Der Klimawandel trifft Frauen unverhältnismäßig stark, weil er bestehende Ungleichheiten verstärkt. Einer Schätzung zufolge liegt die Wahrscheinlichkeit, bei Wetterextremen oder Naturkatastrophen (die infolge des Klimawandels zunehmen werden) zu sterben der verletzt zu werden, für Frauen und Kinder weltweit 14-mal so hoch wie für Männer.
Die Gründe dafür sind vielfältig und haben nicht nur mit der Physiologie zu tun, sagt die britische Gender- und Entwicklungsforscherin Alyson Brody. Frauen fühlten sich eher verpflichtet als Männer, ihre Kinder zu beschützen oder im Haus zu bleiben; Frauen könnten seltener schwimmen oder auf Bäume klettern, und ihre typische Kleidung sei eher hinderlich. Hinzukommt: In vielen ländlichen Gemeinden auf der ganzen Welt ist es die Aufgabe der Frauen, Wasser heranzuschaffen. Wird es durch eine Dürre knapp, sind es die Frauen, die weiter laufen müssen und die Belastung tragen müssen; und die dabei auch einem größeren Risiko von Gewalt und sexuellen Übergriffen ausgesetzt sind.
"Klimagerechtigkeit nur mit Geschlechtergerechtigkeit" - Demonstration am Rande des UN-Klimagipfels 2017 in Bonn; Foto: Spielvogel/WikimediaCommons
In der Klimapolitik wurde bisher kaum berücksichtigt, dass der Klimawandel die Menschen je nach Geschlecht, Rasse und Wohlstand unterschiedlich trifft. Dies ändert sich jedoch auf internationaler und nationaler Ebene: In Deutschland beispielsweise wurde unter der bisherigen Umweltministerin Svenja Schulze (SPD) ein neues Fachreferat innerhalb des Ministeriums eingerichtet, das sich auch mit dem Thema Gender und Klimawandel befasst.
Doch nicht nur bei der Betroffenheit durch die Folgen gibt es auffällige Unterschiede zwischen den Geschlechtern, auch bei deren Einstellung zum Klimawandel. So sind Studien zufolge in vielen Ländern Frauen stärker als Männer über den Klimawandel besorgt und auch eher bereit, ihren Lebensstil zu ändern. Eine US-amerikanisch-chinesische Untersuchung zeigte zum Beispiel, dass Einkaufsbeutel aus Stoff bei einigen Männern Unbehagen auslösen – sie sind besorgt, dass umweltfreundliches Verhalten oder allein schon die Farbe Grün sie unmännlich wirken lassen könnte.
Männer und Frauen maßgeschneidert ansprechen?
Matthew Ballew, Psychologe und Mitarbeiter beim Yale Program on Climate Change Communication (YCCC), hat unter anderem eine Gruppe untersucht, die er als "konservative weiße Männer" bezeichnet – sie neigen dazu, die Bedrohung durch den Klimawandel abzutun und die derzeitigen sozialen, politischen und wirtschaftlichen Verhältnisse als fair und gerecht zu verteidigen.
Ballew vertritt einen pragmatischen Ansatz, wie diese Gruppe erreicht werden kann: Klimakommunikation müsse simpel sein und gezielt. Wenn bestimmte Männer den Klimawandel als "weiblich" empfinden, dann sollte halt die Botschaft "männlicher" sein. Formulierungen wie "Kampf" oder "Bekämpfung" des Klimawandels könnten an ein Macho-Stereotyp anknüpfen und deshalb nützlich sein, um manche Männer zu erreichen. Ähnlich verhält es sich, wenn bestimmte Männer den Status quo als gerecht und legitim ansehen – dann sollte Klimakommunikation eben die Art und Weise hervorheben, wie der Klimawandel den Status quo bedroht.
Die US-Atmosphärenforscherin Katherine Hayhoe steht an der Spitze einer Initiative, die die Strategie von Dr. Ballew aufgreift, allerdings für Frauen. Das Projekt heißt Science Moms und appelliert an US-amerikanische Mütter, sich Gedanken darüber zu machen, wie der Klimawandel die Zukunft ihrer Kinder gefährdet. Hier besteht die Kommunikationsstrategie also darin, die Aufmerksamkeit der Frauen auf das Thema zu lenken, indem man an ihre soziale Identität als Mütter appelliert.
Doch es gibt auch Kritik an einem solchen Ansatz. Beyond Mothering Earth lautet der Titel des neuen Buches von Sherilyn MacGregor, einer Dozentin für Umweltpolitik an der Universität von Manchester. Sie hält es für problematisch, an Frauen als Mütter zu appellieren. Dies sei nicht unbedingt ermächtigend, meint sie, insbesondere wenn man bedenkt, dass Mutterschaft in vielen Gesellschaften unterbewertet wird. Die Kategorie der Mutter schließe auch all jene Frauen aus, die – aus welchen Gründen auch immer – keine Kinder haben. "Die Bewältigung des Klimawandels erfordert Bürgersinn, nicht Mutterschaft“, sagt MacGregor. „Es ist ein Problem, das auf politischen, wirtschaftlichen und sozialen Strukturen beruht, die verändert werden müssen" – und eine dieser Strukturen sei das Patriarchat.
Geschlechtergräben nicht noch vertiefen
Die Bauingenieurin und Soziologin Ulrike Röhr von der Berliner Organisation GenderCC warnt, Klimakommunikation könne ungewollt Geschlechterstereotypen verfestigen. „Frauen als verletzlich zu zeichnen und Männer als toxisch, ist für beide Gruppen nicht hilfreich und vereint die Menschen nicht hinter dem Thema", sagt sie. Frauen mögen zwar stärker vom Klimawandel betroffen sein, sagt die britische Sozialanthropologin und Genderpolitik-Beraterin Alyson Brody, doch seien Frauen dadurch oft auch kenntnisreicher und widerstandsfähiger, und der Rest der Welt könne viel von ihnen lernen, zum Beispiel über Anpassungsmaßnahmen. Die Stockholmerin Johanna Alazar, eine der "feministischen Klimabotschafterinnen" der Green European Foundation, ermutigt Klimakommunikator:innen, die Stimmen von Frauen zu erheben, die dem Problem am nächsten sind.
Überall auf der Welt sind Frauen und Mädchen führend aktiv in der Klimabewegung - Greta Thunberg ist nur das prominenteste Beispiel. Dennoch haben es Aktivistinnen oft schwer, gehört zu werden. Die Initiative "Ende Gelände" zum Beispiel hatte früher bei ihren Aktionen stets sowohl männliche als auch weibliche Personen in ihren Presseteams – aber die Medien, so die Erfahrung, hätten immer wieder die Männer bevorzugt. Als Reaktion darauf würden jetzt nur noch Sprecherinnen angeboten, um sicherzugehen, dass auch Frauen zu Wort kommen.
Nina Treu, Mitbegründerin des Konzeptwerks Neue Ökonomie in Leipzig, empfiehlt Klimakommunikator:innen, mit dem Aufbrechen von Geschlechterstereotypen zu experimentieren, um ein Aufbrechen der Geschlechterrollen in der Gesamtgesellschaft zu fördern. Sie ist Teil eines Projekts namens 36x36, das den Einfluss von Frauen in der Sozial-, Wirtschafts- und Umweltpolitik fördern soll.
Wer empathischer ist, sorgt sich mehr um die Umwelt
Mehr Frauen in Entscheidungspositionen sind wichtig, aber für sich genommen keine Lösung. Lena Ramstetter und Fabian Habersack von der Universität Salzburg untersuchten 2019 die Einstellungen und das Abstimmungsverhalten von Europaabgeordneten in Umweltfragen. Sie fanden heraus, dass Frauen zwar mit größerer Wahrscheinlichkeit für schärfere Umweltgesetze stimmen als Männer - dass aber die politische Zugehörigkeit viel wichtiger ist für die Haltung der Abgeordneten zu Umweltthemen als das Geschlecht. Eine wirkliche Überraschung war das nicht; Ramstetter frustrierte es dennoch, dass die Wahl von mehr Frauen ins Parlament anscheinend wenig Aussicht auf eine Stärkung der gesetzgeberischen Maßnahmen im Bereich des Klimaschutzes bietet.
Lena Ramstetter geht davon aus, dass die Geschlechterdifferenzen bei Umwelteinstellungen und -verhalten zurückgehen auf Unterschiede zwischen Männern und Frauen bei zwischenmenschlichen Fähigkeiten wie Einfühlungsvermögen und Mitgefühl. Empathievermögen nämlich, so ergaben Studien, motiviere zur Sorge um den Klimawandel. Und in vielen Gesellschaften sind Fürsorge und Mitgefühl eben Eigenschaften, die bei Mädchen und Frauen stärker ausgeprägt sind als bei Jungen und Männern. Dies sei jedoch nicht zwangsläufig so, betont Ramstetter. Sie praktiziert Yoga und Meditation und möchte zeigen, dass sowohl Frauen als auch Männer durch Achtsamkeitstraining in ihrem Mitgefühl und Umweltengagement wachsen können; ihre Theorie möchte sie, gefördert durch ein Varela-Stipendium von Mind and Life Europe, in einem Forschungsprojekt überprüfen.
Mehr Diversität täte der Klimakommunikation gut
Die 25-jährige Klimaaktivistin Johanna Alazar plädiert dafür, in der Klimakommunikation insgesamt ein breiteres Spektrum an Stimmen zu präsentieren. Wenn man sich mit spezifischen Botschaften an Frauen und Männer wende, bestehe immer noch die Gefahr, dass viele Menschen außen vor bleiben - nämlich solche, die sich typischen Geschlechterrollen verweigerten. Und sie fordert, sich nicht zu stark auf Leute zu fokussieren, denen das Klima nicht wichtig ist. "Menschen, die sich nicht kümmern, haben das Privileg, sich nicht zu kümmern", sagt sie. "Wir sollten aufhören, unsere Energie darauf zu verschwenden, sie zu überreden."
Alazar ist Schwedin und Eritreerin und leitet ein Kaffeeunternehmen namens Finjal in Stockholm, das seine Bohnen von äthiopischen Bauern bezieht. Durch ihr Geschäft sieht sie bereits die drastischen Auswirkungen zunehmender Dürren, insbesondere für Frauen. Deren Stimmen zum Beispiel sollten Klimakommunikator:innen verstärken. Dies, ist Alazar überzeugt, würde die Klimabewegung bereichern und vielen Menschen eine Stimme geben, die noch nicht gehört wurden, aber viel Wissen zu teilen haben.
Isabel Sutton