksam oder gar kontraproduktiv. Bei der Bereitschaft, etwas in Sozialen Netzwerken zu posten, reagierten Befragte in diesem Teil der Welt hingegen viel stärker auf fast alle Ansätze. Und selbst die Teilnahme am Aufmerksamkeits-Test zum Bäumepflanzen ließ sich hier mit einem Verweis auf nationales Pflichtgefühl steigern.
Die drei Länder zusammenzufassen, kann aber auch wichtige Unterschiede überdecken, sagt Kimberly Doell: „In Österreich war bei dieser letzten Aufgabe die Intervention zur Reduktion der psychologischen Distanz am wirksamsten – aber in Deutschland hat sie die Bereitschaft reduziert, sich mehr Mühe mit dem umweltfreundlichen Sortieren der Zahlen zu geben.“
Je weiter rechts die Befragten politisch stehen, desto weniger ist bei ihnen durch die kommunikativen Interventionen zu holen.
Fängt man dann noch an, die politische Neigung in sozialen und wirtschaftlichen Fragen, das Bildungsniveau oder die Selbsteinschätzung des sozio-ökonomischen Status einzugrenzen, bekommt man spezifischere Antworten, falls die Zahl der Probanden nicht zu klein wird. Die Trends sind nicht einfach zu beschreiben. So viel steht allerdings fest: Je weiter rechts die Befragten politisch stehen, desto weniger ist bei ihnen durch die kommunikativen Interventionen zu holen.
Ein Ansatz, der im globalen Vergleich wie im D-A-CH-Raum übrigens in kaum einer Hinsicht etwas bringt, ist die Information darüber, dass die Teilnehmer:innen der Studie zu einer schweigenden Mehrheit gehören, die sich in Demokratien eigentlich Einfluss verschaffen könnte. Allenfalls in Untergruppen lässt sich beim Spielen mit soziodemografischen Filtern ein kleiner Effekt herauskitzeln, zum Beispiel wenn Menschen in wirtschaftlichen Fragen weiter rechts stehen als in sozialpolitischen. Man erhält aber auch dann keine Erklärung dafür, warum diese Wirkung eintritt.
Umfragen zeigen stabile Mehrheiten für bessere Klimapolitik
Das enttäuschende Abschneiden dieser Intervention ändert aber nichts an der Tatsache, dass Umfrage nach Umfrage stabile Mehrheiten für eine bessere Klimapolitik belegen: zuletzt zum Beispiel eine Untersuchung des Jacques-Delors-Centre an der Berliner Hertie School. Dort zeigten 15.000 Befragte in Frankreich, Polen und Deutschland, dass im Vorfeld der Europawahlen keinesfalls ein Backlash in Klimafragen zu erkennen ist. Allerdings wünschen sich Menschen in der Mitte mehr grüne Investitionen und soziale Ausgleichsmaßnahmen für wirksame, aber eher unpopuläre Reformen wie CO2-Preise. Beides würde es ihnen erleichtern, eine ambitionierte Klimapolitik zu unterstützen. Auch diese Studie lässt sich mit einer Web-App nach individuellen Kriterien auswerten.
Noch weiter blickte Anfang Februar eine Studie mit Daten aus 125 Ländern, in der 89 Prozent der 130.000 Befragten eine intensivere Klimapolitik forderten. 86 Prozent stimmten zu, dass der Kampf gegen die Erderhitzung eine soziale Norm sein solle, die als Verhaltensregel allgemein verbreitet und durchgesetzt wird. Und mehr als zwei Drittel bekannten sogar ihre Bereitschaft, ein Prozent ihres Einkommens zum Kampf gegen die Erderhitzung beizusteuern.
Rund 69 Prozent der Weltbevölkerung wären bereit, für den Klimaschutz ein Prozent ihres Einkommens beizusteuern – interessanterweise ist die Bereitschaft in vielen ärmeren Ländern höher (dunklere Farben in der Karte) als vielen wohlhabenden; Quelle: Andre et al. 2024
Bei dieser speziellen Frage zeigten sich zwei interessante Details. Erstens: Überall unterschätzten die Befragten die Bereitschaft ihrer Mitbürger:innen deutlich, auf die Frage ebenfalls mit Ja zu antworten. In der Forschung wird dieses Phänomen als „Perception Gap“ oder „pluralistische Ignoranz“ bezeichnet. Oft machte die Differenz zwischen tatsächlichen und angenommenen Antworten 20 bis 40 Prozentpunkte aus. Das passt wiederum zu der Schweigende-Mehrheit-Diagnose, wenn Menschen einander zu wenig Kooperationsbereitschaft zutrauen.
Zweitens: In den Industrieländern lag die Bereitschaft, auf Teile des – dort viel höheren – Einkommens zu verzichten, deutlich niedriger als im sogenannten globalen Süden. In den USA, Kanada und Großbritannien zeigte sich nicht einmal jede zweite Person bereit, in Myanmar, Usbekistan und der Mongolei hingegen jeweils neun von zehn Befragten. Offenbar ist die Neigung, auf eigenes Geld zu verzichten, dort höher, wo die Folgen des Klimawandels schon hart durchschlagen. Deutschland und die Schweiz lagen bei dieser Frage nahe dem globalen Durchschnitt bei jeweils knapp 68 Prozent. In Österreich zeigten sich 73 Prozent der Befragten bereit, mit einem Hundertstel ihres Einkommens zum Klimaschutz beizutragen.
Die Studie sei damit „Anlass zur Hoffnung, dass die Staats- und Regierungschefs und Entscheidungsträger der Welt auf die Mehrheit der Bevölkerung hören und mehr Mut haben“, sagt Ilona Otto von der Universität Graz, die sich dort mit Prozessen von rapidem sozialen und politischen Wandel beschäftigt. Sie gehörte nicht zum Team der 125-Länder-Studie. „Bei der Zustimmung zu Klimaschutz könnte es sich also um ein soziales Kippelement handeln, das einen Kaskadeneffekt über alle Wirtschaftssektoren und Weltregionen hinweg haben wird.“
Mit Material vom Science Media Center