Bekanntlich gibt es unter Klimawissenschaftlern praktisch niemanden mehr, der nicht von Existenz und Risiken der menschengemachten Erderwärmung überzeugt wäre. In den Medien hingegen finden sich immer noch regelmäßig Zweifel am Klimawandel. Die gängige Erklärung dafür war lange Zeit, dass Journalisten der Grundregel folgen, ausgewogene Berichte zu schreiben: also stets "beide Seiten" einer Debatte zu Wort kommen lassen wollen und dabei Mehrheitsverhältnisse oder Seriösität der Argumente außer Acht lassen (Boykoff 2004).
Heute jedoch ist dies nur noch selten der Fall, schreiben die beiden Kommunikationsforscher Michael Brüggemann (Universität Hamburg) und Sven Engesser (Universität Zürich) in einer aktuellen Untersuchung in Global Environmental Change. "Der Klimajournalismus", so ihr Fazit, "hat die Norm der Balance hinter sich gelassen und folgt einem mehr interpretativen Muster."
UN-Gipfel und nationale Politik wichtige Anstöße für Artikel zum Klima
Für die Studie wurde Medienberichterstattung rund um den Klimawandel in fünf Ländern analysiert (USA, Großbritannien, Deutschland, Schweiz, Indien). Ausgewählt wurden jeweils große und kleinere Zeitungen, darunter Qualitäts-, Boulevard-, Regionalblätter sowie Online-Medien (in Deutschland wurden beispielsweise FAZ, Süddeutsche Zeitung, Bild, Berliner Zeitung und Spiegel-Online untersucht). Insgesamt wurden 936 Artikel analysiert, parallel einige der Autoren dieser Texte befragt.
Beobachtungszeitraum waren die beiden Jahre 2011 und 2012 - eine Phase, in der keine so bedeutenden UN-Klimagipfel wie Kopenhagen oder Paris stattfanden und der Weltklimarat IPCC keinen großen Weltklimabericht veröffentlichte. Als "Periode mäßiger und routinehafter Klimaberichterstattung" bezeichnen die beiden Forscher daher den Zeitraum. Doch selbst die wenig spektakulären UN-Gipfel beider Jahre (Durban und Doha) sorgten für immerhin 18 Prozent aller Klimaartikel - ein weiterer Beleg, dass politische Ereignisse bedeutende Anlässe für Klimakommunikation liefern. Häufigster Gegenstand der Berichterstattung waren im Untersuchungszeitraum neue Forschungsergebnisse (32 Prozent), relevant waren zudem politische Entscheidungen nationaler Regierungen (16 Prozent) und Extremwetterereignisse (sechs Prozent).
Meist werden Leugner des Klimawandels zitiert, um sie zu widerlegen
Fast ein Fünftel der Berichterstattung erwähnte oder zitierte Positionen, die den menschengemachten Klimawandel in Zweifel ziehen. Diese waren also zwar in der klaren Minderheit, aber gegenüber ihrer Bedeutung in der Wissenschaft noch immer vielfach überrepräsentiert. Eine genaue Betrachtung jedoch relativierte das Bild: Am meisten zitiert wurden Leugner klimawissenschaftlicher Erkenntnisse in Texten, die sich kritisch mit diesen Positionen auseinandersetzten. "Journalisten zitieren Gegner des Forscherkonsens' häufig, um sie zu entlarven", so die Studie. "Diese Strategie könnte man als 'ablehnendes Zitieren' [dismissive quotation]bezeichnen." Das einstige Phänomen einer irreführenden Balance bei Berichten zum Klimawandel sei einer "aktiven Kontextualisierung und Überprüfung gegnerischer Stimmen gewichen, zum Beispiel durch Hinweise auf deren fehlende Fachkompetenz".
Als ein Hauptergebnis formulieren die beiden Autoren daher: "Die gute Nachricht dieser Studie ist, dass die 'kontextualisierte Berichterstattung' dem näherkommt, was allgemein als Konsens über Grundfragen des Klimawandels bezeichnet wird." Anders als zu Zeiten der Balance-Berichterstattung könne also "dem Journalismus weniger vorgeworfen werden, die Öffentlichkeit zu verwirren".
"Nischen des Leugnertums" in konservativen, angelsächsischen Medien
Vereinzelt aber, so ein weiteres Ergebnis der Studie, gebe es noch "Nischen des Leugnertums" - also Medien, die häufig Beiträge veröffentlichen, die gut abgesicherte Ergenisse der Klimaforschung bestreiten. Doch ausgerechnet in solchen Texten, so Brüggemann und Engesser, fänden sich selten Zitate von Leugnern. Journalisten, die diese randständigen Positionen unterstützen, vermeiden offenkundig Zitate. Als "beschützerische Auslassung" [protective omission] bezeichnen die beiden Studienautoren diese Arbeitsweise.
Am häufigsten kam die Ablehnung der Klimaforschung in britischen Medien vor und dort vor allem im Daily Telegraph, wo der Kolumnist Christopher Booker regelmäßig den menschengemachten Klimawandels bestreitet. Auch der dänische Ökonom Björn Lomborg und der ehemalige RWE-Manager Fritz Vahrenholt fielen bei der Medienanalyse als Personen auf, die konsequent einzelne Aspekte des Forscherkonsens' bezweifeln.
Das Ziel: "Ein gleichgesinntes, rechtslastiges Publikum bedienen"
Bemerkenswert war zudem, dass es ausschließlich politisch konservative Medien waren, in denen sich bei mehr als zehn Prozent der untersuchten Texte eine Ablehnung der Wissenschaft fand - neben dem erwähnten Daily Telegraph waren dies das Wall Street Journal (USA), die Berner Zeitung (Schweiz) sowie die Boulevardblätter Sun (Großbritannien) und Bild (Deutschland). Dass leugnerische Positionen besonders häufig in eher rechtsgerichteten Medien Raum bekommen, deckt sich mit früheren Studien (beispielsweise Feldman et al. 2011, Elsasser/Dunlap 2012).
"Rechtslastige Zeitungen bestreiten den Klimawandel signifikant häufiger", schreiben Brüggemann und Engesser. Offenbar gehe es darum, so Brüggemann und Engesser mit besonderem Blick auf den Telegraph-Autoren Booker, "dass ein prominenter Kolumnist ein geschätztes Publikum von ähnlich denkenden, rechtslastigen Lesern bedienen" darf und soll.
Toralf Staud