Acht Uhr morgens, ein nüchterner Seminarraum an der Universität Salzburg. Das Publikum: gut 50 Sozialwissenschaftler, Klimaforscherinnen und Klimaschutzpraktiker aus Kommunen, Nichtregierungsorganisationen und Unternehmen. Auf dem Podium: die Vertreter von sieben Religionsgemeinschaften.
Was zu früher Stunde diesen ungewöhnlichen Mix an Menschen zusammenbringt, ist der Klimawandel, oder präziser: Die Suche nach neuen Wegen und Formen, über dieses hochkomplexe und -komplizierte Thema ins Gespräch zu kommen. Dies war die große Leitfrage von K3, dem Kongress für Klimawandel, Kommunikation und Gesellschaft in Salzburg - und am Morgen des zweiten Konferenztages nun eben Anlass und Impuls für eine Andacht. Denn dort, wo die Stimme der Wissenschaft kein Gehör findet oder sprachlos bleiben muss, kann vielleicht die Religion ihre eigene Sprache sprechen, kann sich jenseits des Verbal-Rationalen Geltung verschaffen. Das zumindest ist die Grundidee hinter der unkonventionellen Übung, ausgerechnet mit Gebeten, Meditation und Taizé-Gesang den Tag einer Wissenschaftskonferenz zu beginnen.
"Willst Du denn einen Statthalter, der Unheil und Zerstörung bringt?"
Dass Religion auch bei der Aufgabe, Klima und Schöpfung zu bewahren, Gemeinsamkeit stiften kann, beweist Franz Gmainer-Pranzl. Dem Uniprofessor und Leiter des Zentrum Theologie Interkulturell und Studium der Religionen an der Universität Salzburg ist nicht nur gelungen, Wissenschaft und Religion zusammenzubringen, sondern auch Vertreter von gleich sieben Religionen: der Bahá’í, der Buddhistischen Religionsgesellschaft, der Evangelisch-Lutherischen Kirche, der Hindu-Gemeinschaft, der Islamischen Religionsgemeinde, der Israelitischen Kultusgemeinde und der Katholischen Kirche.
In alphabetischer Reihenfolge bittet er die Sieben, den jeweils eigenen Zugang zum Thema Klimawandel deutlich zu machen. In den kurzen, teils als Gebet, teils als kontemplative Betrachtung, teils als Erläuterung vorgetragenen Worten werden Unterschiede, aber auch Gemeinsamkeiten im Umgang der Religionen mit dem Menschheitsthema Klimawandel deutlich. So betonen die Vertreter der drei abrahamitischen Religionen, den klaren Auftrag Gottes an den Menschen, die Schöpfung zu bewahren, zu behüten und sie in einen Garten zu verwandeln.
Dabei gibt es sowohl im Judentum, als auch im Christentum und Islam es eine klare Vorstellung von der Ambivalenz dieses göttlichen Auftrags. Der 104-jährige Marco Feingold, Holocaust-Überlebender und Vorsitzender der Israelitischen Kultusgemeinde Salzburg, zitierte das Erste Gebot, demzufolge der Mensch fruchtbar sein und sich die Erde untertan machen solle. "Das soll heißen, der Mensch soll die Erde nutzen - aber auch pflegen und sorgsam damit sein." Ahmet Yılmaz von der Islamischen Religionsgemeinschaft Salzburg verwies darauf, wie kritisch die Engel es bewerten, als Gott den Menschen zu seinem Statthalter auf der Erde machen will. "Willst Du denn einen Statthalter, der Unheil und Zerstörung bringt? Es gibt doch uns, die Dich rühmen und preisen und Deine Schöpfung bewahren?!"
Für Hindus ist alles Erdenleben ein Kreislauf, der Buddhismus fordert Achtsamkeit
Anders akzentuiert Rama Mali von der Hindu-Gemeinschaft das Thema: Aus hinduistischer Perspektive befindet sich alles Leben auf der Erde in einem Kreislauf, in dem alles ineinandergreift. Demnach ist der Mensch Teil dieser Welt, hat den gleichen Stellenwert wie jedes andere Lebewesen – und die Pflicht, diesen Kreislauf zu wahren und zu achten. Was im aufstrebenden Indien mit seiner Milliardenbevölkerung im übrigen kaum gelinge. Und wieder anders der von Werner Purkhart erläuterte und in einer Meditation anschaulich gemachte buddhistische Zugang, der vom Gläubigen verlangt, sich auf einen Entwicklungsweg des eigenen Selbst zu begeben: hin zu Achtsamkeit und Mitgefühl. "Es geht darum, die Liebe, die wir für uns selbst haben, auszudehnen auf andere Geschöpfe und zu verwandeln in einen Respekt vor der Erde."
Teils bewegt, teils andächtig-berührt hören die Konferenzteilnehmer den Gebeten und Betrachtungen zu. Sie nicken, als der Katholik Roland Rasser an die päpstliche Enzyklika Laudato si erinnert, die den Umwelt, Klimawandel und globale Gerechtigkeit zu ihrem Kernthema gemacht hat: "Die Ausbeutung der Schätze, die uns anvertraut sind und die Ausbeutung des Menschen gehören zusammen." Oder als, noch konkreter, Ahmed Yilmaz die Islamische Erklärung zum Klimawandel zitiert, in der Gelehrte 2015 die islamischen Staaten direkt dazu aufgefordert haben, bis 2050 aus der Förderung von Öl und Gas auszusteigen.
Es geht um mehr als die Indienstnahme von Religion für die Klimakommunikation
Dennoch wird auch klar, dass die religiöse Auseinandersetzung mit dem Klimawandel mehr bedeutet, als neue Klima-Campaigner in den Reihen von Kirchen und Religionsgemeinschaften zu finden. Und dass es um mehr geht als eine nützliche Indienstnahme von Religion und Spiritualität für eine Klimakommunikation, der Fakten allein nicht mehr ausreichen.
Deutlich wird dies, als (ungeplant) direkt im Anschluss an die Andacht die beiden Redner der wissenschaftlichen Hauptvorträge am zweiten Konferenztag darauf hinweisen, welchen Stellenwert religiöse Erfahrung und Praxis in allen Kulturen einnehmen. Die Religionen hätten ein großartiges Angebot kultureller Ressourcen, betonte etwa der britische Humangeograph Mike Hulme – auf diese Ressourcen könne man bei einem von menschlicher Kultur geschaffenen Problem wie dem Klimawandel zurückgreifen. Und Susanne Moser von der Stanford University erinnerte an das in allen Religionen verankerte "tiefe Verlangen des Menschen, gut sein zu wollen".
Und dies ist nun tatsächlich deutlich mehr als gute Klimakommunikation.
Carel Mohn