Wenn der Weltklimarat IPCC alle sechs bis sieben Jahre seine Berichte zum Stand der Forschung vorlegt, dann werden die sogenannen „Summaries for Policymakers“ (SPM) am meisten beachtet. Diese „Zusammenfassungen für Entscheidungsträger“ sind jeweils rund 30 Seiten lang und daher ein extrem verdichtetes Kondensat der ausführlichen Teilbände des Berichts. Das Besondere an den SPM: Sie werden von Wissenschaftlern entworfen, an der Schlussfassung aber reden in einer gemeinsamen Sitzung auch Regierungsvertreter der mehr als 190 IPCC-Mitgliedsstaaten mit. Diese Praxis wurde in der Vergangenheit teils scharf kritisiert – ebenso die Lesbarkeit der SPM.
Ein Team um die Biologin Katharine J. Mach vom Carnegie-Department for Global Ecology an der kalifornischen Universität Standford hat nun im Fachjournal Science Advances eine detaillierte Analyse der Zusammenfassungen veröffentlicht – im Vordergrund standen dabei die Verständlichkeit der SPMs und die zahlreichen Änderungen während der Redaktionsphase. Gegenstand waren die acht SPM der letzten beiden Sachstandsberichte, also des Vierten und Fünften aus den Jahren 2007 und 2013/14 (die Berichte umfassten jeweils drei Teilbände sowie einen Synthesereport, daraus ergibt sich die Zahl von acht SPM). Zum Autorenteam gehörte unter anderem Christopher B. Field, der den Teilband 2 des Fünften Sachstandsbericht als Co-Chair der entsprechenden IPCC-Arbeitsgruppe maßgeblich mitverantwortete.
Besonders stark nahm die Textmenge bei politisch brisanten Passagen zu
Die Studie analysierte die acht SPM jeweils vom ersten Entwurf bis zu jener Version, die letztlich im Plenum mit den Regierungsvertretern verabschiedet wurde. Eines der Ergebnisse: Der Textumfang nahm im Laufe des Verabschiedungsprozesses erheblich zu, nämlich um 17 und 53 Prozent. Beim letzten Sachstandsbericht zum Beispiel stieg die Zahl der Worte pro SPM von durchschnittlich 8.309 auf 10.518. Die Suche nach Konsensformulierungen hat den Text also deutlich anschwellen lassen. Überdurchschnittlich stark an Umfang nahmen dabei solche Passagen zu, in denen es um politisch brisante Inhalte ging – hier wuchs die Textmenge teilweise auf mehr als das Doppelte.
Nicht im Detail untersucht wurde, inwieweit dabei einzelne Formulierungen, etwa zu den Gefahren des Klimawandels, eventuell auf Druck von Regierungsvertretern abgeschwächt wurden. Im Interview mit dem Deutschlandfunk betonten die Forscher aber, die SPM seien nicht verwässert worden. Im Gegenteil, so Leitautorin Mach, seien viele Änderungen sogar hilfreich gewesen und hätten zum Beispiel klarer gemacht, was bestimmte Forschungserkenntnisse für Politik und Gesellschaft bedeuten. Nur in Ausnahmefällen hätten IPCC-Forscher und Regierungsvertreter keinen Konsens finden können – beispielsweise bei Passagen, aus denen die Verantwortung einzelner Staaten für Emissionsminderungen hätte abgeleitet werden können. In solchen wurden ganze Absätze oder auch Grafiken aus den SPM gestrichen, wodurch teils substantielle Informationen verlorengingen. Doch sei dies nicht allein Schuld der Regierungen, wie Mitautor Field im Deutschlandfunk durchaus selbstkritisch einräumt: Bisweilen seien Wissenschaftler wohl auch zu stur gewesen, um über alternative Darstellungen der strittigen Punkte nachzudenken.
Vorschläge für nächste IPCC-Reports: mehr Begleitmaterial fürs breite Publikum
Zweites Thema der Studie war, wie gut – oder schlecht – verständlich die SPM sind. Hierfür wurden die IPCC-Zusammenfassungen mit linguistischen Analyseprogrammen untersucht (so wurden der sogenannte Flesch-Lesbarkeitsindex und verschiedene Maße der Coh-Metrix ermittelt). Im Gegensatz zu vorherigen Studien wurde den Texten dabei kein allzu schlechtes Zeugnis ausgestellt – allerdings zogen Mach und ihre Mitautoren auch andere Maßstäbe heran. Frühere Untersuchungen hatten die Verständlichkeit der IPCC-Texte beispielsweise mit jener von Zeitungsartikeln verglichen. "Ein SPM wird niemals so einfach zu lesen sein wie ein Artikel in einem Boulevardblatt", heißt es in der neuen Studie lapidar. Vergleiche man hingegen die IPCC-Texte beispielsweise mit Reports der Weltbank, dann seien sie nicht wesentlich schlechter lesbar. Allerdings gebe es sicherlich Raum für Verbesserungen, so sollten die Wissenschaftler beispielsweise Fachjargon vermeiden.
Am Schluss der Studie macht das Autorenteam eine Reihe weiterer Vorschläge für den Sechsten Sachstandsbericht, den der IPCC zwischen 2020 und 2022 vorlegen will. So empfehlen sie, den IPCC-Autoren professionelle Wissenschaftsredakteure und Kommunikationsspezialisten zur Seite zu stellen. In die Berichte könne man etwa Textkästen einbauen, in denen schlaglichtartig anschauliche Beispiele ausgeführt werden. Und am Ende des mehrjährigen Erarbeitungsprozesses sollten jedenfalls nicht nur die eigentlichen Sachstandsreports veröffentlicht werden (die wegen ihres wissenschaftlichen Anspruchs niemals einfach zu lesen seien) – sondern begleitend dazu fürs breite Publikum gleich auch professionelle Grafiken, Animationen, Filme, Kurzbriefings, Interviews mit den Autoren, interaktive Websites und so weiter.
Toralf Staud