Zum Thema Klimawandel erscheinen mittlerweile fast monatlich neue Umfragedaten. Die Grundaussage ist seit Jahren gleich: Bürgerinnen und Bürger sagen der Politik klar und deutlich, dass sie ob der Folgen der Erderhitzung ernsthaft besorgt sind. Die Medien generieren mit den Studienergebnissen regelmäßige Schlagzeilen; für NGOs sind sie ein Anlass, wirksameren Klimaschutz zu fordern.
Doch wie entstehen die Umfragen überhaupt, in denen die Öffentlichkeit ihre Einschätzungen zum Klimawandel und zum Klimaschutz äußert? Und welche Unterschiede gibt es, was Aussagefähigkeit und Qualität der Befragungen betrifft?
Was denkt die Öffentlicheit über Klimawandel und Klimaschutz? Was bewegt junge Menschen? Inzwischen gibt es zahlreiche Untersuchungen, in denen die Einstellungen der Öffentlichkeit zur Erderhitzung und möglichen Gegenmaßnahmen vermessen werden; Foto: Carel Mohn
Grundsätzlich wird bei derartigen Erhebungen zwischen Umfrage, Survey und Panel unterschieden. Umfragen finden oft einmalig statt, teils aber auch in regelmäßigen Abständen. Es werden hierbei immer wieder andere Menschen gefragt und auch der Fragenkatalog kann sich verändern oder erweitert werden. Bei Surveys bleiben zwar die Fragen von Erhebungswelle zu Erhebungswelle gleich, aber es werden jeweils andere Menschen gefragt. Panels hingegen bilden gewissermaßen die höchste Stufe der Befragungen: Hier bleiben nicht nur die Fragen gleich, sondern es werden auch immer wieder dieselben Personen gefragt. Dies ermöglicht es nicht nur, Veränderungen im öffentlichen Bewusstsein und veränderten Einstellungen der Öffentlichkeit auf die Spur zu kommen. Zusätzlich lässt sich auch untersuchen, welchen Einfluss veränderte Lebensumstände wie ein höheres Einkommen oder Familienzuwachs auf die geäußerten Einstellungen einzelner Menschen haben.
EU-Kommission hört mit Eurobarometer den Bürgern zu
Für Europa besonders relevant ist das Eurobarometer, liegen hiermit doch Survey-Daten für alle EU-Staaten auf dem Tisch – und das bereits seit 1973. Die von der EU-Kommission in Auftrag gegebene öffentliche Meinungsumfrage wird etwa halbjährlich in den Mitgliedsstaaten der Union durchgeführt. Die aktuelle Eurobarometer-Umfrage fand von 7. Juni bis 1. Juli in allen 28 EU-Mitgliedstaaten und in fünf Kandidatenländern statt. Die für die Umfrage zuständige EU-Kommission betonte in einer Pressemitteilung, dass insbesondere die Sorge bezüglich des Klimawandels gestiegen ist: Im Herbst 2018 lag die Erderhitzung noch auf Platz fünf der sogenannten Problemrangliste. Nach den jüngsten Zahlen steht sie nun erstmals auf Rang zwei – hinter dem Thema Zuwanderung.
Renaud Soufflot de Magny ist stellvertretender Referatsleiter Kommunikation der EU-Kommission und erklärt, dass in den kommenden Jahren zwar bislang nicht explizit geplant sei, weitere Fragen bezüglich des Klimawandels zu ergänzen. Um aber abschätzen zu können, welche Themen für die Menschen relevanter werden, verlassen die Wissenschaftler auch ihren Elfenbeinturm, erläutert er. Im vergangenen Jahr wurden zum Beispiel hundert EU-Bürger eingeladen, ihren eigenen Fragenkatalog für das Eurobarometer zu entwickeln. Die Kommission will dadurch neue Einblicke gewinnen, wo sich die Bürgerinnen und Bürger politische Maßnahmen wünschen. Ein zentrales Thema waren etwa Erneuerbare Energien. "Es ist der Versuch, nicht nur mit unserer eigenen Denkweise an den Katalog heranzugehen. Wir versuchen eine Balance aus etablierten und neuen Fragestellungen zu schaffen", sagt Soufflot de Magny.
Alle zwei Jahre, auch außerhalb der EU: der European Social Survey (ESS)
Doch was die Einstellungen der Europäer zu Klimawandel und Klimapolitik betrifft, muss man sich nicht ausschließlich auf das Eurobarometer verlassen. Weitere Daten und neue Facetten zum Denken der europäischen Öffentlichkeit liefert periodisch auch der European Social Survey (ESS). Wie das Eurobarometer ist auch der ESS eine länderübergreifende Umfrage – der allerdings nicht an den EU-Grenzen haltmacht, sondern Menschen in mehr als 30 europäischen Ländern befragt, darunter auch die Schweiz.
Seit 2002 findet für den ESS alle zwei Jahre eine Befragungswelle statt, es werden Einstellungen, Wertorientierungen und Verhaltensmuster der Bevölkerung erfasst. In einer achten Befragungswelle wurden 2016 und 2017 in 18 Ländern insgesamt 34.837 Personen erstmals auch zum Thema Klimawandel befragt. Die Ergebnisse waren teils sehr bemerkenswert: So war beispielsweise in Österreich mit immerhin 7,3 Prozent die Zahl der Menschen ziemlich groß, die angaben, dass sich das Klima "wahrscheinlich nicht" oder "eindeutig nicht" verändere. (In jeweils eigenen Texten hat klimafakten.de die ESS-Daten zu Klimaeinstellungen in Deutschland, in Österreich und der Schweiz ausgewertet.)
Langzeit-Seismograf für Deutschland: die Umweltbewusstseinsstudie
Für Deutschland erforscht zudem die Umweltbewusstseinsstudie, die seit 1996 bereits zwölf Mal erhoben wurde, die Entwicklung von Umweltbewusstsein und Umweltverhalten. Die Studien werden im Auftrag des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit (BMU) und des Umweltbundesamts (UBA) alle zwei Jahre durchgeführt – jeweils im Wechsel mit der ebenfalls zweijährlichen Naturbewusstseinsstudie des Bundesamts für Naturschutz (BfN). Die Untersuchungen sollen dazu beitragen, eine sozialwissenschaftlich fundierte Grundlage für die Umweltpolitik und Umweltkommunikation bereitzustellen.
Die Umweltbewusstseinsstudie verfolgt verschiedene Ziele. Damit sie als Monitoring-Instrument genutzt werden kann, besteht ein Teil der Befragung aus bereits in früheren Studien erhobenen Fragen (ist also ein Survey). Darüber hinaus soll die Umweltbewusstseinsstudie laut eigenen Angaben als „Seismograf“ fungieren, um aktuelle umweltpolitische Themen und neue gesellschaftliche Entwicklungen zu erfassen – deshalb besteht ein zweiter Teil der Erhebung aus wechselnden Schwerpunktthemen, die vertiefend ausgeleuchtet werden. Für die Online-Erhebung von 2018 zum Beispiel mit rund 75.000 Befragten waren dies die Themen Mobilität, Landwirtschaft und Energiewende. Demnach schätzen 64 Prozent der Menschen in Deutschland Umwelt- und Klimaschutz als eine sehr wichtige Herausforderung ein – elf Prozentpunkte mehr als im Jahr 2016. Eine Mehrheit der Befragten stellen den relevanten Akteuren dabei jedoch kein gutes Zeugnis aus: Industrie, Bund und Kommunen würden demnach zu wenig für den Klimaschutz tun. (Eine ausführliche Meldung zur aktuellen Ausgabe der Umweltbewusstseinsstudie finden Sie hier; über die zuletzt 2018 veröffentlichte Naturbewusstseinsstudie haben wir hier berichtet.)
Ein Klassiker aus Yale: "Climate Change in the American Mind"
Jüngste Publikationen zeigen auch in den USA, dass sich das Bewusstsein und die Sorge rund um die Folgen der globalen Erderhitzung ausgeweitet haben. Forscher der Yale and George Mason University konzentrierten sich zum Beispiel in "Climate Change in the American Mind" darauf, wie die US-Bürger die mit der Erderhitzung einhergehenden.Risiken einschätzen.
Zuletzt fand die Befragung Ende 2018 online statt und offenbarte, so die beteiligten Wissenschaftler, einen "anhaltenden Aufwärtstrend in der Besorgnis der Amerikaner über die globale Erwärmung". Insgesamt wurden laut Yale bereits 22.000 Erwachsene über 25 Jahre befragt. So gehen 73 Prozent der US-weit Befragten von einer globalen Erwärmung aus. Zum Vergleich: 2010 gaben das nur 57 Prozent an, 2015 bereits 63 Prozent.
Bis hinunter auf die lokale Ebene lassen sich Klima-Einstellungen der US-Öffentlichkeit mit der interaktiven "Yale Public Opinion Map" erkunden; Foto: Screenshot YCCC
Mit ihrer Yale Public Opinion Map haben die Forscher ihre Ergebnisse in eine spannende, interaktive Grafik gegossen. Interessierte können die insgesamt 435 Distriktgemeinden in 50 US-Bundesstaaten anklicken, um sich einen Überblick zu verschaffen, wie es um die öffentliche Meinung vor Ort und im bundesweiten Vergleich bestellt ist. In der Erhebung von 2018 bestätigten 70 Prozent, dass die Erderhitzung stattfinde. (Ein ausführliches Porträt des Yale Program on Climate Change Communication (YCCC) und seines Leiters, Anthony Leiserowitz, finden Sie hier.)
Weltweite Daten kommen regelmäßig vom Pew Research Center
Eine ebenfalls auf einen längeren Zeitraum angelegt Studie kommt vom US-amerikanischen Pew Research Center. Das Besondere: Sie wird in 26 Staaten der Welt durchgeführt - und zwar in Entwicklungs- und Schwellenländern wie Kenia oder Mexiko ebenso wie in Industriestaaten wie Australien oder Japan. Sie erlaubt somit einen globalen Überblick der Meinungslage. Bei der aktuellen Umfrage, die im Februar 2019 veröffentlicht wurde, empfanden 67 Prozent die Erderhitzung als Bedrohung. (Texte zu früheren Ergebnissen von Pew-Erhebungen finden Sie hier und hier.) Zu den Ländern, in denen die Befragung durchgeführt wird zählen unter anderem Deutschland, Polen und Russland
Die Wahrnehmung des Klimawandels hat auch mit politischen Überzeugungen zu tun; besonders frappierend sind die Befunde hierzu in der polarisierten US-Öffentlichkeit: So sind zum Beispiel beinahe neun von zehn (87 Prozent) der links-liberalen Amerikaner um das Klima besorgt, so die Pew-Experten, während es im Lager von Trumps Republikanern nur 31 Prozent sind.
Julia Schilly