Sebastian Levi ist Wissenschaftler am Sustainability Center der Hertie School. Vorher promovierte er an der Freien Universität Berlin und war Gastwissenschaftler am Yale Program on Climate Change Communication. In seiner Forschung beschäftigt er sich schwerpunktmäßig mit der Rolle von Bevölkerungsansichten in der deutschen und globalen Klimapolitik. Der Beitragbasiert auf einer Publikation im Fachjournal Communications Earth & Environment

 

Auch wenn in Deutschland die rechtspopulistische Alternative für Deutschland regelmäßig mit klimaskeptischen Bemerkungen Schlagzeilen zu machen versucht, so ist die Leugnung des Klimawandels und seiner menschengemachten Ursachen in Deutschland doch eine Minderheitenposition. Ganz im Gegensatz zu den USA, wo 43% aller US-Amerikaner und die Mehrheit der Republikaner nicht davon überzeugt ist, dass sich die Erdatmosphäre vornehmlich aufgrund menschlicher Aktivitäten kontinuierlich erwärmt. Woher kommen diese Unterschiede? Und sind die USA nur ein Sonderfall? Oder gibt es systematische Unterschiede in den Einschätzungen zum menschengemachten Klimawandel zwischen verschiedenen Ländern?

Das Bewusstsein für den Klimawandel variiert stark zwischen verschiedenen Ländern

Genau zu messen, wie viele Menschen in unterschiedlichen Ländern die wissenschaftlichen Erkenntnisse zum Klimawandel akzeptieren, ist nicht einfach. In vielen Ländern des Globalen Südens gibt es kaum Umfragen hierzu. Viele Erhebungen werden auch nur als Online-Umfragen durchgeführt und blenden damit jene Teile der Bevölkerung aus, die keinen Internetzugang haben. Um weltweite Daten zum Klimawandelbewusstsein zu analysieren, habe ich deshalb auf einen besonders umfangreichen Datensatz zurückgegriffen: Das US-Umfrageinstitut Gallup hat zwischen 2007 und 2010 in mehr als 140 Ländern fast eine halbe Millionen Menschen nach ihrer Meinung zum Klimawandel befragt. Um einen möglichst breiten Querschnitt der Weltbevölkerung zu erfassen, wurden Menschen aus allen Teilen dieser Länder berücksichtigt – inklusive Gegenden, die nur schwer zugänglich sind und in denen viele Menschen kein Internet oder Telefon besitzen.

Die Ergebnisse dieser Umfrage zeigten, dass erschreckend viele Menschen noch nie vom Klimawandel gehört hatten – und viele nicht davon überzeugt waren, dass der Klimawandel hauptsächlich durch menschliche Aktivitäten verursacht wird. Wenn man die Daten repräsentativ auf die nationalen Bevölkerungen hochrechnet und nach den Bevölkerungsgrößen der unterschiedlichen Länder gewichtet, so lässt sich errechnen, dass zwischen 2007 und 2010 nur eine Minderheit von circa 40 Prozent der Weltbevölkerung vom Klimawandel wusste und davon, dass der Mensch die Hauptursache ist.

Geschätzter Bevölkerungsanteil jener Menschen, die vom Klimawandel gehört haben und auch meinen, dass dieser hauptsächlich durch menschliches Handeln verursacht wird 2007-2010 (n = 373.649) – Grafik basiert aus Daten von Gallup World Poll analysiert in Levi (2021)

Am niedrigsten war das Bewusstsein für den Klimawandel hierbei nicht in den USA, sondern in Ländern wie Afghanistan, Liberia oder Turkmenistan. Das hat viel damit zu tun, dass viele Menschen in diesen Ländern nur geringen Zugang zu Kommunikationsmitteln haben und deshalb oft noch nie vom Klimawandel gehört haben. Aber das ist nicht alles. Betrachtet man nur Menschen, die schon vom Klimawandel gehört haben, so bleiben dennoch große Unterschiede in der Häufigkeit, in der die menschengemachten Ursachen akzeptiert werden. So gaben beispielsweise nur 15 Prozent der Menschen in Tadschikistan, die schon einmal vom Klimawandel gehört haben, auch an, dass die Klimakrise vom Menschen verursacht wird. Ganz im Gegensatz zu Südkorea, wo 90 Prozent der Befragten davon überzeugt sind, dass der Klimawandel menschengemacht ist. Die USA liegen mit 43 Prozent nur im Mittelfeld der untersuchten Staaten.

Auch wenn die zugrundeliegenden Daten schon etwas älter sind, so scheint sich die Situation in den vergangenen zehn Jahren nicht allzu stark verändert zu haben. Auch wenn nie wieder so eine umfangreiche Umfrage zum weltweiten Klimawandel-Bewusstsein durchgeführt wurde, so gibt es dennoch neuere Daten von Regionalstudien aus Europa, Nordamerika, Afrika und Lateinamerika. Eine Analyse dieser Daten zeigt, dass auch zwischen 2017 und 2019 immer noch eklatante Unterschiede im Klimawandel-Bewusstsein zwischen verschiedenen Ländern und Weltregionen bestanden. In lateinamerikanischen Ländern zum Beispiel, in denen auch 2007 bis 2010 schon besonders viele Menschen an den menschengemachten Klimawandel akzeptierten , ist das öffentliche Bewusstsein sogar noch gestiegen – in Afrika hat sich in den vergangenen zehn Jahren jedoch nicht viel verändert. Dort gibt es immer noch viele Länder, in denen fast die Hälfte der Bevölkerung noch nie vom Klimawandel gehört hat und nur zehn, zwanzig oder dreißig Prozent der Bevölkerung weiß, dass er menschengemacht ist.

Geschätzter Anteil der Bevölkerung, die vom Klimawandel gehört hat und meint, dass dieser durch menschliches Handeln verursacht wird. Erhoben für 60 Länder aus Nord- und Südamerika, Europa und Afrika basierend auf Daten des Gallup World Poll (2007-2010) und neuerer regionaler Umfragen (2016-2019) – Grafik aus Levi (2021)

Gesellschaftliche Rahmenbedingungen bestimmen das Klimawandel-Bewusstsein

Warum nun sind in einigen Ländern die Menschen viel häufiger vom wissenschaftlichen Sachstand überzeugt als in anderen Ländern? Um die nationalen Unterschiede  besser zu verstehen, habe ich die Informationen jener 400.000 Individuen, die der Gallup World Poll zum Klimawandel befragt hat, mit einer Methode aus dem maschinellen Lernen analysiert. Dabei habe ich ein Modell trainiert, dass vorhersagen soll, wer von diesen Menschen nun den menschengemachten Klimawandel akzeptiert und wer nicht – basierend auf individuellen Daten wie Bildung, Wohnort, Zugang zum Internet, aber auch gesellschaftlichen Faktoren wie zum Beispiel das Demokratielevel in einem Land oder wie viele Umwelt-NGOs oder Klimawissenschaftler in dem Land aktiv sind.

Dabei habe ich festgestellt, dass gesellschaftliche Rahmenbindungen sehr wichtig sind, um zu bestimmen, welche Individuen den menschengemachten Klimawandel akzeptieren. Vor allem die wirtschaftliche Entwicklung eines Landes, wie wichtig Umweltschutz dort ist und das Demokratielevel beeinflussen das individuelle Klimawandelbewusstsein stark. Individuelle Bildung und Zugang zum Internet sind ebenfalls wichtig – vor allem aber um vorherzusagen, ob Menschen überhaupt schon vom Klimawandel gehört haben. Blendet man diesen Sondereinfluss aus , so verlieren alle individuellen Faktoren ihre Bedeutung. Um vorherzusagen, wer von all jenen Menschen, die vom Klimawandel gehört haben, auch seine menschlichen Ursachen für erwiesen hält, hilft es wenig zu wissen, welche Bildung diese Person hat, ob sie über einen Internetzugang verfügt oder welches Alter oder Geschlecht sie hat. Das Bewusstsein für die  menschengemachten Ursachen des Klimawandels hängt stattdessen viel stärker mit länderspezifischen Rahmenbedingungen zusammen – etwa Demokratie, der Aktivität von NGOs, aber auch den nationalen Treibhausgas-Emissionen und einer marktliberalen politische Kultur.

Die Relevanz diverser Faktoren um (a) die Aufmerksamkeit für den Klimawandel und Glauben an den menschengemachten Klimawandel in der gesamten Weltbevölkerung zu bestimmen (n = 373.649) oder (b) den Glauben an die menschlichen Ursachen des Klimawandels von jenen zu bestimmen, die schon einmal vom Klimawandel gehört haben (n = 271.790). Individuelle Variablen sind mit „(ind.)“ gekennzeichnet, alle anderen Variablen sind länderspezifische Faktoren. – Graphik aus Levi (2021)

Interessant ist hierbei vor allem die Rolle von NGOs, Klimaforschenden und dem Ausmaß der Demokratie. Das Modell zeigt hierbei, dass es nicht so sehr darauf ankommt, wie viele Nichtregierungsorganisationen oder Klimaforscher genau in einem Land tätig sind, sondern dass es überhaupt welche gibt. Menschen, die in Ländern wohnen, in denen es keine einzige Klima-NGO gibt oder keine einzige publizierende Klimaforscher:in gibt, akzeptieren signifikant seltener den menschengemachten Klimawandel. Auch zeigt das Modell, dass Menschen in sehr autokratischen Ländern weitaus seltener die Belege für den menschengemachten Klimawandel akzeptieren als jene, die in Demokratien leben.

NGOs und Klimaforschende als wichtige Botschafter der Klimakrise unterstützen

Andere Forschungsbeiträge, aber auch meine eigene qualitative Feldforschung in Südafrika deuten darauf hin, dass Nichtregierungsorganisationen, Klimaforschende und Demokratie vor allem aufgrund ihrer Rolle im Mediendiskurs wichtig für das Klimawandelbewusstsein sind. Gerade in Ländern, in denen es nicht viele spezialisierte Umweltjournalist:innen gibt, sind Zivilgesellschaft und Wissenschaft essenziell, um die Klimakrise in das öffentliche Bewusstsein zu rücken. Veröffentlichungen von Klimaforscher:innen sowie Berichte und Aktionen der NGOs sind dabei wichtige Ereignisse, die Klimawandel-Berichterstattung in den nationalen Medien anregen.

Gibt es in einem Land nur wenige klimapolitische Organisationen oder werden diese von der Regierung unterdrückt, schränkt dies auch die Klimawandelberichterstattung ein. Vertreter:innen von Klima-NGOs wie Greenpeace und 350.org, die ich in Südafrika interviewt habe, berichten, dass es vor allem in Ländern wie Äthiopien, Eritrea, der Demokratischen Republik Kongo oder dem Senegal schwierig ist, öffentlich für den Klimawandel zu demonstrieren und so öffentliche Aufmerksamkeit für das Thema zu wecken. Andere Forschungsbeiträge zeigen, wie die russische Regierung systematisch den Zugang von Wissenschaft und Zivilgesellschaft in der öffentlichen Klimadebatte unterbindet und so Unwissen zum oder Zweifel am menschengemachten Klimawandel befördert.

Wie können Organisationen hierzulande dabei helfen, das globale Bewusstsein für die Klimakrise zu stärken? Zum einen sind Ausbildungsprogramme für lokale Journalist:innen sehr wichtig. In vielen Ländern des Globalen Südens gibt es nur wenige speziell ausgebildete Umweltjournalist:innen, und viele unspezialisierte Reporter:nnen haben nur ein geringes Verständnis des Klimawandels. Weiterhin sind Umwelt- und Klima-NGOs in diesen Ländern immer noch auf finanzielle Förderprogramme aus dem Globalen Norden angewiesen. Es ist wichtig, dass diese Finanzierungen bestehen bleiben und ausgebaut werden. Solidarische Kooperationen zwischen Organisationen des Globalen Nordens und des Globalen Südens sind wichtig, um das Klimawandelbewusstsein auch gerade in jenen Ländern zu stärken, in denen gut ausgestattete NGOs oder eine ausgeprägte Umweltberichterstattung in den Medien bislang fehlen. Und vielleicht können solche transnationalen Partnerschaften ja helfen, transformative Klimapolitik auch in jenen Ländern wie Südafrika, Saudi-Arabien oder Russland anzuregen, in denen der Abschied von fossilen Energieträgern noch keine Rolle in den öffentlichen Debatten spielt.